Brustkrebs ist die häufigste Krebsart bei Frauen und trifft sie in ihrem ganzen Sein. Die medizinische Betreuung rund um Brustkrebs ist komplex: Insbesondere die verschiedenen Abklärungen und Behandlungen, die optimal ineinander spielen müssen, aber auch beispielsweise die Brustvorsorge, eine allfällige Rekonstruktion der Brust, die Nachsorge oder die psychoonkologische Betreuung gehören mit dazu. Es sind also verschiedene medizinische Fachbereiche daran beteiligt. In sogenannten Brustzentren arbeiten deshalb verschiedene Fachärzte und andere Fachpersonen eng zusammen und betreuen gemeinsam die betroffenen Patientinnen. Wie eine solche Zusammenarbeit erfolgt und warum diese so wichtig ist, erklärt uns PD Dr. Nik Hauser, Klinischer Direktor des Brust Zentrum der Hirslanden Kliniken Aarau und Cham Zug.
Weshalb braucht es Brustzentren?
PD Dr. Nik Hauser: Weil Brustkrebs eine Krankheit ist, die sowohl die Patientin als auch die behandelnden Ärzte mit einer enormen Komplexität konfrontiert. Es braucht zahlreiche Spezialisten, die zusammenarbeiten. In einem Brustzentrum läuft das ganze Know-how der zahlreichen involvierten Fachpersonen zusammen und die Patientin hat eine zentrale Anlaufstelle.
Welche Fachärzte und andere Fachpersonen arbeiten an einem Brustzentrum wie dem der Hirslanden Kliniken Aarau und Cham Zug?
PD Dr. Nik Hauser: Das Kernteam besteht aus folgenden Mitgliedern: Zuweisender Gynäkologe oder Hausarzt, Radiologe, Pathologe, Operateur mit Spezialisierung auf die Brust, Onkologe, Radioonkologe, Plastischer Chirurg und Breast Care Nurse.
Neben dem Kernteam gibt es zahlreiche weitere Kooperationspartner, die in die Diagnostik oder Behandlung mit einbezogen werden können, zum Beispiel: Nuklearmediziner, Physiotherapeuten, Psychoonkologen etc.
Erklären Sie uns bitte die Aufgaben der verschiedenen involvierten Fachpersonen des Kernteams anhand des Behandlungsweges der Brustkrebspatientin.
PD Dr. Nik Hauser: Der Weg der Brustkrebspatientin beginnt dort, wo zum ersten Mal der Verdacht auf Brustkrebs auftaucht. Das ist in der Regel der persönliche Gynäkologe oder Hausarzt der Patientin, zu dem sie zur Vorsorgeuntersuchung geht oder bei dem sie sich aufgrund einer Veränderung an ihrer Brust vorstellt.
Es folgt der diagnostische Teil in einer Radiologie, die auf Brustdiagnostik spezialisiert ist und verschiedene Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammographie, MRI usw. bietet . Zur eindeutigen Diagnose müssen in der Regel Gewebeproben entnommen und analysiert werden. Hier kommt der auf Brustdiagnostik spezialisierte Pathologe zum Zug, der die Gewebeprobe analysiert.
Die Behandlung hat mehrere Standbeine (lesen Sie dazu auch unseren Blogbeitrag «Diagnose Brustkrebs – welche Behandlungen und Therapien kommen auf mich zu?»): Die zwei lokal wirkenden Behandlungen sind Operation und Strahlentherapie; auf den ganzen Körper wirken Chemotherapie und Antihormontherapie. Je nachdem brauchen wir alle vier Möglichkeiten, manchmal nur zwei oder drei. Das ist immer sehr individuell, je nach Patientin und Art des Brustkrebses. Es braucht also einen operierenden Arzt im Kernteam. In der Regel ist dies ein Gynäkologe, der auf Brustoperationen spezialisiert ist. Der Strahlentherapeut oder Radioonkologe ist auf die Bestrahlung der Brust spezialisiert. Dieser Teil der Behandlung ist sehr wichtig, da wir die meisten Frauen, die wir heute brusterhaltend operieren können, danach bestrahlen müssen. Die brusterhaltende Operation ist nur dann gleich erfolgreich wie die komplette Entfernung der Brust, wenn die Brust auch bestrahlt wird. Weiter braucht es den Onkologen, der die verschiedenen Möglichkeiten der Chemotherapien, Antikörpertherapien und Antihormontherapien auf die Patientin massschneidert.
Der Plastische Chirurg gehört zum Team, weil wir nicht nur onkologisch sicher sein möchten, sondern auch ästhetisch ein möglichst optimales Ergebnis anstreben. Wenn also die Brust entfernt werden muss, wird der Plastische Chirurg auch von Anfang an in die Therapieplanung miteinbezogen, damit die Patientin die verschiedenen Möglichkeiten einer Rekonstruktion kennt (vgl. dazu unseren Blogbeitrag «Brustkrebs aus der Sicht eines plastischen Chirurgen»).
Ebenfalls zum Team gehört die Breast Care Nurse, eine speziell ausgebildete Pflegefachkraft, die die Patientin während des ganzen Ablaufs der Behandlung begleitet und berät.
Man sieht, alleine das Kernteam beinhaltet schon zahlreiche Fachleute, was eine gemeinsame Kommunikation und Planung unabdingbar macht.
In welchen Fällen stossen weitere Kooperationspartner dazu?
PD Dr. Nik Hauser: Das ist sehr unterschiedlich: Den Nuklearmediziner brauchen wir zum Beispiel, wenn ein Tumor oder Lymphknoten markiert oder ein Knochen untersucht werden muss. Eine Physiotherapie kommt dann zum Zug, wenn die Patientin auch am Arm operiert werden muss aufgrund der Lymphknoten in der Achselhöhle, damit die Armbeweglichkeit möglichst schnell wieder vorhanden ist und die Narbenbildung gut verläuft. Weiter ist eine psychoonkologische Betreuung für viele Patientinnen sehr hilfreich. Selbsthilfegruppen oder Seelsorge sind weitere Optionen. Alles Leistungen, die nicht für jede Patientin nötig sind, aber angeboten werden sollen.
Zudem sind wir offen, wenn eine Patientin zusätzlich komplementärmedizinische Behandlungen miteinbringen will. Diese haben ihre Berechtigung und gehören ebenfalls ins Gesamtkonzept, weil sie auch zum allgemeinen Wohlbefinden der Patientin beitragen können. Beispiele sind hier Ernährungsberatung, Bewegungstherapie oder eine Misteltherapie.
Also alles in allem ein sehr grosses Spektrum an Fachleuten, die zusammenarbeiten müssen …
PD Dr. Nik Hauser: Genau. Und dieses ganze Know-how führen wir im Brust Zentrum zusammen. Die Patientin steht im Zentrum und wir organisieren um sie herum. Das ist die Aufgabe des Brust Zentrums. So eine Situation ist für eine Patientin immer unerwartet, es kommt viel auf sie zu und es verändert sich ganz viel. Da möchten wir einfach eine optimale Hilfe anbieten und Ansprechpartner für die Patientin sein.
Wie arbeiten die verschiedenen Fachbereiche nun konkret zusammen?
PD Dr. Nik Hauser: In sogenannten interdisziplinären Konferenzen: Bevor überhaupt eine erste Behandlung gemacht wird, wird jede Patientin in der sogenannten Brustkonferenz vorgestellt. Dort wird die Therapieplanung erstellt, also eine Strategie, wie wir diesen Brustkrebs behandeln werden. Manchmal gibt es auch zwei bis drei Varianten, die man mit der Patientin besprechen kann. Nach dem ersten Therapieschritt (meist Operation, manchmal auch Chemotherapie) wird die Patientin wieder vorgestellt, dies am sogenannten Tumorboard. Aufgrund der Ergebnisse wird der nächste Therapieschritt besprochen. Jede Patientin wird also mindestens zweimal an einer interdisziplinären Konferenz vorgestellt. Und zusätzlich jedes Mal, wenn es neue Erkenntnisse und deshalb allenfalls eine Therapieänderung gibt. Diese Konferenzen finden immer mit dem ganzen Kernteam statt, ebenso können die ursprünglich behandelnden Ärzte mit dabei sein.
Wir arbeiten an zwei Standorten: in Aarau und in Cham Zug. Die Kernteammitglieder haben wir je an beiden Orten vor Ort. Der interdisziplinäre Austausch findet aber gemeinsam statt, die Konferenzen werden also gemeinsam via Videokonferenz durchgeführt, um so mehr Know-how in die Planung einfliessen zu lassen. So ist jeder Experte mindestens doppelt vertreten.
Die Kernteams sind jeweils unter einem Dach. Mit externen Partnern des Brust Zentrums haben wir Kooperationsvereinbarungen. Sie sind eng miteingebunden, können bei Bedarf hinzukommen und auch in der Klinik mitarbeiten. So befindet sich die Psychoonkologie zum Beispiel im Nachbarhaus. Die Physiotherapeuten arbeiten beim stationären Aufenthalt in der Klinik, ein weiterer Teil der Therapie erfolgt dann ambulant.
Wie kommt eine Patientin ins Brust Zentrum?
PD Dr. Nik Hauser: Als zentrale Anlaufstelle bieten wir im Brust Zentrum die sogenannte Brustsprechstunde an. Jeder Arzt kann die Patientin hierhin überweisen. Je nachdem hat dieser schon sehr vieles abgeklärt und wir organisieren noch das, was fehlt, und holen alle Kooperationspartner mit ins Boot, sodass die interdisziplinäre Behandlung stattfinden kann. Ist der überweisende Arzt selbst kein Brustspezialist, kümmern wir uns um alles.
Die Patientin kann also in jedem Stadium der Vorabklärung zu uns kommen. Wenn ihr Gynäkologe selber Brustbehandlungen macht, wird er voll miteingebunden und behandelt die Patientin mit. Wichtig ist, dass wir alle Serviceleistungen bieten und organisieren und sich die Patientin nicht selber drum kümmern muss.
Wie viel bekommt die Patientin von der interdisziplinären Zusammenarbeit mit? Wie viele Ansprechpersonen hat sie?
PD Dr. Nik Hauser: Die Hauptansprechperson der Patientin ist ihr Gynäkologe, der sie ans Brust Zentrum überwiesen hat. Wenn eine Patienten von jemandem überwiesen wurde, der nicht am Brust Zentrum mitarbeitet, dann übernimmt das die Brustsprechstunde für die Zeit, in der sie in Behandlung bei uns ist.
Natürlich wird sie auch von den einzelnen behandelnden Fachpersonen informiert. Aber über das Gesamtkonzept der Behandlung hat sie einen Ansprechpartner und das ist ihr behandelnder Arzt oder eben die Betreuung im Rahmen der Brustsprechstunde. Ziel ist, dass die Patientin immer schnell über alle Schritte informiert ist und für alle auftauchenden Fragen eine zentrale Anlaufstelle hat.
Besten Dank für das spannende Interview.
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