Der Kreuzbandriss ist eine der bekanntesten Sportverletzungen. Obwohl diese Verletzung sowohl in der Schweiz als auch weltweit sehr häufig vorkommt – so wirklich genau weiss man dann doch nicht Bescheid. Wir haben uns mit Dr. Edoardo Calzoni unterhalten und dem Facharzt für Allgemeinchirurgie und Traumatologie an der Hirslanden Klinik Aarau Fragen zur Verletzungsgefahr und den verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten gestellt. Zudem hat Dr. Calzoni die gängigsten Mythen richtiggestellt, die noch immer in den Köpfen der Menschen herumgeistern.

Herr Dr. Calzoni, was ist ein Kreuzbandriss?

Das Kniegelenk besteht aus verschiedenen Komponenten, darunter auch zwei kreuzförmige Bänder, die für die Stabilität des Gelenks sorgen. Diese Bänder werden als vorderes und hinteres Kreuzband bezeichnet. Ein Kreuzbandriss tritt auf, wenn eines dieser Bänder reisst oder sich teilweise löst.

Wo besteht die grösste Verletzungsgefahr?

Kreuzbandrisse treten in der Regel bei Sportarten auf, die schnelle Richtungswechsel, abrupte Stopps oder plötzliche Bewegungen erfordern. Dazu gehören zum Beispiel Fussball, Basketball, Handball oder Skifahren. In der Schweiz gibt es 70’000 Fussball-Unfälle pro Jahr und 50’000 Ski-Unfälle in drei Monaten. Nicht bei allen Unfällen, aber sehr häufig ist das Knie betroffen. Frauen sind aufgrund anatomischer Unterschiede im Kniegelenk etwas anfälliger für diese Verletzung als Männer. Meistens tritt ein Kreuzbandriss jedoch nicht isoliert auf, sondern mit begleitenden Verletzungen des Meniskus, der Seitenbänder oder des Knorpelüberzugs.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Wenn es zu einem Kreuzbandriss kommt, ist eine Operation oft unumgänglich, insbesondere bei Kombinationsverletzungen. Wenn also zusätzlich zum Kreuzband das Innen- oder Aussenband oder der Meniskus gerissen ist, kann man die Stabilität des Knies ohne Operation nicht wiederherstellen. Hinzu kommt: Je jünger und sportlicher die Patienten sind, desto eher wird operiert. Bei der Operation wird das gerissene Kreuzband durch ein körpereigenes Sehnenstück oder durch ein Transplantat ersetzt. Anschliessend ist eine intensive Rehabilitation notwendig, um die volle Beweglichkeit und Kraft des Kniegelenks wiederherzustellen.

Handelt es sich um einen isolierten Kreuzbandriss, probiert man es ohne Operation. Auch bei älteren Menschen oder Patientinnen und Patienten mit einem eher inaktiven Lebensstil kann ein Kreuzbandriss unter Umständen konservativ behandelt werden. Dabei wird das betroffene Kniegelenk durch eine Schiene oder Orthesen stabilisiert und der Patient muss möglicherweise für einige Wochen oder Monate auf Sport oder körperliche Aktivität verzichten.

Mythen zum Thema Kreuzbandriss

Es gibt eine Reihe von Mythen und falschen Vorstellungen zum Thema Kreuzbandriss, die wir hier gerne richtigstellen möchten:

Mythos: Jeder Kreuzbandriss führt zu einer Operation.
Richtigstellung: Nein, es gibt Fälle, in denen eine Operation nicht notwendig ist und der Kreuzbandriss konservativ behandelt werden kann. Im Vordergrund steht, mit der Patientin oder dem Patienten eine individuelle Therapie auszuarbeiten.

Mythos: Frauen sind aufgrund ihrer schwächeren Muskulatur und Instabilität des Kniegelenks anfälliger für Kreuzbandrisse.
Richtigstellung: Frauen haben aufgrund anatomischer Unterschiede tendenziell eine höhere Verletzungsrate als Männer, aber eine schwächere Muskulatur ist nicht der einzige Faktor. Krafttraining und die Verbesserung von Beweglichkeit und Technik können das Risiko eines Kreuzbandrisses bei Frauen reduzieren.

Mythos: Ein Kreuzbandriss ist immer mit einer langen Ausfallzeit im Sport verbunden.
Richtigstellung: Die Ausfallzeit hängt von verschiedenen Faktoren wie der Schwere der Verletzung, der Art der Behandlung und dem individuellen Heilungsverlauf ab. Und sie hängt von der Sportart ab. Fussballerinnen oder Skifahrer müssen ohne Operation sicher 3-6 Monate pausieren. Wird operiert, dauert die Pause mindestens 9-12 Monate. Bei sanfteren Sportarten wie Velofahren oder Walken können Patientinnen und Patienten in der Regel 6 Wochen nach dem Unfall ihrem Hobby wieder nachgehen.

Mythos: Man kann einen Kreuzbandriss durch Dehnen und Aufwärmen vermeiden.
Richtigstellung: Obwohl Aufwärmen und Dehnen wichtig sind, kann damit ein Kreuzbandriss nicht vollständig verhindert werden. Eine Kombination aus Krafttraining, Beweglichkeitstraining und Technikverbesserung kann das Risiko reduzieren.

Mythos: Eine Kreuzbandverletzung führt immer zu chronischen Knieschmerzen und einer eingeschränkten Mobilität.
Richtigstellung: Eine ordnungsgemässe Behandlung und Rehabilitation kann dazu beitragen, Schmerzen und Mobilitätseinschränkungen zu reduzieren oder zu vermeiden. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind jedoch wichtig, um eine vollständige Genesung zu fördern.

Mythos: Wenn man einen Kreuzbandriss nicht operiert, führt das häufiger zu Arthrose im Knie.
Richtigstellung: Das stimmt nicht. Die Entwicklung einer Arthrose hängt mit der Schwere der Verletzung zusammen, insbesondere bei noch nicht sichtbaren Knorpelschäden

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Kreuzbandriss eine ernsthafte Verletzung ist, die oft operativ behandelt werden muss. Eine gezielte Rehabilitation ist entscheidend, um die volle Beweglichkeit und Kraft des Kniegelenks wiederherzustellen. Durch eine Kombination aus Krafttraining, Beweglichkeitstraining und Technikverbesserung kann das Risiko eines Kreuzbandrisses reduziert werden.

Was ist der Unterschied zwischen Kreuzbandriss, Kreuzbandanriss und Überdehnung?

Kreuzbandriss

Ein Kreuzbandriss ist die schwerste Verletzung und bedeutet, dass das Kreuzband vollständig gerissen ist. Diese Verletzung tritt in der Regel bei plötzlichen, kräftigen Bewegungen auf, wie zum Beispiel beim Landen nach einem Sprung oder bei einem Sturz auf das Knie. Ein Kreuzbandriss erfordert normalerweise eine operative Behandlung, um das gerissene Band zu reparieren oder zu ersetzen.

Kreuzbandanriss

Ein Kreuzbandanriss ist eine Verletzung, bei der das Kreuzband teilweise gerissen oder gedehnt ist. Diese Verletzung tritt in der Regel bei weniger intensiven Bewegungen oder bei einer Verletzung mit niedrigerer Intensität auf. Ein Kreuzbandanriss kann operativ oder nicht-operativ behandelt werden, je nach Schwere der Verletzung.

Überdehnung

Eine Kreuzbandüberdehnung ist die leichteste Verletzung und bedeutet, dass das Kreuzband überdehnt wurde, aber nicht angerissen oder gerissen ist. Eine Kreuzbandüberdehnung tritt häufig bei einer plötzlichen, aber nicht sehr intensiven Bewegung auf. Diese Verletzung kann normalerweise ohne Operation behandelt werden und erfordert in der Regel eine konservative Rehabilitation, um die Kraft und Stabilität des Kniegelenks wiederherzustellen.

 

Möchten Sie mehr wissen?
Hier erfahren Sie mehr zum Bewegungsapparat und Sport. Haben Sie eine Frage zu Ihrer Gesundheit? Die Hirslanden Healthline (0848 333 999) ist 24/7 für Sie da und berät Sie gerne. Falls Sie lieber chatten, unterstützen Sie unsere Gesundheitsexperten und –expertinnen auch in der Hirslanden-App.