Egal, ob frisch zugezogen oder frisch operiert: Eine Rotatorenmanschettenruptur (Riss der Schultersehne) kann schmerzhaft und limitierend sein. Dennoch sollte die Schulter physiotherapeutisch behandelt werden, um Schmerzen einzudämmen, Einschränkungen zu verhindern und eine optimale Funktion wiederherzustellen. Wie das erreicht werden kann, verrät die Physiotherapeutin Carol Meyer.

Die physiotherapeutische Behandlung nach einer Rotatorenmanschettenoperation duldet keinen Aufschub. Nach einer operativen Fixierung der betroffenen Sehne beginnt bereits am Tag darauf die Therapie. «Zunächst geht es darum, dem Patienten Hilfestellungen zu geben», erklärt Carol Meyer, Physiotherapeutin an der Hirslanden Klinik Im Park Zürich. «Oft ist der betroffene Arm in einer Schlinge oder auf einem Kissen gelagert. Der Patient muss wissen, wie er sich bewegen und lagern kann, wie er sich an- und auszieht, ohne den Arm zu belasten.»

Passive Bewegung als erste Massnahme nach einer Operation

Der Physiotherapeutin ist es nicht nur wichtig, dass die operierte Sehnenstruktur in den ersten Tagen nach dem Eingriff möglichst geschont wird. Durch passive Bewegungen der Schulter unterstützt sie den Stoffwechsel in Schulter und Arm und beugt Versteifungen vor. Wie viel Bewegung möglich ist, gibt das individuelle Schmerzempfinden des jeweiligen Patienten vor. «Der Patient muss lernen, den Schmerz zu respektieren», meint Frau Meyer. «Deshalb sollten bestimmte Bewegungen vermieden werden. Auch sollte berücksichtigt werden, dass die verordneten Medikamente zur Schmerzlinderung die natürliche Schmerzgrenze verzerren könnten.»

Noch im Spital und in den ersten Wochen darauf liegt der Fokus der Physiotherapie auf einer passiven Bewegung des Arms durch den Fachmann oder eine Motorschiene. «Würde der Arm aktiv gehoben werden, käme Zug auf die operierte Sehne in der Schulter», erklärt Frau Meyer. ««Das Risiko wäre ein erneuter Abriss der frisch fixierten Sehne.» Parallel dazu gilt es, etwaige Blutergüsse durch Lymphdrainagen zu behandeln. Entlastend wirken auch Schulter- und Nackenmassagen, da die Patienten aufgrund der Schonhaltung und Schmerzen oft verspannt sind.

Bewegungstraining mit viel Geduld

In der zweiten Phase der Physiotherapie wird das aktive Bewegen des betroffenen Arms trainiert. Unter Anleitung übt der Patient, den Arm aus eigener Kraft wieder zu bewegen. «Der Patient soll wieder lernen, seinen Arm effizient im Alltag einzusetzen», so Frau Meyer. «Auch hier geben das Schmerzempfinden und der Fortschritt der Wundheilung den Rhythmus der Therapie vor.»

Zuletzt sollte durch ein gezieltes Krafttraining die volle Schulterfunktion wieder erreicht werden. Doch auch hierbei ist Geduld gefragt: «Die Behandlung einer Rotatorenmanschettenruptur kann bis zu einem Jahr dauern. Erst dann ist der bleibende Zustand verlässlich erreicht», so die Physiotherapeutin.

Ohne OP setzt Physiotherapie früher und intensiver ein.

Wird die Rotatorenmanschettenruptur nicht operativ, sondern ausschliesslich konservativ behandelt, setzt die Physiotherapie unmittelbar nach der Diagnose der Verletzung ein. In dieser Situation muss die kompensatorische Muskulatur gekräftigt werden, um eine möglichst zufriedenstellende Funktion der Schulter wiederherzustellen», meint Frau Meyer. «Auf ein Einheilen der operativen Sehnenrekonstruktion muss keine Rücksicht genommen werden, weshalb hier häufig schon mit umfangreicheren Übungen begonnen werden kann. Trotzdem gibt auch hier die Schmerzwahrnehmung das Tempo und die Intensität der Behandlung vor.»

Erstes Ziel: Leidensdruck mindern

Nicht selten haben Patienten, die sich eine Ruptur der Rotatorenmanschette zugezogen haben, eine längere Leidensgeschichte hinter sich: Zwischen dem Vorfall und der richtigen Diagnose vergehen nicht selten Wochen und sogar Monate, da der Schmerz in der Schulter und die eingeschränkte Beweglichkeit auch andere Ursachen haben können, die durch den Haus- und Facharzt erst ausgeschlossen werden müssen. Gerade weil hierdurch ein grosser Leidensdruck entstehen kann, zielt die physiotherapeutische Behandlung zunächst auf eine Linderung der Schmerzen.

Individuelle Therapie mit individuellen Erfolgen

Die Behandlung folgt dabei keinem festen Schema. «Die Physiotherapie muss extrem mit dem Moment gehen», meint Frau Meyer. «Jede Behandlung verläuft individuell und orientiert sich an der genauen Verletzung, am Alter des Patienten, an seinem Schmerzempfinden und seinen körperlichen Voraussetzungen. Nicht zuletzt gibt auch die Verletzung selbst vor, welche Möglichkeiten der Patient hat, die Übungen umzusetzen.»

Höchst individuell sind auch die Resultate, die mithilfe der Physiotherapie erzielt werden können. «Ein agiler Senior, der sich im Alltag gut bewegt und die Behandlung engagiert mitgestaltet, wird mit Sicherheit ein anderes Ergebnis erreichen als eine Person, deren Bewegungseinschränkungen schon vor der Ruptur bestehend waren», so die Physiotherapeutin.

Bewegung im Alltag unterstützt Therapie

Vorbeugen lässt sich eine Rotatorenmanschettenruptur sicher nicht: Unfälle geschehen eben und, sind die Sehnen altersbedingt verschlissen, braucht es oft nicht einmal einen besonders starken äusseren Einfluss, um eine Ruptur auszulösen. Doch mit der geeigneten Lebensführung lässt sich im Fall des Falles das Maximale aus einer physiotherapeutischen Behandlung herausholen: «Es lohnt sich, auch im Alter ein aktives Leben zu führen und in Bewegung zu bleiben», rät die Expertin.

Weitere Informationen:

In folgenden Blogbeiträgen erfahren Sie, wie die Patientin Julia Billetter (ohne OP) und der Patient Erich Steiner (mit OP) die Behandlung ihrer Verletzung erlebt haben und was der Facharzt zum Thema Rotatorenmanschettenruptur sagt:

Weitere Hintergrund- und fachliche Informationen rund um Schulterverletzungen finden Sie unter: www.hirslanden.ch/schultererkrankungen