Die schlechte Nachricht zuerst: Ein Hexenschuss schmerzt unheimlich. Die gute Nachricht: Meist geht der Schmerz von alleine wieder weg und hat keine ernsthafte Ursache.

Manchmal reicht schon eine kleine, unbedachte Bewegung und plötzlich schiesst einem ein stechender Schmerz in den Rücken. Passierte das im Mittelalter, war man sich sicher, dass das nur eines bedeuten kann: Eine Hexe hat einem mit einem Pfeil attackiert: Hexenschuss!

Tatsächlich beschreibt der etwas abenteuerliche Laienbegriff, der sich im Volksmund bis heute gehalten hat, eine heftige Verspannung der Muskeln im unteren Rückenbereich, während die Gelenke zwischen den Wirbelkörpern blockiert werden. Die Bewegung ist deshalb zunächst eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich. Selbst kleinste Verschiebungen quälen die Betroffenen in dieser Situation so sehr, dass sie erst einmal in der Haltung verharren müssen, bis der gröbste Schmerz abgeklungen ist. Häufig sind die Schmerzen so heftig, dass Betroffene glauben, unter einem Bandscheibenvorfall zu leiden. Dieser ist in der Tat aber relativ selten der Auslöser für einen Hexenschuss.

Rund 10 Prozent der Schweizer Bevölkerung erleiden pro Jahr eine akute Schmerzepisode im Rücken. Vier von fünf Schweizerinnen und Schweizern trifft es irgendwann im Verlauf ihres Lebens. «Es handelt sich dabei also um ein sehr verbreitetes und sehr häufiges Problem», weiss Prof. Dr. med. Kan Min, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates und Belegarzt in der Klinik Hirslanden und Hirslanden Klinik im Park in Zürich.

Vielfältige Ursachen für einen Hexenschuss

In welchen Situationen es besonders häufig zu einem Hexenschuss kommt, kann man nicht pauschal sagen, wie Prof. Dr. med. Kan Min erklärt. «Es kann grundsätzlich jederzeit und ohne Vorwarnung passieren. Manchmal sind die Leute davor komplett schmerzfrei.» Frauen und Männer sind in etwa gleich häufig betroffen, wobei es vor allem Menschen im Alter zwischen 35 und 55 sind, die über einen Hexenschuss klagen. Übergewichtige trifft es tendenziell häufiger als Menschen mit Normalgewicht.

Zusätzlich häufen sich die Vorfälle bei Personen, die körperlich schwer arbeiten, Sachen heben, tragen, ziehen oder schieben müssen. «Handwerker und Leute, die körperlich tätig sind, sind deshalb stärker gefährdet, plötzlich einen stechenden Schmerz zu verspüren», so Prof. Dr. med. Kan Min weiter.

Die Ursachen für das akute Lendenwirbelsäulen-Syndrom, so die medizinische Bezeichnung für den umgangssprachlichen Hexenschuss, sind ebenso vielfältig wie die Situationen, in denen es auftritt. Muskel– oder Gelenkkapselzerrungen, Arthrose, Abnutzungserscheinungen, Entzündungen der Muskulatur oder der Gelenke oder Verkrampfungen sind nur einige der zahlreichen Gründe, weshalb einen der sprichwörtliche Pfeil der Hexe treffen kann.

Hexenschuss? So gehen Sie vor!

Die gute Nachricht ist, dass der Schmerz in der Regel von selbst wieder verfliegt. Entsprechend werden 80 bis 90 Prozent aller Hexenschüsse gar nicht erst diagnostiziert, wie Prof. Dr. med. Kan Min erklärt.

Helfen tut in der Regel nur eins: entzündungshemmende Schmerzmittel oder Arzneimittel einnehmen, welche die Muskulatur entkrampfen. Sobald die Bewegung zudem wieder möglich ist, sollten Betroffene in einem kontrollierten Ausmass aktiv werden. «Lange empfahl man Hexenschuss-Patienten Bettruhe. Heute weiss man, dass das sogar kontraproduktiv ist», erklärt der Facharzt. Der Patient soll aktiv in Bewegung bleiben. Denn durch eine übertriebene Schonhaltung kann eine dauerhafte Verspannung der Muskeln stattfinden, die sich dann im schlimmsten Fall zu einem chronischen Leiden entwickelt.

Der Arztbesuch ist in der ersten Phase nur dann erforderlich, wenn die Schmerzen mit herkömmlichen Schmerzmitteln nicht zu ertragen sind. Anders sieht es hingegen aus, wenn die Beschwerden auch nach zwei bis vier Wochen noch nicht abgeklungen beziehungsweise sogar schlimmer geworden sind. Auch wenn der Schmerz in die Beine ausstrahlt, ein Kribbeln, Taubheitsgefühl oder eine Schwäche verursacht, sollte die Betroffene einen ein Arzt konsultieren.

«In diesem Fall ist es wichtig, genau abzuklären, was die Ursache für die Schmerzen ist», so Prof. Dr. med. Kan Min. «Diskushernie, Osteoporose, Wirbelfrakturen, Rheumaepisoden, aber auch Infektionen oder Metastasen können theoretisch hinter einem solchen Akutschmerz stecken», erklärt der Arzt, gibt aber gleichzeitig Entwarnung: «Das ist die Ausnahme.» In den meisten Fällen sei ein Hexenschuss kein Symptom eines kaputten Rückens, sondern das schmerzhafte Resultat einer unvorsichtigen Bewegung.

Vorsicht ist besser als Nachsicht

Wer einen Hexenschuss vermeiden oder ihm nach einer erneuten akuten Schmerzepisode vorbeugen will, für den gilt es, den Rücken zu schulen. Konkret bedeutet das, richtiges Heben, Stehen, Gehen zu lernen (Präventionsmodul von der Suva «Richtig heben und tragen»). Mehrere kurze Spaziergänge täglich, leichtes Fahrradfahren und kontrolliertes Rückentraining können ebenfalls einem erneuten Hexenschuss vorbeugen. Vielfach reiche dies bereits aus, so Prof. Dr. med. Kan Min.

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