Warum müssen wir beim Sport mehr trinken? Und wie stellen wir dies am besten an? Nachfolgend gibt Sportphysiotherapeut Ludwig Tannast, der momentan Läufer auf ihren ersten Marathon vorbereitet (My First Marathon-Package des Aargau Marathons), Tipps, die insbesondere Ausdauersportlern helfen sollen, ihren Flüssigkeitshaushalt im Gleichgewicht zu halten.
Wasser hat in unserem Körper verschiedene Aufgaben: Es löst und transportiert wasserlösliche Stoffe und reguliert die Körpertemperatur, indem wir durch das Schwitzen einer Überhitzung vorbeugen. Beim Sport schwitzen wir, je nach Intensität, Aussentemperatur und Trainingszustand mehr oder weniger. Dabei verlieren wir Wasser und Elektrolyte (Salze / Säuren / Basen).
Die Körpermasse eines erwachsenen Mannes besteht zu 60% aus Wasser, diejenige einer Frau zu 50%. Daraus folgt, dass wir bereits ab 2% Gesamtkörperwasserverlust (0,9 – 1,2 Liter) beim Sport weniger zu leisten vermögen. Zudem erhöht sich bereits das Risiko für Muskelkrämpfe. Denn bei fehlendem Wasser verdickt das Blut und kann seine Transportfähigkeit nicht mehr genügend ausführen.
Wir verlieren bereits ohne sportliche Anstrengung im Alltag Wasser, nämlich über die Ausdünstung via Haut (ca. 0,5 l pro Tag) und Atmung (0,4 l), und über die Ausscheidung via Harn (ca. 1 l) und Stuhl (ca. 0,1 l). Der minimal benötigte Wasserbedarf eines 80 kg schweren Mannes beträgt pro Tag also ca. 2 Liter. Diesen Bedarf decken wir mit ca. 1,3 l Getränken und 0,7 l Nahrung.
Schwitzen kühlt den Körper
Beim Sport kommt der Wasserverlust durch das Schwitzen hinzu und wir müssen mehr trinken, um den Wasserhaushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Die über die Belastung erzeugte Wärme kann nur über die Schweissproduktion abgegeben werden. Somit verliert ein Sportler über die Verdunstung von 1 Liter Wasser (via Haut und Atmung) ungefähr 580 kcal an Wärme. Dabei ist noch spannend zu wissen, dass ein trainierter Athlet weit mehr (2 bis 3 Liter pro Stunde) Schweiss produzieren kann als ein untrainierter Sportler (ca. 0,8 Liter pro Stunde). Insbesondere bei hohen Aussentemperaturen muss der Körper sehr viel Wasser über das Schwitzen abgegeben, um so den Körper zu kühlen und leistungsfähig zu halten. Dies bedingt ein konsequentes Trinkverhalten jedes Sportlers.
Wie viel muss ich schlussendlich trinken?
Der Schweissverlust kann anhand folgender Werte ungefähr. abgeschätzt werden:
mässige Belastungsintensität (kein sichtbarer Schweiss): | ca. 0,5 l/Stunde |
intensive Belastung (deutlich sichtbarer Schweiss): | ca. 1 l / Stunde |
extreme Belastung Wettkampfsituation (fliessender Schweiss): | ca. 1,5 l/Stunde |
Oder man errechnet den Wasserverlust via Schwitzen, indem man vor und nach dem Sport auf die Waage steht. Diese Differenz muss dann zur täglichen individuellen Trinkmenge hinzuaddiert werden, damit man das Gesamttrinkvolumen erhält. Wird während des Trainings getrunken, muss diese Menge noch vom „Gewicht nachher“ abgezogen werden. Bei im Training ermittelten Werten ist zu beachten, dass im Wettkampf im Allgemeinen die Schweissrate noch etwas höher liegt. Das Gleiche gilt für hohe Temperaturen oder Luftfeuchtigkeit.
Anzeichen eines Flüssigkeitsdefizits:
Das erste Körpersignal bei einem Flüssigkeitsdefizit ist ein Rückgang der Leistungsfähigkeit. Dabei tritt auch das Durstgefühl auf. Aber Achtung: Das Durstgefühl ist kein ausreichender Marker für die vollständige Wasserzufuhr im Sport. Nach dem Durstgefühl würden wir nur ca. 2/3 des benötigten Wassers während oder nach dem Sport wieder zuführen. Weitere Folgen eines Flüssigkeitsdefizits sind:
- fortschreitender Leistungseinbruch
- Konzentrationsstörungen
- Koordinationsstörungen
- Überhitzung
- Schwindel
- Erbrechen
- Muskelkrämpfe (Lesen Sie dazu in Kürze mehr auf unserem Blog)
Wie kann ich ein Flüssigkeitsdefizit vermeiden
- Hören Sie auf Ihr Durstgefühl.
- Beobachten Sie die Farbe Ihres Urins (dunkle Farbe deutet auf eine ungenügende Flüssigkeitszufuhr).
- Trinken Sie in den Tagen vor einem Wettkampf mehr (mehr als den empfohlenen Tagesbedarf ohne Sport).
- Je nach Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit, individuellem Schwitzverhalten und Geschlecht (Männer schwitzen mehr) kann der Flüssigkeitsverlust zusätzlich variieren. Dementsprechend sollten Sie dann mehr trinken.
- Beachten Sie, dass trainierte Sportler mehr schwitzen als weniger trainierte.
- Gute Vorbereitung durch ein sportartspezifisches Training inklusiv Krafttraining für die Rumpfmuskulatur und die Füsse und Beine. Ein gut trainierter Sportler weist einen grösseren Gesamtkörperwasseranteil auf.
- Testen Sie Ihre individuelle Trinkstrategie aus.
Trinken: wann – wie viel – was
Der Flüssigkeitsbedarf ist individuell. Schweissrate (machen Sie den Wiegetest!), Körpergrösse, Belastungsdauer, Trainingszustand haben Einfluss darauf. Zudem variieren auch die Möglichkeiten zum Trinken. Deshalb sind die nachfolgenden Tipps Faustregeln, die Ihnen helfen sollen, Ihre individuelle Trinkstrategie zu finden.
Empfehlenswerte, individuelle, tägliche Trinkmenge (ohne Sport) für Erwachsene: 35 ml mal Anzahl kg Körpergewicht = ml pro Tag
Weniger als 60 Min. Sport:
Vor (während 2 Stunden zuvor ca. 500 ml) und nach dem Sport Wasser trinken. Ausnahmen stellen sehr hohe Belastungsintensitäten, hohe Temperaturen und hohe oder sehr niedrige Luftfeuchtigkeit dar, die früheres Trinken erfordern.
Über 60 Min. Sport:
Hier sollten Sie auch während des Sports trinken (Wasser, Saftschorle). Es empfiehlt sich, mit dem Trinken früh zu beginnen – bei Ausdauersportarten wie Joggen alle 20 Min. ca. 150 ml.
Über 90 Min. oder über 45 Min. intensive Belastung:
Bei längeren bzw. intensiven Ausdauerbelastungen alle 10 bis 20 Min. 150 bis 250 ml trinken. Bei intensiven Belastungen 600 bis 1000 ml / Stunde, je nach Verträglichkeit und Bewegungsart (ein Völlegefühl beim Laufen stört). Neben Wasser wirken bei dieser Belastungsdauer auch Kohlenhydrate, welche fest oder in Form von Pulvern dem Wasser beigefügt werden können, leistungsfördernd.
Regeneration:
Nach dem Sport wird empfohlen, die etwa anderthalbfache Menge des Schweissverlustes an Flüssigkeit wieder aufzunehmen.
Geeignete Getränke:
- Mineralwasser (kohlensäurearm, natriumreich) für alle gemässigten Belastungen oder bei hochintensiver Aktivität bis ca. 60 Min. Dauer
- Saftschorle (3 Teile Wasser zu 1 Teil Saft) für mehrstündige Belastungen (alternativ: Mineralwasser + feste Nahrung)
- Isotone Getränke (mit Maltodextrin) für hochintensive Belastungen über mehrere Stunden (1 Teil Isotones Getränk oder Saftschorle mit 2 Teilen natriumreichem Mineralwasser [über 600 mg Natrium pro Liter!] und 1 Teil Saft; wenn die Belastung über mehrere Stunden geht, noch Kohlenhydratpulver, z. B. Maltodextrin, dazumischen)
Temperatur des Getränkes
Das American College of Sports Medicine empfiehlt, das Getränk – wenn möglich – kühler als die Umgebungstemperatur (15 – 22°C) zu trinken. Kalte Getränke (ca. 5°C) entziehen dem Körper einen Teil der überschüssigen Körperwärme. Bei hohen Aussentemperaturen wirkt dies unterstützend, kann aber auch Magenbeschwerden hervorrufen. Die gut tolerierbare Temperatur des Getränks muss grundsätzlich individuell ausprobiert werden. Wettkämpfe oder Dauerbelastungen bei kalten Aussentemperaturen erfordern eher warme Getränke.
Merke:
- Das Lebenselixier Wasser ersetzt rasch den Flüssigkeitsverlust. Kohlensäurearme, natriumreiche Mineralwasser sorgen für einen ruhigen Magen und liefern Salz.
- Vitaminzugaben sind in der Regel bei Getränken nicht notwendig.
- Süssstoffe haben in einem Sportlergetränk nichts verloren, weil sie keine Energie liefern (hier ist eine Energiereduktion nicht erwünscht). Zuckeraustauschstoffe (energiehaltig) können in grösseren Mengen Verdauungsbeschwerden auslösen und sind für Sportprodukte daher nur sehr begrenzt einsetzbar.
- Alle Trinkstrategien, Getränke und deren Temperatur sollten unbedingt im Training auf die individuelle Verträglichkeit hin ausgetestet werden! So kann die Flüssigkeitsaufnahme während der Trainingsbelastung auch geübt bzw. der Körper daran gewöhnt werden.
Trinksysteme:
Stellt sich noch die Frage, wie man während des Sports, zum Beispiel beim Laufen, überhaupt zu seinem Getränk kommt bzw. dieses mit sich trägt. Die Möglichkeiten an Ausrüstungen hierzu reichen von Handwasserflaschen über Gürtel mit Trinkflaschenhaltesystem bis zu Trinkrucksäcken und Laufhemden mit Trinkblasen auf dem Rücken. Hier gilt es, individuell die richtige Ausrüstung für die eigenen Anforderungen zu finden. Eine kleine Übersicht bietet hierzu zum Beispiel Runner’sWorld und unser Blogbeitrag Trinksysteme beim Sport.
Zum Schluss noch ein kleiner Tipp für den Wettkampftag: Wenn Sie dort aus Bechern trinken müssen, sorgen Sie dafür, dass man Ihnen diese etwas zusammengedrückt reicht. Mit dieser Art „Schnabelbecher“ schütten Sie nämlich bei gleichzeitigen Laufen und Trinken nicht alles über Ihre Kleider;-)
Quelle: Sport und Ernährung, Christoph Raschka / Stephanie Ruf, Thieme – Verlag 2015