Seit Anfang 2020 bietet die Hirslanden Klinik Aarau zusammen mit der Krebsliga Aargau ein ambulantes onkologisches Rehabilitationsprogramm an, kurz ORA. Das Ziel ist es, die Lebensqualität von Krebspatientinnen und -patienten durch gezielte Reha-Angebote zu verbessern und ihnen so die Rückkehr in den Alltag zu erleichtern. Zum breiten Angebot der ORA gehört unter anderem die Ernährungsberatung. Doch welche Auswirkungen hat eine Krebserkrankung auf die Ernährung von Betroffenen? Und was kann die Ernährung zur Krebsprävention beitragen? Sonja Rehmann, Ernährungsberaterin am Zentrum für Innere Medizin der Hirslanden Klinik Aarau, gibt Aufschluss darüber.

Wie sich eine Krebserkrankung auf die Ernährung auswirkt

„Viele Krebsbetroffene sind durch die Krebstherapie geschwächt. Sie können Schluckbeschwerden durch entzündete Schleimhäute im Mund haben, mitunter sogar im gesamten Magen-Darm-Trakt. Einige leiden unter Übelkeit und Erbrechen, Durchfall oder Verstopfung.“, berichtet die Ernährungsberaterin Sonja Rehmann. „Auch psycho-emotionale Belastungen durch die Diagnose können den Betroffenen ‚auf den Magen schlagen‘. Hinzu kommt der Stressstoffwechsel, der den täglichen Energiebedarf sogar noch erhöht. Dies führt häufig zu Gewichtsverlust und einer Mangelernährung, die auf Dauer das Immunsystem schwächt. Die Betroffenen sind anfälliger für Infekte und Wunden heilen schlechter. Ausserdem kommt es bei mangelernährten Patientinnen und Patienten häufiger zu unerwünschten Nebenwirkungen während der Krebstherapie. Ein Teufelskreis entsteht.“, schildert sie weiter.

Häufigste Nebenwirkungen der Krebstherapie mit Einfluss auf die Ernährung

  • Appetitlosigkeit
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Geschmacksveränderungen
  • Gewichtsverlust
  • Schmerzen
  • Stoffwechselstörungen
  • Beeinträchtigungen im Mund und in der Speiseröhre
  • Verdauungsprobleme wie Durchfall oder Verstopfung

 

Ernährung anpassen – aber wie?

Krebspatientinnen und -patienten sollten sich so weit wie möglich an die Grundsätze der gesunden und ausgewogenen Ernährung halten. Ist dies aufgrund der Nebenwirkungen nicht möglich, sollte die Kost mit genügend Energie und Eiweiss angereichert werden, um eine Mangelernährung zu verhindern. Die Ernährungsberaterin rät in diesem Fall zu folgenden Tipps:

  • Essen Sie täglich 5 bis 8 kleinere Mahlzeiten.
  • Ergänzen Sie das Essen durch energie- und eiweissreiche natürliche Lebensmittel, zum Beispiel Öl, Butter, Rahm, Zucker, Honig, Eier, Käse.
  • Reichern Sie die Nahrung mit künstlichen Zusätzen an, etwa Maltodextrin und Eiweisskonzentrat.
  • Probieren Sie energie- und eiweissreiche Trinknahrungen aus.

 

Kreativität beim Zubereiten und Anrichten

Neben einer hinreichenden Kalorien- und Eiweisszufuhr ist es wichtig, die Kost an die aktuellen Bedürfnisse und Probleme des Betroffenen anzupassen. „Wenn bestimmte Lebensmittel Übelkeit oder Schmerzen auslösen, sollten diese ganz weggelassen werden und der Fokus dafür auf andere Speisen gelegt werden. Wenn die Patientin oder der Patient gar keinen Appetit hat, kann auch die Art und Weise des Anrichtens einen entscheidenden Einfluss haben. Lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf. Manchen Betroffenen hilft es zum Beispiel, das Essen farblich schön anzurichten. Ausserdem hilft es häufig, den Geschmack vorübergehend anzupassen, ob er nun intensiver oder weniger intensiv sein soll.“

Warum zur Ernährungsberatung?

Grundsätzlich sind die Anforderungen und Bedürfnisse der Betroffenen sehr verschieden. Daher sollten Patientinnen und Patienten während ihrer onkologischen Behandlung von einem Ernährungstherapeuten beraten werden. Auch nach dem Abschluss der Krebstherapie ist dies sinnvoll. „Viele Betroffene haben wieder mehr Appetit und die Nebenwirkungen der Chemo- oder Strahlentherapie verschwinden. Der Stoffwechsel verändert sich. Manche nehmen plötzlich wieder zu, einige berichten von einem Jo-Jo-Effekt. Dies zeigt, welch wichtige Rolle der Ernährungsberatung bei der onkologischen Rehabilitation zukommt.“ Doch wie sieht es andersherum aus?

Kann die Ernährung den Krebs beeinflussen oder sogar heilen?

„Bis heute gibt es keine Beweise dafür, dass gewisse Lebensmittel oder eine bestimmte Ernährungsform Krebs verhindern. Einige Theorien, zum Beispiel die, dass man den Tumor ‚aushungern‘ soll, können sogar gefährliche Nebenwirkungen haben.“, erklärt Sonja Rehmann. „Durch die Nahrungseinschränkung kann der ohnehin schon geschwächte Körper noch mehr belastet werden. Es gibt jedoch einige Empfehlungen, die nach den neuesten Erkenntnissen der Forschung zur Krebsprävention beitragen.“

 

7 Tipps zur Krebsprävention

1. Ernähren Sie sich gesund und ausgewogen.

Unsere Ernährungsberaterin empfiehlt pro Tag:

  • 1-2 Liter ungesüsste Getränke: Leitungs- oder Mineralwasser, ungesüsster Früchte- oder Kräutertee, Kaffee massvoll genossen (1-3 Tassen pro Tag)
  • 5 Portionen Gemüse und Früchte: 3 Portionen Gemüse und 2 Portionen Früchte (1 Portion entspricht 1 Handvoll)
  • 3 Portionen Kartoffeln, Hülsenfrüchte oder Getreideprodukte, zum Beispiel aus Dinkel, Roggen, Weizen, Gerste, Hafer sowie Reis, Mais, Couscous und Quinoa
  • 3 Portionen Milchprodukte: 1 Portion entspricht zum Beispiel einem Glas Milch (200 Milliliter), 180 Gramm Joghurt, 30 Gramm Hartkäse oder 60 Gramm Weichkäse
  • 1 Portion Fleisch, Fisch, Ei oder ein vegetarisches Ersatzprodukt wie Tofu oder Quorn
  • 2 bis 3 Esslöffel Öl/Fett oder 20-30 Gramm ungesalzene, ungeröstete Nüsse
  • 1 kleine Handvoll Süssigkeiten oder Salzgebäck
  • 1 kleines Glas Alkohol höchstens
  • Verteilung auf dem Teller: ½ Teller Gemüse, ¼ Teller Stärkebeilagen (wie Brot, Kartoffeln, Hülsenfrüchte oder Getreideprodukte), ¼ Teller Eiweissbeilage (wie Fleisch, Fisch, Ei, Tofu oder Quorn)
  • Regelmässige Mahlzeiten: 3 Hauptmahlzeiten pro Tag (Frühstück, Mittag- und Abendessen) und optional kleine Zwischenmahlzeiten

2. Nahrungsfasern, sekundäre Pflanzenstoffe und Antioxidantien tun uns gut.

  • Sekundäre Pflanzenstoffe und Antioxidantien, zum Beispiel Vitamin C, Vitamin E und Beta-Carotin sind vor allem in Früchten und Gemüse enthalten. Sie unterstützen das Immunsystem und wirken entzündungshemmend und antibakteriell.
  • Nahrungsfasern sind unter anderem in Vollkornprodukten, rohem Obst und Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen enthalten und können nicht verdaut werden. Sie erzielen eine höhere Sättigung und helfen somit dabei, das Körpergewicht zu halten. Daneben führen sie in Kombination mit genügend Flüssigkeit zu einer grösseren Darmaktivität, was speziell das Darmkrebsrisiko senkt. Weiter binden Nahrungsfasern Schadstoffe im Körper, die dann mit dem Stuhl ausgeschieden werden.

3. Reduzieren Sie den Genuss von rotem Fleisch und Wurstwaren.

Der Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und der Entstehung von Krebs wird derzeit weiterhin erforscht. Jedoch gilt ein zu hoher Konsum von Fleisch nach aktuellen Forschungserkenntnissen als problematisch. Vor allem der Genuss von Wurstwaren und rotem Fleisch, also das von Rind, Schwein, Schaf und Ziege, sollte möglichst reduziert werden.

4. Gehen Sie massvoll mit Alkohol um.

Nach dem aktuellen Stand der Forschung hat der Konsum von Alkohol einen direkten Einfluss auf die Entstehung von Krebs. Durch die Abbauprozesse können Zellschädigungen entstehen und der Hormonhaushalt wird ungünstig beeinflusst, was zu einem erhöhten Krebsrisiko führen kann. Die genauen Zusammenhänge werden weiter erforscht. Der Alkoholkonsum sollte daher auf höchstens 1 kleines Glas pro Tag beschränkt werden.

5. Nehmen Sie Vitaminpräparate und Nahrungsergänzungsmittel nur in Rücksprache mit Ihrem Arzt ein.

Vitamine und Mineralstoffe werden in der Regel über eine gesunde und ausgewogene Ernährung in ausreichender Menge vom Körper aufgenommen. Wenn Sie zusätzlich ein Vitaminpräparat oder Nahrungsergänzungsmittel einnehmen möchten, sollten Sie vorher Ihren Hausarzt konsultieren. Denn deren Einnahme kann erwiesenermassen das Krebsrisiko erhöhen.

6. Was Sie bei der Zubereitung von Mahlzeiten und der Lagerung von Lebensmitteln im Hinterkopf behalten sollten:

  • Vermeiden Sie zu heisse Temperaturen beim Braten und Backen: Das dadurch entstehende Acrylamid steht im Verdacht, das Erbgut zu schädigen.
  • Vorsicht beim Grillieren: Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe entstehen bei der Verbrennung von Fett, Holz oder Tabak und wirken krebsauslösend. Beim Grillieren kann eine grosse Menge davon gebildet werden.
  • Vermeiden Sie Schimmelpilze.
  • Reduzieren Sie Ihren Salzkonsum: Eine zu hohe Salzzufuhr steht im Verdacht, das Magenkrebsrisiko zu erhöhen.
  • Reduzieren Sie den Konsum von Nitrosaminen: Diese bilden sich, wenn Nitrit und Proteine aufeinandertreffen, was oft bei gepökelten Fleisch und Fischprodukten der Fall ist.
  • Süssstoffe gelten als unbedenklich: Frühere Meinungen, dass Aspartam krebserregend ist, konnten wiederlegt werden.
  • Waschen Sie Früchte und Gemüse gründlich: Es gibt bisher keine Studie, die einen Zusammenhang zwischen Pestiziden und der Entstehung von Krebs belegt. Dennoch sollten Sie Früchte und Gemüse vor dem Verzehr immer waschen.

7. Bleiben Sie skeptisch bei „Anti-Krebs-Diäten“ und „krebsvorbeugenden Lebensmitteln“.

Regelmässig werden Diäten beworben, die angeblich krebsvorbeugend wirken. Bisher konnte jedoch bei keiner von ihnen diese Wirkung belegt werden. Im Gegenteil: Sie können sogar Mangelernährungszustände verursachen.

„Es gibt keine Wundermittel oder ‚Wunderlebensmittel‘, die das Krebsrisiko senken können. Viel wichtiger ist das Zusammenspiel der einzelnen Inhaltsstoffe der Lebensmittel.“, fasst Sonja Rehmann zusammen. „Daher empfehlen wir eine ausgewogene und gesunde Ernährung gemäss der Lebensmittelpyramide[1]. So erhält der Körper alle nötigen Nährstoffe, um gesund zu bleiben.“

 

Quelle

[1] Quelle: Schweizerische Gesellschaft für Ernährung, https://www.sge-ssn.ch/ich-und-du/essen-und-trinken/ausgewogen/schweizer-lebensmittelpyramide/