Ein verdickter Herzmuskel kann verschiedene Ursachen haben. Am häufigsten führt Bluthochdruck zu einer Verdickung des Herzmuskels. Ist der Muskel genetisch bedingt verdickt, kann dies in einigen Fällen grosse Probleme bereiten. Eine genetische Untersuchung kann wichtige Zusatzinformationen für die frühzeitige Therapie liefern – für sich selbst und die engsten Familienmitglieder, sagt der Kardiologe Dr. Peter Burger.

Herzkrankheiten verbindet man oft mit steigendem Alter oder ungesundem Lebensstil. Sie haben aber auch immer wieder junge Patienten und Patientinnen…

Genau. Das mit Abstand häufigste Herzproblem ist die koronare Herzkrankheit, also die Erkrankung der Herzgefässe. Diese können sich aufgrund der häufig über Jahre bestehenden Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht, Zuckerkrankheit, Blutfette oder Rauchen mit zunehmendem Alter verengen und zum Herzinfarkt führen.

Die Herzmuskelverdickung ist jedoch ein Problem, das sich bereits in der Pubertät bemerkbar machen kann, wobei die Symptome, die die betroffenen Patienten verspüren, sehr unterschiedlich sind. Auch der Krankheitsverlauf der sogenannten Herzmuskelhypertrophie (Hypertrophe Kardiomyopathie – HCM bzw. hypertroph obstruktive Kardiomyopathie – HOCM) ist jeweils sehr individuell. Bei den meisten Patienten ist der Verlauf gutartig. Es kann aber auch ganz anders laufen.

Können Sie das näher beschreiben?

Gerne. Der Fall einer meiner Patienten ist deshalb schon ungewöhnlich, weil der 49-Jährige ursprünglich wegen eines Hexenschusses ins Spital kam und der verdickte Herzmuskel zufällig bei der Untersuchung festgestellt wurde. Bei der genaueren körperlichen Routineuntersuchung hatte der Mann ein Herzgeräusch und ein auffälliges Ruhe EKG. Die Ultraschall Untersuchung des Herzens zeigte eine starke Verdickung des Herzmuskels, was unter anderem zu einer Fehlfunktion der Herzklappen führte und den Blutstrom aus dem Herzen behinderte. Die Diagnose einer Herzmuskelverdickung (HOCM) wurde schliesslich noch durch eine Magnetresonanztomographie (MRT) definitiv bestätigt.

Der Patient hat ja anscheinend bereits länger mit dem verdickten Herzmuskel gelebt. Wie ging es dem Patienten anschliessend an die Diagnose?

Weiterhin eigentlich ganz gut. Die nächsten fünf Jahre war der Zustand relativ stabil. Danach klagte der Patient jedoch bei Anstrengung zunehmend über Atemnot und schliesslich auch über belastungsabhängige Brustschmerzen, die trotz Medikamenten nicht besser wurden. Im Ultraschall zeigte sich, dass sich der Herzmuskel weiter verdickt hatte. Das Blut zwischen der linken Herzkammer und der Hauptschlagader (Aorta) konnte nicht mehr richtig fliessen. Ausserdem gab es ein zunehmender Rückfluss zwischen der linken Hauptkammer und der linken Vorkammer über die Herzklappe. Schliesslich mussten wir einige Schichten des Herzmuskels chirurgisch abtragen und eine Herzklappe einsetzen. Seitdem geht es dem Patienten aber gut. Die Atemnot und die Brustschmerzen sind verschwunden.

Weshalb haben Sie dem Patenten und seinen Geschwistern dann trotzdem noch zu einer genetischen Abklärung geraten? Die drei Brüder und zwei Schwestern hatten ja gar keine bekannten Herzprobleme.

Es ist auffällig, wenn ein noch junger Patient an einem verdickten Herzmuskel leidet. Das lässt mich immer aufhorchen. Ich vermute dann gleich eine genetische Variante als Ursache. Wenn man das krankmachende Gen des Patienten kennt, kann man bei seinen nächsten Verwandten (Geschwister, Kinder, allenfalls auch Eltern, Onkeln und Tanten) mit relativ einfachen Blutanalysen genau nach diesem Gen suchen. Wird das entsprechende Gen gefunden, sind engmaschige Kontrollen und allenfalls eben eine Behandlung angezeigt. Denn auch wenn Patienten häufig längere Zeit nichts von ihrer Erkrankung spüren, würden sie von einer frühzeitigen Therapie profitieren.

Was ist bei der genetischen Analyse herausgenkommen?

Bereits die obligatorische, genetische Beratung vor einer Analyse hat auf eine genetische Veranlagung hingedeutet: Der Vater des Patienten starb mit 74 – vermutlich an einer Herzschwäche. Bei einem der Söhne des Patienten ist der Herzmuskel im Alter von 19 Jahren ebenfalls schon stark verdickt. Beim anderen Sohn wurde mit 24 eine leichte Verdickung des Herzmuskels festgestellt. Nach Einholung der Kostengutsprache wurde bei meinem Patienten ein Gentest gemacht. Dabei wurden 78 mit dem Herzmuskel in Verbindung stehende Gene analysiert. Wir haben eine Variante im MYH7-Gen festgestellt, die dann auch bei einem seiner Söhne gefunden wurde.

Was hat es mit dieser Genvariante auf sich?

Veränderungen (Mutationen) im MYH7-Gen sind neben Veränderungen im MYBPC3-Gen für etwa 40 Prozent der erblich bedingten Herzmuskelverdickungen verantwortlich. Es wurden bereits mehrere hundert Varianten identifiziert, die zu diesen Veränderungen führen können.

Was bedeutet die Genanalyse für die Therapie?

Da der Verlauf der erblich bedingten Herzmuskelvergrösserung sehr individuell ist, erlaubt das Ergebnis keine bessere Behandlung an sich. Der grösste Vorteil besteht meiner Ansicht nach darin, dass alle Angehörigen mit erhöhtem Risiko für einen vergrösserten Herzmuskel auf Wunsch die Möglichkeit eines genetischen Tests haben (Kaskadenscreening): Personen, die keine auffällige genetische Variante in sich tragen, können so von regelmässigen kardiologischen Kontrolluntersuchungen befreit werden, während Träger von Varianten ihr Herz regelmässig per Ultraschall und EKG untersuchen lassen sollten, um auf Veränderungen schnell reagieren zu können. Insbesondere sollte man bei einer genetisch bedingten Herzmuskelverdickung auf wettkampfsportliche Aktivitäten verzichten. Hinzu kommt, dass mit Mavacamten möglicherweise demnächst ein Medikament zur Verfügung stehen wird, mit dem auch der Krankheitsverlauf günstig beeinflusst werden kann.

 

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