Bänderrisse oder Zerrungen am Sprunggelenk gehören zu den häufigsten Sportverletzungen und geschehen meist durch ein Umknicken. Die gute Nachricht: Die meisten davon verheilen nach konservativer Therapie gut ohne Operation. Wie die Behandlung für die wenigen Ausnahmen aussehen kann, zeige ich Ihnen nachfolgend auf.

Bei einem Umknickunfall mit starken Schmerzen, Schwellung und Bluterguss liegt häufig eine starke Zerrung, ein Teilriss oder ein kompletter Riss eines oder mehrerer Bänder am Sprunggelenk vor. Als Sofortmassnahme ist dann das sogenannte PECH-Schema (Pause, Eis, Compression, Hochlagern) anzuwenden. Darauf folgt die Ruhigstellung mit Stabilschiene und später Bandage und Stabilitätstraining. Mehr zu diesem sogenannten konservativen Behandlungsweg erfahren Sie in meinem Blogbeitrag «Bänderriss oder -zerrung am Sprunggelenk? Sofortmassnahmen, Behandlung & Prävention».

Fast alle Bandverletzungen heilen gut ohne Operation

Während man früher bis Ende der Achtzigerjahre fast alle Bandverletzungen sofort operierte, weiss man heute, dass die meisten auch gut konservativ heilen, also ohne Operation, wenn die Therapie korrekt angewendet wird. Nur bei 10 bis 20% der Bandverletzungen am Sprunggelenk ist bei bleibenden Beschwerden nach konservativer Therapie eine Operation nötig, die in der Regel eine Bandrekonstruktion beinhaltet.

Leidet der Patient trotz des durchgeführten konservativen Behandlungsschemas weiterhin an Schmerzen und/oder einer Instabilität, sind zuerst oft weitere Abklärungen nötig, meist mit einem MRI-Untersuch: Was ist an Bändern noch da? Gibt es allenfalls noch Begleitverletzungen, die man im normalen Röntgen nicht sehen konnte, welche zusätzlich therapiert werden müssen?

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Infiltration oder Gelenkspiegelung

Eine sogenannte diagnostische Infiltration des oberen Sprunggelenkes kann bei unklarer Schmerzursache auch weiterhelfen. In der Praxis wird unter sterilen Bedingungen nur ein lokales Betäubungsmittel (wie beim Zahnarzt) ins Gelenk gespritzt. Der Patient muss direkt danach sein betäubtes Gelenk voll belasten. Falls die Schmerzursache im Gelenk liegt, sollte der Patient für eine gewisse Zeit schmerzfrei sein. Falls die Ursache ausserhalb des Gelenkes liegt, ist keine Schmerzänderung zu erwarten.

In manchen Fällen kann eine Infiltration auch als Behandlung sinnvoll sein, um bei einer Entzündung wieder etwas Ruhe einkehren zu lassen. In diesem Fall beinhaltet die Spritze neben dem Betäubungsmittel auch etwas Cortison. Dies soll jedoch nur sehr restriktiv und gezielt eingesetzt werden, weil Cortison auch gewebeschädigend sein kann.

Ist doch ein Eingriff nötig, gibt es verschiedene Operationsmöglichkeiten. Vor der Operation werden immer alle Verfahren mit Vor-, Nachteilen und deren Risiken besprochen. Die Wahl des Operationsverfahrens kann oft erst während der Operation erfolgen, wann die noch vorhandenen Bandstrukturen direkt eingesehen werden können. In manchen Fällen empfehle ich zusätzlich eine Gelenkspiegelung (Arthroskopie), um das Gelenk von innen zu sehen; vor allem, wenn ich unsicher bin, ob etwas im Gelenk beschädigt ist oder stört, das auf dem MRI nicht sichtbar ist. Bei einer solchen Spiegelung kann ich die Bänder und deren Stabilität genauer untersuchen. Es gibt auch Fälle, bei denen eine solche Gelenkspiegel reicht, weil die Bänder allenfalls gar nicht instabil sind, aber es nach der Bänderzerrung eine störende Vernarbung gegeben hat, die gleich während der Spiegelung entfernt werden kann. (Lesen Sie dazu einen Operationsbericht aus der Perspektive einer meiner Patientinnen.)

Verschiedene Möglichkeiten einer Bandrekonstruktion am Sprunggelenk

Bei bleibender Instabilität ist eine Bandrekonstruktion nötig. Früher waren Bandrekonstruktionen am Sprunggelenk oft nicht anatomisch: Sehnen wurden als Bandersatz in einer anderen Weise vernäht, wie die originalen Bänder verliefen. Steifheit, Bewegungseinschränkungen und Schmerzen waren oft die Folge. Das Sprunggelenk ist ein sehr enges und geführtes Gelenk mit komplexen Strukturen für hohe Bewegungsansprüche. Das macht die ganze Geschichte schwieriger als an anderen Gelenken und verzeiht viel weniger. Wenn wir hier die Beweglichkeit stören, indem zum Beispiel ein Band einen falschen Zug hat, gibt das Probleme. Mit den heutigen Techniken sind aber gute Lösungen für anatomische Bandrekonstruktionen möglich.

Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Möglichkeiten an Bandrekonstruktionen:

Das Einfachste ist es, wenn das Band zwar gerissen oder zu locker verheilt ist, das vorhandene Bandmaterial selbst aber noch gut und ausreichend stabil ist. So gut, dass man dieses mit einer Naht wieder zusammennähen oder raffen kann.

Die zweite Variante ist heute häufig: Die Bandreste sind nur noch teilweise brauchbar, zum Beispiel ein guter Stumpf, der aber abgerissen ist, oder Reste mit guten Narben, die aber zu kurz sind. Hier versucht man, dies mit körpereigenem Gewebe am Ort zu kompensieren, indem man aus der Knochenhaut aus der Wadenbeinaussenseite einen oder zwei Streifen gewinnt. Diese werden im Prinzip wie bei einer Bananenschale nach unten geklappt. Man mobilisiert diese Knochenhaut also nach unten und hat so eine Verstärkung oder einen Ersatz für das beschädigte Aussenband. Bis zu einem Alter von ca. 50 Jahren ist diese Knochenhaut genügend stark und kann diese Funktion gut übernehmen. Die fehlende Knochenhaut wird wieder nachgebildet, zwar nicht mehr in derselben Qualität, was aber keine Rolle spielt. Diese Technik hat den grossen Vorteil, dass ein körpereigner Ersatz ohne Opfer einer Sehne genau über dem ehemaligen Bandverlauf (also anatomisch) verwendet werden kann.

Die dritte Variante kommt zum Zug, wenn zu wenig restliches Bandmaterial vorliegt: Hier ersetzt eine Sehne (körpereigene Sehne, Fremdsehne oder ein Kunstband aus Fadenmaterial) das Band. Bei dieser Variante führt man heute nur noch anatomische Sehnenplastiken durch, das heisst, man zieht eine Sehne genau am Ort des verletzten Bandes ein. Heutzutage lassen sich diese Sehnen gut mit Ankern und Schrauben fixieren. Glücklicherweise gibt es Sehnen (die sogenannte Affensehne neben der Achillessehne oder Sehnen am Knie, welche auch als Kreuzbandersatz verwendet werden), welche entnommen werden können, ohne dass es zu grossen Funktionsausfällen kommt.

Bei allen drei Varianten einer Rekonstruktion wird das Sprunggelenk nach der Operation für sechs Wochen mit einem voll belastbaren Kunststoffschuh ruhiggestellt, damit alles gut zusammenwachsen kann. Danach folgt ein langsames Aufbautraining. In den meisten Fällen kann der Patient danach Schritt für Schritt wieder alle vorher getätigten Sportarten wieder aufnehmen.

Ich hoffe aber, dass es bei Ihnen gar nicht soweit kommt, und wünsche Ihnen in diesem Sinne noch einen unfallfreien sportlichen Spätsommer!

 

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