Der Infektiologe Dr. med. Matthias von Kietzell erläutert im Interview, weshalb sich Ungeimpfte jetzt dringend gegen Covid-19 impfen sollten.

Herr von Kietzell, über den Sommer lief in der Schweiz eine breit angelegte Impfkampagne. Was hat sich seither verändert?

Vor der Impfkampagne war in den Schweizer Spitälern der typische Corona-Patient 70 Jahre und älter. Heute sind die Patienten jünger, da die älteren Bevölkerungsgruppen eine hohe Impfquote aufweisen – was auch zeigt, dass die Impfung wirkt. Diejenigen, die jetzt wegen einer Covid-19-Erkrankung in ein Spital eingeliefert werden, sind eher zwischen 40-60 Jahre alt und nicht geimpft.

Hätten diese Personen die Möglichkeit für eine Impfung gehabt oder war dies aufgrund von Kontraindikationen nicht möglich?

Es gibt nur sehr wenige Kontraindikationen, wie schwere Allergien. Bei einer Schwangerschaft sind noch keine abschliessenden Daten verfügbar. Die Zeiten der Impfengpässe sind schon länger vorbei und in allen Kantonen genügend Impfstoffe vorhanden. Deshalb darf man sagen, dass die allermeisten der jetzt noch nicht geimpften Personen die Möglichkeit einer Covid-19-Impfung gehabt hätten.

Wäre das Risiko für eine Spitaleinweisung geringer gewesen, wenn sich diese Personen geimpft hätten?

Diese Frage kann ich klar mit Ja beantworten. Die Impfung ist hoch effektiv – auch bei der Delta-Variante verhindert sie zuverlässig schwere Krankheitsverläufe.

Soll ich mich also jetzt impfen lassen?

Ja, auf jeden Fall – auch als Schutz vor der Delta-Variante. Wer sich jetzt impft, ist in sechs Wochen vollständig geschützt. Daher lohnt es sich, sich vor dem Herbst impfen zu lassen, da in der kälteren Jahreszeit mit noch mehr Ansteckungen zu rechnen ist.

Warum sollten sich auch jüngere Personen impfen lassen?

Personen unter 40 Jahren haben ein niedrigeres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Trotzdem profitieren sie von der Impfung. Sie reduzieren damit nicht nur die Wahrscheinlichkeit, das Virus zu übertragen, sondern auch die Gefahr eines Long-Covid-Syndroms, beispielsweise von Geschmacksverlust. Auch bei Jüngeren kann eine Covid-19-Erkrankung nicht selten sehr unangenehm verlaufen – weit unangenehmer, als es mögliche Impfnebenwirkungen sind.

Droht uns eine vierte Welle, falls der Anteil der nicht geimpften Bevölkerung auf so hohem Niveau bleibt?

In die Zukunft schauen kann ich nicht. Der Anteil der nicht immunen Bevölkerung ist jedoch so gross, dass nochmals mit sehr hohen Fallzahlen wie beispielsweise während der zweiten Welle im letzten Herbst gerechnet werden muss.

Wie hoch müsste die Impfrate sein, damit sich die Situation nicht wieder verschärft?

Mit der hochansteckenden Delta-Variante müssten über 90% der Bevölkerung geimpft oder immun sein, um eine «Herdenimmunität» zu erreichen. Das muss das Ziel sein. Ich gehe davon aus, dass die Lage ohne die Impfung schon jetzt wieder schwierig wäre. Wenn die Impfrate so tief bleibt, müssen wir aufgrund der aktuellen Fall- und Reproduktionszahlen sehr bald wieder mit hohen Fallzahlen rechnen.

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