Die Schulter ist ein äusserst komplexes Gelenk mit einem sehr grossen Bewegungsumfang. Wie in jedem anderen Gelenk, kann auch in der Schulter eine Arthrose auftreten, auch Omarthrose genannt. Dabei handelt es sich um eine Abnützung des Gelenkes, die auf einem Knorpelschaden beruht. Eine Behandlungsmöglichkeit kann ein künstliches Schultergelenk (Schulterprothese) sein. Doch ist dieses auch für jüngere und/oder sportliche Patienten sinnvoll? Und welche Rolle spielt dabei der Sport? Schützt oder fördert er die Arthrose? Wie viel Sport ist mit einem künstlichen Schultergelenk möglich? Dr. med. David Haeni, Facharzt Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates an der Hirslanden Klinik Birshof in Münchenstein, Basel, gibt uns Antworten.

Herr Dr. Haeni, kommt es häufig vor, dass eine Schulterarthrose schon in jüngerem Alter eintritt?

Dr. med. David Haeni: Eine primäre Schulterarthrose (auch Omarthrose genannt) ist selten, nur etwa 3% aller Arthrose-Patienten sind davon betroffen. Primär bedeutet, dass der Knorpelschaden alleine auf dem altersbedingten Verschleiss beruht und keine anderen erkennbaren Ursachen wie zum Beispiel Verletzungen hat. In der Regel tritt eine Omarthrose im späteren Alter auf.

Was bei jüngeren Patienten häufiger auftritt ist eine unfallbedingte Instabilität, bei der die Schulter immer wieder auskugelt (sogenannte rezidivierende Luxationen). Auch repetitive Mikrotraumata treten bei jungen Patienten häufig auf, also kleinste sich wiederholende Verletzungen, die zum Beispiel durch repetitive belastende Bewegungen auftreten können (1). Verletzungen wie das Auskugeln der Schulter zeigen einen relevanten Zusammenhang mit dem Entstehen von Knorpelschäden, was langfristig zu einer Schulterarthrose führen kann. Einen solchen Zusammenhang zeigt auch eine Studie, an der ich persönlich beteiligt war (2). Auch wiederholte Mikrotraumata an der Schulter können zu Knorpelschäden führen. In einer Studie mit ehemaligen professionellen Tennisspielern hat man in bis zu 33% der Fälle eine beginnende/moderate Schulterarthrose festgestellt (3). Entsteht die Arthrose aufgrund von solchen früheren Verletzungen, sprechen wir von einer sekundären Arthrose.

Fördert viel Sport generell eine Schulterarthrose oder kann er ihr auch entgegenwirken?

Dr. med. David Haeni: Im Sport gilt es, die richtige Balance zu finden. Die Muskulatur der Schulter soll trainiert werden, um das Gelenk zu schützen und beweglich zu halten. Sportarten wie Schwimmen, Nordic Walking sowie Langlauf sind empfehlenswert, solange die Schulterbeweglichkeit nicht relevant eingeschränkt ist.

Wenn bereits eine Arthrose vorliegt, wie viel/welchen Sport soll man betreiben?

Dr. med. David Haeni: Sport besteht aus Ausdauer, Kräftigung und Spass. Liegt eine Arthrose vor, sollen diese drei Elemente ebenfalls kombiniert werden. Manchmal muss man aber auf gewisse Tätigkeiten verzichten. Eine beginnende und moderate Arthrose wird die Beweglichkeit nur wenig einschränken, aber man sollte niemals unter Schmerzen trainieren! Generell lässt sich sagen, dass intensives Betreiben von Sportarten wie Tennis eher weniger geeignet ist als fliessende Bewegungen wie Schwimmen oder Velofahren.

Welche Behandlungsmethoden gibt es bei einer Schulterarthrose?

Dr. med. David Haeni: Die erste und sehr wichtige Option ist immer eine konservative Behandlung. Das heisst Physiotherapie und Schmerzmittel in Form von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR). Im Verlauf kann dem Patienten gegebenenfalls eine Infiltration (Spritze) mit Kortison angeboten werden. Einige Patienten profitieren von einer Infiltration mit Hyaluronsäure, welche den Gelenkverschleiss reduzieren soll. Die Resultate werden aber in der Literatur sehr unterschiedlich beschrieben.

Gibt es auch gelenkerhaltende chirurgische Massnahmen?

Dr. med. David Haeni: Ja, diese werden vor allem in den USA propagiert (4). Arthroskopische Eingriffe können die Funktion der Schulter verbessern, sodass die Implantation einer Schulterprothese verschoben oder vermieden werden kann. Durch eine Arthroskopie an der Schulter können zum Beispiel freie Gelenkskörper entfernt werden. Weitere andere Eingriffe an der Bizepssehne, der Rotatorenmanschette oder der Schulterkapsel können helfen, die Schmerzen zu reduzieren und/oder die Beweglichkeit zu verbessern.

Wann braucht es eine Schulterprothese?

Dr. med. David Haeni: Bei zunehmenden Schmerzen und Bewegungseinschränkung und dem Bestehen einer Arthrose trotz konservativer Therapie sollte die Implantation einer Schulterprothese mit dem Patienten besprochen werden. Wenn gelenkerhaltende Massnahme nicht mehr geeignet sind, kann auch bei jüngeren Patienten eine Schulterprothese eingesetzt werden. Es besteht allerdings ein erhöhtes Risiko einer Lockerung und damit mittelfristig einer Revision.

Eine spezielle Prothesenart ist die sogenannte schaftfreie Schulterprothese. Erklären Sie uns bitte, was es damit auf sich hat.

Dr. med. David Haeni: Eine schaftfreie Prothese, enthält im Gegensatz zur Prothese mit Schaft keine lange Verankerung, die im Oberarmknochen fixiert wird. Sie ist geeignet für jüngere und aktive Patienten, weil man später bei allfälliger Revision noch besser auf eine mit Schaft wechseln könnte. Wenn diese Operation aus anatomischen Gründen möglich ist, ist dies eine sehr gute Option, da sie Knochen am Oberarmkopf spart und schont.

Röntgenbilder Schulterprothesen mit und ohne Schaft

Röntgenbilder Schulterprothese ohne Schaft (links) und zum Vergleich eine mit Schaft (rechts)

Wie lange hält eine Schulterprothese und wie gross ist das Risiko, dass diese ersetzt werden muss?

Dr. med. David Haeni: Revisionseingriffe, also der Ersatz einer Prothese, sind bei jüngeren Patienten häufiger. Mittel- und langfristig liegt das Problem vor allem an der Gelenkpfanne, wo die Komponente locker werden könnte, was durch viel aktive Bewegung begünstigt werden kann. Jüngere Patienten sind deutlich aktiver. Daher sollte zunächst immer ein konservatives Vorgehen (also ohne Operation) versucht werden.

Wie viel/welcher Sport ist mit einer Schulterprothese möglich?

Dr. med. David Haeni: Prinzipiell ist Sport mit einer Schulterprothese möglich, vor allem Freizeitsport. Eine 2018 publizierte Studie konnte zeigen, dass vor allem diejenigen Patienten wieder Sport treiben, welche auch bis 3 Monate vor der Operation sportlich aktiv waren (5). Sportarten wie zum Beispiel Schwimmen, Golf oder Tennis können postoperativ von bis zu 80% der Patienten betrieben werden

Herzlichen Dank für das spannende Interview!

 

Literatur:

  1. Haeni DL, Lafosse T, Haggerty C, Plath J, Kida Y, Sanchez-Brass M, u. a. Tissue on the Transferred Coracoid Graft After Latarjet Procedure: Histological and Morphological Findings. Am J Sports Med. 4. Februar 2019;363546518819825.
  2. Emilio Calvo, Maria Valencia, David Haeni, Schulterinstabilität und Knorpelschäden SECEC (European Society for Shoulder and Elbow Surgery) Genf, September 2018 Verfügbar unter: https://eposters.emma.events/secec2018eposters/
  3. Maquirriain J, Ghisi JP, Amato S. Is tennis a predisposing factor for degenerative shoulder disease? A controlled study in former elite players. Br J Sports Med. Mai 2006;40(5):447–50.
  4. Millett PJ, Horan MP, Pennock AT, Rios D. Comprehensive Arthroscopic Management (CAM) procedure: clinical results of a joint-preserving arthroscopic treatment for young, active patients with advanced shoulder osteoarthritis. Arthrosc J Arthrosc Relat Surg Off Publ Arthrosc Assoc N Am Int Arthrosc Assoc. März 2013;29(3):440–8.
  5. Aim F, Werthel J-D, Deranlot J, Vigan M, Nourissat G. Return to Sport After Shoulder Arthroplasty in Recreational Athletes: A Systematic Review and Meta-analysis. Am J Sports Med. April 2018;46(5):1251–7.