Radfahren, Laufen, Schwimmen – wer einen Ironman durchhalten will, muss topfit sein. Doch die Triathletin, die sich der Sportmedizinerin Dr. Anna Erat in der Klinik Hirslanden in Zürich vorstellte, war alles andere als fit. Zehn Tage lang lag sie völlig geschwächt bei ihr im Spital. Die Untersuchung des Gehirnwassers brachte dann Klarheit: Die Patientin litt unter FSME, einer durch einen Zeckenbiss übertragenen Gehirnentzündung. Drei Monate später hat sie alle überrascht.

«Der Fall war wirklich dramatisch», erinnert sich Anna Erat. «Die Symptome waren sehr unspezifisch, aber mir war sofort klar, dass die Patientin hierbleiben muss». Dabei hatte sich die Sportlerin bereits in anderen Spitälern notfallmässig vorgestellt. Bis sie schliesslich zu Anna Erat ging, die die Patientin als Sportärztin betreut. «Wir mussten eine Diagnose erzwingen», erinnert sich die Medizinerin.

Nur welche? Die Symptome reichten von Übelkeit über Bauchschmerzen bis hin zu erhöhten Leberwerten. Auffällig seien vor allem die allgemeine Schwäche und die Probleme im Bauchbereich gewesen. «Als ich die Patientin dann untersucht habe, klagte sie plötzlich auch über Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit».

Kleiner Biss, grosse Gefahr

Der Internistin kam ein Verdacht. Sie liess das Hirnwasser der Sportlerin untersuchen und war ziemlich überrascht. Denn ihre Vermutung hat sich bestätigt. Die Patientin litt unter FSME, einer durch Zeckenbiss übertragenen Gehirnentzündung, die in Einzelfällen sogar tödlich enden kann.

Dass sie nicht schon vorher diagnostiziert wurde, kann Anna Erat gut verstehen. «Es war schon sehr speziell. Normalerweise leiden diese Patienten unter neurologischen Problemen wie Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen oder Schwindel». Mitunter haben sie auch Gehstörungen oder sind extrem lichtempfindlich. Zumindest als Begleiterscheinungen würden diese Symptome in der Fachliteratur bei FSME beschrieben werden, sagt Anna Erat. Zehn Tage lang habe die Sportlerin im Spital gelegen.

Die Diagnose war auch deshalb schwierig, weil sich die Sportlerin an keinen Zeckenbiss erinnern konnte. Dabei sei ein Zeckenbiss für Sportler nichts Ungewöhnliches. «Spitzensportler sind viel draussen und im Wald unterwegs», sagt die Internistin. Auch eine FSME sei keine absolute Seltenheit mehr, sondern trete aufgrund der Klimaerwärmung immer häufiger auf.

Die Schweiz als Hochrisikogebiet für Zecken

Seit 2001 hat sich die Zahl der FSME-Fälle in der Schweiz laut dem Schweizerischen Bundesamt für Gesundheit vervierfacht. Mittlerweile gilt fast die ganze Schweiz als Hochrisikogebiet. Ausgenommen seien bislang nur der Kanton Genf und das Tessin. Menschen in Risikogebieten sollten sich daher ab dem sechsten Lebensjahr impfen lassen, rät das Bundesamt. Eine ursächliche Behandlung gebe es nicht. Nur die Symptome könnten behandelt werden.

Umso wichtiger ist die Impfung. Auch Anna Erat ist geimpft. «Ich habe mich schon 2010 impfen lassen, als ich von London nach Zürich gezogen bin». Direkt nach einer FSME-Erkrankung sei eine Impfung allerdings nicht empfehlenswert. Mindestens vier Wochen müsse man damit warten, sagt Erat. Sonst könne man nicht unterscheiden, ob die Antikörper von der Impfung oder noch von der Erkrankung stammen. Ausserdem kann der Körper direkt nach einer solchen Erkrankung zu geschwächt sein.

Erfolgreiches Comeback

Auch ihre Patientin brauchte mehrere Wochen, um sich von der Krankheit zu erholen. «Sie war unglaublich geschwächt», sagt Anna Erat. Vier Wochen musste die Athletin mit dem Training pausieren. Die Herzfrequenz sei viel zu hoch gewesen. «Wir haben dann einen Trainingsplan aufgestellt». Vom Erfolg waren sowohl die Medizinerin als auch ihre Patientin überwältigt. Drei Monate später war die Triathletin nicht nur wieder topfit, sondern wurde sogar Vizeweltmeisterin. Ihre FSME-Impfung hat sie mittlerweile nachgeholt.

Weitere Informationen rund um das Thema Zeckenbiss:
• Check-up-Sendung „Gefährlicher Zeckenstich“ mit Dr. med. Anna Erat:
• Blogbeitrag „Die Zecke und FSME“ mit Dr. med. Renate Ehmann
• Webseite Zeckenbiss: Erste Hilfe im Notfall