Sport und Arthrose können in direktem Zusammenhang stehen, sowohl positiv als auch negativ. Wie viel und welche Bewegung wirkt vorbeugend gegen die Arthrose? Und welcher Sport fördert eher den Knorpelverschleiss? Der Orthopäde Dr. med. Kai-Uwe Lorenz erklärt uns die Zusammenhänge von Sport und Arthrose und welche Sportarten bei Arthrose sinnvoll sind.

Beugt Sport Arthrose vor oder ist er eher ein Risikofaktor?

Dr. med. Kai-Uwe Lorenz: Pauschal lässt sich dies nicht sagen. Grundsätzlich heisst es ja «Mens sana in corpore sano – in einem gesunden Körper ist ein gesunder Geist». Eine regelmässige körperliche Betätigung, wie eben Sport, leistet also einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit.

Nun muss man diese körperliche Betätigung aber etwas differenzierter betrachten. Für den einen ist Minigolf der passende Sport und wird mit grosser Ambition betrieben. Der nächste begeistert sich für Fussball oder Motocross. Beide betreiben ihren Sport gegebenenfalls sehr intensiv, der Einfluss auf die Gesundheit und die Gefahr, eine Arthrose zu bekommen, sind aber sehr ungleich.

Also ist es entscheidend, welche Sportart man betreibt?

Dr. med. Kai-Uwe Lorenz: Genau. Zum einen geht es um die körperliche Fitness und Ausdauer, die für den Sport erforderlich ist und die man dabei trainiert. Zum anderen spielt es aber auch eine Rolle, wie stark die Gelenke belastet werden und wie gross die Verletzungsgefahr ist. Das ist je nach Sportart unterschiedlich. Jede Bewegung hat Einfluss auf die Gelenkknorpel und somit auch auf eine mögliche Arthrose.

Erklären Sie uns bitte mehr über den Zusammenhang zwischen Bewegung und Gelenkknorpel.

Dr. med. Kai-Uwe Lorenz: Die Gelenkflächen, die während der Bewegung gegeneinander gleiten, sind mit Gelenkknorpel überzogen, damit dieser Vorgang mit so wenig Reibung wie möglich ablaufen kann. Der Knorpel besteht aus einem Kollagenfasernetz, das mit Knorpelzellen und viel Flüssigkeit gefüllt ist, also sozusagen ein «organisches Wasserkissen». Die Flüssigkeit wird bei Druckbelastung aus dem Knorpel heraus gedrückt und strömt bei Entlastung wieder ein. Durch diesen Mechanismus werden alle Druckbelastungen und Stösse auf das Gelenk sehr effektiv «abgepuffert». Gleichzeitig erfolgt dadurch auch die Ernährung des Knorpels, denn die ein- und ausströmende Flüssigkeit enthält wichtige Nährstoffe. Hier haben die körperliche Betätigung und der Sport ihre positive Wirkung, denn regelmässige Bewegung fördert die Ernährung und damit die Erhaltung des Knorpels und so die Belastbarkeit der Gelenke.

Dieser Knorpel kann aber auch abgenutzt werden, was bei einer Arthrose geschieht. Dabei wird das Kollagenfasernetz an der extrem glatten Oberfläche aufgerieben, wie das Profil eines Autoreifens. Der Knorpelabbau geht meist sehr langsam voran; er ist nicht aufzuhalten oder zurückzudrehen. Arthrose ist also nicht heilbar. Zusätzlich gibt es Risikofaktoren, die die Entstehung und das Voranschreiten einer Arthrose begünstigen können: Dazu gehören Übergewicht, ein Meniskusschaden oder eine Fehlstellung der Beine (X- oder O-Beine). Ein chronische Überbelastung oder Unfälle können den Knorpel ebenso schädigen. Sport kann also auch negative Folgen haben und eine Arthrose fördern, wie eben durch zu viel des Guten oder Sportverletzungen.

Welche Sportarten sind Arthrose vorbeugend, welche verursachend?

Dr. med. Kai-Uwe Lorenz: Aufgrund des Zusammenspiels von Bewegung auf den Knorpel lässt sich Folgendes schliessen: Ideal ist ein Sport, der ohne grosse Belastung erfolgt und wenig Gefahren für Verletzungen birgt. Folglich sind alle Sportarten, die eine harmonisch ablaufende Bewegung beinhalten und mit reduziertem Körpergewicht ablaufen, gut für den Erhalt der Gelenke. Das heisst zum Beispiel Velofahren oder Schwimmen. Auf die Gelenke wirkt dabei nur ein Bruchteil des Körpergewichtes und trotzdem können die Muskeln sehr gut aktiviert und dadurch aufgebaut oder zumindest erhalten werden. Besonders hervorheben möchte ich das Aquafit, das quasi die «Schwerelosigkeit» im Wasser nutzt und gezielt Muskulatur und Koordination trainiert. Auch Joggen in adäquater Form und vernünftigem Mass kann positiv für die Gelenke sein, das heisst mit guten Laufschuhen, nicht auf Asphalt, sondern weichem Boden und nicht allzu lange Strecken (zum Beispiel jeweils eine halbe Stunde).

Im Gegensatz dazu gibt es ungünstige Sportarten, die ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Arthrose beinhalten. Fussball und Handball haben zum Beispiel ein erhöhtes Risiko aufgrund der Dynamik des Sportes und der daraus folgenden Belastungen für die Gelenke der unteren Extremitäten. Hinzu kommt der Gegnerkontakt im Spiel der zu einer erhöhten Verletzungsgefahr beiträgt. Besonders betroffen ist hier neben Sprung- und Schultergelenk auch das Knie.

Daneben gibt es sehr viele Sportarten, die man unbeschwert in einem vernünftigen Mass bis ins hohe Alter ausüben kann, ohne die Entwicklung einer Arthrose zu riskieren. Hier sehe ich Sportarten wie Tennis, Golfen, Reiten, Wandern, Alpin-Skifahren oder auch Skilanglauf.

Wie viel und welcher Sport ist zu empfehlen, wenn man bereits eine Arthrose hat?

Dr. med. Kai-Uwe Lorenz: Bewegung ist grundsätzlich positiv für den Bewegungsapparat, also die Muskulatur und die Gelenke. Sie wurden ja extra dafür erschaffen. Daraus leitet sich der Spruch ab «Wer rastet, der rostet». Dies ist nur allzu wahr und trifft auch für den Patienten mit Arthrose zu. Gerade für diese Patienten ist die Bewegung und auch leichtes Krafttraining hilfreich. Durch die Bewegung wird der noch bestehende Knorpel so gut wie möglich ernährt, der Bewegungsumfang der Gelenke bleibt erhalten, insbesondere in Verbindung mit regelmässigen Dehnungs- und Turnübungen, und die Muskulatur wird soweit möglich erhalten. All dies trägt zu einem gesunden Leben in höherem Alter bei, auch bei vorliegender Arthrose.

Auch bei einer bestehenden Arthrose gilt: Die Bewegung sollte nicht mit Impulsbelastungen verbunden sein, sondern einen harmonischen rhythmischen Bewegungsablauf haben. Velofahren und Bewegen im Wasser sind hier nochmals erwähnt. Aber auch ein täglicher 30-minütiger Spaziergang erfüllt den Zweck. Dabei spielt es keine Rolle, an welchem Gelenk die Arthrose ausgeprägt ist. Sind die unteren Extremitäten betroffen, empfiehlt sich die Benutzung von Wanderstöcken. Diese können die Belastung für die Kniegelenke um 10 bis 15% reduzieren und für mehr Gangsicherheit sorgen.

Wenn bei bestehender Arthrose Bewegung gesund ist, wie weit soll man dabei an die Schmerzgrenze gehen bzw. mit Schmerzmitteln entgegen wirken?

Dr. med. Kai-Uwe Lorenz: Wichtig ist, dass man bei bestehender Arthrose den Belastungsbereich auslotet, in dem das betroffene Gelenk noch ohne Probleme funktioniert. Man merkt schnell, wie lange oder wie weit man zum Beispiel gehen kann, bis die Grenze der möglichen Belastung erreicht wird. Dann ist zu empfehlen, dass man sich in diesem Bereich bewegt und lieber einmal häufiger kurze Etappen geht, als einmal am Stück zu lange.

Grundsätzlich kann jede Aktivität eine Reizung in einem Gelenk mit Schmerzen und Schwellung verursachen. In solch einem Fall kann/sollte man entzündungshemmende Massnahmen ergreifen. Einfache Hausmittel wie ein Cold-Pack oder auch Wickel können helfen. Die nächste Stufe ist der Einsatz von entzündungshemmenden Medikamenten, primär lokal mit Salben oder Pflastern oder gegebenenfalls auch mit Tabletten oder Kapseln. Eine moderate Mobilisierung des betroffenen Gelenkes, zum Beispiel auf einem Home-Trainer, kann hier auch helfen, den Erguss und den Reizzustand abzubauen. Bei einer massiven Entzündung mit Gelenkerguss sollte man einen Arzt aufsuchen. Ebenso, wenn regelmässig zu Schmerzmitteln gegriffen werden muss.

Haben Sie sonst noch Tipps für Arthrose-Patienten, wenn es um Bewegung und Sport geht?

Dr. med. Kai-Uwe Lorenz: Arthrose führt meist zu einem Abbau der Muskulatur und zu einer Reduktion der Koordination und damit auch der Gangsicherheit. Es kommt, ohne dass die Patienten es unbedingt merken, zu einer erhöhten Sturzgefahr. Auch hierbei können eine regelmässige sportliche Aktivität oder ein Training helfen, die Gangsicherheit zu verbessern. Das kann man entweder allein in Eigenregie machen oder man lässt sich im Rahmen eines Kurses (zum Beispiel bei der Rheumaliga oder Pro Senectute), im Turnverein oder durch einen Physiotherapeuten instruieren. Durchführen muss man die Übungen in aller Regel selbständig und regelmässig, damit man einen spürbaren Effekt erzielt.

Schlussendlich liegt es in der Hand jedes Einzelnen, sich im höheren Alter auch mit Arthrose fit und mobil zu halten. Ich wünsche dabei viel Spass und viel Erfolg.

 

Besten Dank für das spannende Interview.