Eine Arthrose in der Schulter ist relativ selten, doch äusserst schmerzhaft und bewegungshemmend. Lässt sich der Verfallsprozess des Gelenks auf konservativem Weg nicht aufhalten, muss eine Schulterprothese eingesetzt werden. Prof. Dr. med. Carsten Boos ist routiniert in dieser Operation. Patienten wie Christian Kleger überraschen ihn dennoch gelegentlich.

Dass eine Arthrose in der Schulter auftritt, kommt eher selten vor. «Die Schulter ist kein tragendes Gelenk und wird dementsprechend auch nicht so sehr belastet», erklärt Prof. Dr. med. Carsten Boos, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates an den Hirslanden Kliniken Am Rosenberg in Heiden und Stephanshorn in St. Gallen. «Anders sieht es da mit den Knien und der Hüfte aus. In diesen Gelenken kommt Arthrose häufig vor.»

Arthrose, das späte, schmerzhafte Leiden

In den meisten Fällen handelt es sich bei einer Arthrose um eine Alterserscheinung. Autoimmunerkrankungen wie Rheuma, Infektionen und Verletzungen sowie langfristige Überlastungen schwächen über Monate und Jahre das Gelenk. «Es gibt zahlreiche Ursachen für eine Arthrose. Manche sind bislang sogar noch ungeklärt», so der Chirurg. «Am häufigsten aber ist eine Schulterarthrose die Folge von Verletzungen der Sehne oder des Knorpels, von Gelenkbrüchen und -verrenkungen.»

Prof. Boos kennt den typischen Verlauf einer Arthrose in der Schulter nur allzu gut: Die Gleitfläche zwischen Pfanne und Kugel nutzt sich ab. Durch die wachsende mechanische Reizung verändert sich das Gelenk, es treten Entzündungen der inneren Gelenkhaut auf und unter einem Anschwellen der Gelenkhaut schrumpft die Gelenkkapsel. «Das alles wirkt bewegungshemmend und vor allem sehr schmerzhaft», so der Facharzt.

Frühe Diagnose beeinflusst Therapieerfolge

Machen sich in der Schulter erst einmal Beschwerden bemerkbar, sollte die medizinische Abklärung (insbes. mögliche Läsionen der Rotatorenmanschette) nicht auf die lange Bank geschoben werden. «Egal, ob es sich um eine Verletzung der Sehnen oder der Knorpel handelt: Werden die Betroffenen zu spät beim Spezialisten vorstellig, kann eine das Gelenk erhaltende Therapie nicht durchgeführt werden», meint Prof. Boos. «Wer hingegen frühzeitig seine Beschwerden abklären lässt, hat oftmals mehr Behandlungsmöglichkeiten.»

Da sich eine Arthrose meist über lange Jahre ausprägt, gehört sie zu den Altersleiden. Treten die Schmerzen auf, liegt die ursächliche Verletzung oder Überlastung der Schulter oftmals schon viele Jahre zurück. «Zu den Risikogruppen gehören Personen, die körperlich schwer arbeiten, vor allem über die Schulter. Zu denken ist da etwa an Monteure, Handwerker oder Transporteure», zählt Prof. Boos auf. «Häufig betroffen sind aber auch Sportler, die beruflich oder in der Freizeit Wurf-, Kampf- oder Gewichtsportarten ausgeübt haben.»

Erste Schritte zur Wahrung des Status quo

Wenn die ersten Symptome auftreten, gilt es zunächst, den Zerfallsprozess des Gelenks aufzuhalten. Hierzu kann die Gleitfläche durch gezielte Injektionen künstlich gestärkt werden. Mithilfe einer Physiotherapie lässt sich die Beweglichkeit der Schulter trainieren. Auch eine arthroskopische Gelenksäuberung bietet Erleichterung: Während eines kleinen chirurgischen Eingriffs werden dabei Knorpel- und Knochenstücke, die sich im Gelenk abgelagert haben, beseitigt.

«Wenn all das nicht weiterhilft und der Alltag des Patienten eingeschränkt bleibt, ist eine Schulterprothese angeraten», fasst Prof. Boos zusammen.

Schulterprothese zweifach einsetzbar

Die Nachbildung des Gelenks besteht je nach Modell zu verschiedenen Anteilen aus Stahl, Titan, Keramik und dem Kunststoff Polyäthylen. Ist die das Gelenk ummantelnde Rotatorenmanschette (Muskel- und Sehnengruppe in der Schulter) intakt, kann die Prothese entsprechend der Knochenstruktur eingepasst werden. Sind die Sehnen jedoch verletzt oder instabil, wird die Prothese umgekehrt eingesetzt, d. h. die künstliche Kugel wird nicht an den Oberarmknochen platziert, wie dies anatomisch korrekt wäre, sondern an die Schulterpfanne. Die künstliche Pfanne wird dabei auf den Oberarmknochen platziert.

«Bei Herrn Kleger war das nicht notwendig, da die umliegenden Sehnen gesund waren», meint Prof. Boos, der den Polizisten im Dezember 2017 operierte. Den Vorgang umreisst der Facharzt mit wenigen Worten: «Über einen etwa zehn Zentimeter grossen Schnitt wird die Schulter freigelegt, wobei die Muskulatur vorsichtig auseinandergedrängt wird. Der Chirurg öffnet anschliessend die Gelenkkapsel und löst die Rotatorenmanschette ab. Kugel und Pfanne werden entfernt, die Prothese eingesetzt – und die Rotatorenmanschette wieder fixiert. Hinterher sieht alles so aus wie vorher», versichert der Experte.

Physiotherapie unterstützt den OP-Erfolg

Im Anschluss an die Operation bleiben die Patienten im Schnitt etwa fünf Tage in der Klinik, doch schon am Tag nach dem Eingriff setzt die physiotherapeutische Behandlung ein. Dieser misst Prof. Boos eine grosse Bedeutung zu: «Die Beweglichkeit muss von Anfang an trainiert werden, auch wenn das Limit zunächst eng begrenzt ist, da die Rotatorenmanschette erst wieder verheilen muss. Auf das richtige Mass von Übung und Schonung kommt es an, denn nur wenn die Rotatorenmanschette überlebt und nicht verletzt wird, hält auch die Prothese über einen längeren Zeitraum.»

Unter den Patienten, die der Chirurg betreut, sticht Christian Kleger hervor. «Er war ein unglaublich motivierter Patient», erinnert sich Prof. Boos. «Er hat die Physiotherapie konsequent und zum Teil auch in Eigenregie durchgeführt und konnte dank dieses Ehrgeizes schon drei Monate nach der Operation in Teilzeit an seinen Arbeitsplatz zurück.» Und nicht nur das: «Herr Kleger ist sportlich sehr aktiv und kann inzwischen an seine alte Leistungsfähigkeit anknüpfen», weiss der Arzt, der von seinem Patienten zuletzt auch überrascht wurde. «Dass jemand mit einer Schulterprothese wieder durch das Schwimmbecken krault, kommt dann doch nicht so oft vor.»

Weitere Informationen:

In folgenden Blogbeiträgen lesen Sie, wie der Patient Christian Kleger die Behandlung seiner Erkrankung erlebt hat und was die Physiotherapeutin zum Thema Schulterprothese sagt:

Weitere Hintergrund- und fachliche Informationen rund um Schulterverletzungen finden Sie unter: www.hirslanden.ch/schultererkrankungen