Die Schulter ist sowohl im Alltag als auch bei sportlichen Betätigungen stark beansprucht. Bei Stürzen auf die Schulter oder den Arm besteht ein hohes Verletzungsrisiko. Dabei ist die Verrenkung des Schultergelenkes eine der häufigsten Verrenkungen der grossen Gelenke. Es ist wichtig, die Schulter möglichst schnell und fachgerecht einzurenken und anschliessend nach Begleitverletzungen zu suchen.

Der Schultergürtel ist nur über das Schlüsselbein knöchern mit dem Körper verbunden. Er besteht aus dem Schulterblatt, das mit dem Schlüsselbein und dem Oberarm gelenkig verbunden ist, und der dazu gehörigen Muskulatur. Dabei wird das Schulterblatt in einer Gleitschicht auf der Rückseite des Brustkorbes bewegt. Dies ermöglicht eine exzellente Beweglichkeit der oberen Extremität.

Nur das intakte Zusammenspiel zwischen dem eigentlichen Schultergelenk, dem Schultereckgelenk und der Beweglichkeit des Schulterblattes mit der Schultermuskulatur ermöglicht die extreme Beweglichkeit. Die Beschaffenheit unserer Schultermuskulatur ist prägend für die äussere Gestalt eines Menschen. Unser Schultergelenk überträgt normalerweise keine Gewichtskraft und verfügt über eine Weichteilführung. Diese besteht aus dem Zusammenspiel von Muskeln, Sehnen und Bändern der Schulter. Da der Oberarmkopf die Pfanne um zwei Drittel überragt, entsteht so eine extrem gute Beweglichkeit bei absoluter Stabilität.

Schulterluxation durch einen Sturz

Bei einem Sturz auf die Schulter kommt es meist zu einer Verrenkung nach vorne unten. Diese hat einen sofortigen Funktionsausfall, eine federnde Fixierung des Gelenkes (Zwangshaltung) und starke Schmerzen zur Folge. Wegen dieser Symptome ist eine solche Verletzung, mit Ausnahme von seltenen Sonderformen oder einer habituellen Luxation (Verrenkung ohne Unfall), kaum zu übersehen.

Die unfallbedingte Luxation entsteht durch eine hebelnde Krafteinwirkung auf den gestreckten Arm wie z.B. beim Handballspieler mit ausgestrecktem Wurfarm oder beim Abfangen eines Sturzes. In ca. 90 % der Fälle tritt eine vordere Luxation auf. Durch die Krafteinwirkung des Unfalls wird der Oberarmkopf nach vorn unten aus der Pfanne herausgehebelt und verhakt sich oft unterhalb der Gelenkpfanne. Dies kann einerseits zu Verletzungen der Gelenkkapsel mit Abrissverletzungen führen oder zu Brüchen der Gelenkpfanne (Bankart-Läsion) oder des Oberarmkopfes und einer Impression des oberen, hinteren Oberarmkopfes (Hill-Sachs-Läsion). Oft treten Begleitverletzungen der Gefässe oder der Nerven auf.

Fachärztliche Einrenkung in der Klinik

Es ist wichtig, die Schulter möglichst schnell und fachgerecht einzurenken (Reposition). Insbesondere bei Durchblutungsstörungen oder Störungen des Nervenfeingefühls (Kribbeln oder Taubheit im Arm) ist eine notfallmässige Versorgung angebracht. Repositionsversuche am Unfallort sollten unterbleiben. Da diese Verletzung oft in Allgemeinanästhesie versorgt werden muss, sollten dem Verletzten keine Nahrungsmittel oder Getränke angeboten werden.

Die fachärztliche Erstbehandlung in der Klinik besteht nach einer Röntgenaufnahme zum Ausschluss von Frakturen in der geschlossenen Reposition des Schultergelenkes, das heisst, das Schultergelenk wird ohne Operation wieder eingerenkt. Die bekannteste Technik ist die nach Hippokrates. Dabei wird am ausgestreckten Arm gezogen, während die Ferse des Arztes als Widerlager (Hypomochlion) in der Achsel dient. Andere Repositionsmanöver, z.B. nach Kocher, Arlt oder Matsen, kommen bei Bedarf zur Anwendung. Alle Techniken benutzen den Arm als Hebel, um den ausgerenkten Oberarmkopf wieder in normale Stellung zur Schulterpfanne zu bringen. Besteht eine Kombination aus Verrenkung und Knochenbruch (Luxationsfraktur) oder ist eine geschlossene Reposition nicht möglich, muss die Gelenkverletzung offen im OP versorgt werden. Die Diagnostik von Begleitverletzungen der Gefässe oder Nerven schliessen sich der erfolgreichen Einrenkung des Schultergelenks an. Nach der Reposition bilden sich bestehende Störungen des Nervenfeingefühls meist spontan wieder zurück.

Behandlung von Begleitverletzungen

Im weiteren Verlauf ist die bildgebende Diagnostik mit einer Kernspintomographie  zwingend erforderlich. Sie dient zum Nachweis von Kapsel-Bandverletzungen, welche für den weiteren Verlauf und die Schulterfunktion sehr wichtig sind. Bei Abrissen der Gelenkkapsel von der Gelenkspfanne (Bankart-Läsion) oder anderen Begleitverletzungen an der Rotatorenmanschette ist deren operative Versorgung wichtig zur Verhinderung einer chronischen Schulterinstabilität. Die alleinige Ruhigstellung über Wochen führt nicht zum Erfolg, sondern schädigt die Schulter.

In der Regel kommen sehr effektive arthroskopische Verfahren zur Anwendung, welche zu einem stabilen, voll funktionsfähigen Schultergelenk führen. Seltener kommen offene Operationsverfahren zur Anwendung. Werden die Suche und Behandlung von Begleitverletzungen unterlassen, resultiert daraus sehr häufig ein instabiles Schultergelenk, welches ohne wesentlichen Kraftaufwand wieder verrenken kann (habituelle Luxation). Die Behandlung der habituellen Luxation ist wesentlich aufwendiger und weniger erfolgreich als die akute Versorgung von Begleitverletzungen.

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