Um eine Sehnenscheidenentzündung dauerhaft loszuwerden, ist es essentiell, die Ursache zu identifizieren und entsprechende Massnahmen zu ergreifen, sagt Dr. med. Stephan Bürgin, Facharzt für Rheumatologie an der Hirslanden Klinik Birshof.

Ist eine Sehnenscheidenentzündung eine reine Berufskrankheit?

Tatsächlich gibt es verschiedene berufliche Tätigkeiten, bei denen repetitive Bewegungen eine Entzündung begünstigen können. Eine solche Entzündung kann aber auch durch etliche andere Situationen ausgelöst werden: etwa beim regelmässigen Herumtragen des Kindes, beim Musizieren, beim Sport oder bei der Ausübung eines Hobbys. Es gibt im Übrigen nicht nur Sehnenscheiden-, sondern auch Sehnenentzündungen (Beispiel einer solchen Entzündung ist der Tennisarm oder Golferellbogen).

Was ist der Unterschied zwischen einer Sehnenscheiden- und einer Sehnenentzündung?

Die Sehnenscheide ist gewissermassen ein Schutzmantel für stark beanspruchte Sehnenabschnitte. Ein Beispiel dafür sind die Finger, bei denen die Sehnenscheiden die Sehnen vor zu grosser Reibung und damit Abnutzung schützen. Entzündet sich diese Schutzhülle, sprechen wir von einer Tendovaginitis, also einer Sehnenscheidenentzündung. Die meisten Sehnen haben indes keine solche schützende Hülle. Kommt es hier zu einer ausserordentlichen Belastung, entzündet sich direkt die Sehne selbst. In diesem Fall spricht man von einer Sehnenentzündung oder Tendinitis.

Welche Entzündung ist problematischer?

Leider sind beide sehr schmerzhaft. Es ist aber keine schlimmer als die andere.

Was können mögliche Ursachen sein?

Sehnen- und Sehnenscheidenentzündungen können verschiedene Ursachen haben. Rheumatische Erkrankungen (wie die rheumatoide Arthritis), Diabetes, aber auch hormonelle Veränderungen, wie etwa während der Menopause oder einer Schwangerschaft, können Entzündungen von Sehnen oder Sehnenscheiden auslösen. Diese immunologischen Entzündungen sind allerdings eher selten. Noch seltener lösen bakterielle Infekte Grund vorheriger Erkrankungen die Entzündungen aus. In den allermeisten Fällen handelt es sich um mechanisch ausgelöste Entzündungen. Da führt eine ungewohnte oder häufig wiederholte Bewegung zu einer Überbeanspruchung der Sehne oder der Sehnenscheide. Der Körper versucht daraufhin, die durch Überbelastung entstandenen Mikrorisse im Gewebe mit einer sogenannten Reparaturentzündung zu heilen. Genau das löst dann den sehr unangenehmen Schmerz aus.

Sind sportlich aktive Menschen weniger häufig davon betroffen?

Nein, das kann man so nicht sagen. Tatsächlich geht es viel mehr um das Verhältnis zwischen dem, was das Sehnenmuskelgewebe kann, und dem, was man ihm zumutet. Wenn jemand regelmässig trainiert und das Muskelsehnengewebe richtig belastet und pflegt, kommt es sehr selten zu Problemen. Im Fall einer überehrgeizigen Vorbereitung – etwa auf einen Marathon – kann das Gewebe aber durchaus überfordert werden. Trotz guter Fitness kann sich dann etwa die Achillessehne entzünden. Sportarten wie Tennis, Golfen oder Klettern können ebenfalls dazu führen, dass Sehnen im Bereich des Handgelenks oder der Schulter überlastet werden und sich entzünden.

Aber auch repetitive Tätigkeiten können kritisch sein, richtig?

Absolut. Wer lange am Computer arbeitet oder ein Musikinstrument spielt, kann eine Sehnenscheidenentzündung in den Fingern, dem Handgelenk oder dem Unterarm entwickeln. Ganz typisch für die heutige Zeit ist auch die Sehnenscheidenentzündung auf der Höhe des Handgelenks, die an der Streckung und Abspreizung des Daumens beteiligt ist. Das bekommen vor allem Menschen, welche sehr häufig auf dem Handy tippen. Doch nicht nur repetitive Handlungen in einem ergonomisch suboptimalen Umfeld, auch Verletzungen oder stumpfe Aufschläge können das Gewebe übermässig reizen und so zu einer Entzündung führen.

Wie merkt man, ob es sich tatsächlich um eine Sehnenscheidenentzündung handelt?

Einerseits spüren die Betroffenen einen starken Schmerz bei jener Bewegung, welche die Entzündung ausgelöst hat. Dies wiederum führt dazu, dass die Bewegung nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich ist. Bei Sehnenscheidenentzündungen in der Hand lassen sich etwa die Finger nicht mehr richtig strecken oder die Hand nicht mehr zu einer Faust ballen. In manchen Fällen erwärmt oder verhärtet sich der Bereich oder ist leicht gerötet oder geschwollen. Tatsächlich können alle diese Symptome aber auch andere Ursachen haben, die etwa auf das Gelenk, die Muskeln oder die Nerven zurückzuführen sind.

Wie also bekommt man Gewissheit?

Vielfach reicht es schon, die schmerzende Stelle abzutasten. Häufig sind dabei kleine Knoten oder Veränderungen in der Sehne spürbar. Ein Ultraschall gibt zudem über die Sehnenstruktur Aufschluss. Wird hingegen eine rheumatologische Grunderkrankung vermutet, braucht es einen Bluttest mit einer anschliessenden Laboruntersuchung.

Sollte man bei Verdacht auf eine Sehnenscheidenentzündung auf jeden Fall zum Arzt gehen?

Nein, das ist nicht unbedingt nötig. Es reicht, die betroffene Stelle erst einmal zu schonen und mit einer entzündungshemmenden Salbe einzureiben. Bei Schwellungen und Rötungen hilft ein kühlender Quarkwickel. Sind die Schmerzen zu stark, kann man ein ganz normales Schmerzmittel einnehmen. Handelt es sich tatsächlich um eine Sehnenscheidenentzündung, klingen die Symptome in der Regel innerhalb weniger Tage ab. Bleiben die Schmerzen gleich oder werden sie sogar stärker, dann lohnt es sich hingegen, einen Arzt aufzusuchen.

Vergehen die Schmerzen also von selbst, ist keine weitere Behandlung nötig?

Ist der akute Schmerz erst einmal abgeklungen, muss man herausfinden, was die Entzündung ausgelöst hat. Hat man zehn Jahre lang kein Golf mehr gespielt und am Vortag plötzlich stundenlang Bälle geschlagen, ist der Fall klar: Überbelastung. Diese sollte zugunsten eines kontinuierlichen Aufbautrainings künftig vermieden werden. Ist die Entzündung allerdings aus einer repetitiven Tätigkeit – etwa am Arbeitsplatz – entstanden, muss man ergonomisch etwas verändern, damit die Sehne oder die Sehnenscheide nicht weiterhin gereizt wird. Da gibt es viele verschiedene Prophylaxe-Möglichkeiten.

Schonen alleine reicht also nicht aus?

Bei akuten Schmerzen macht das absolut Sinn. Dann allerdings sollte man wieder angepasst aktiv werden. Konkret sollte eine funktionell orientierte Therapie eingeleitet werden. Zur Wiederherstellung der Funktion muss einerseits die Beweglichkeit und Geschmeidigkeit des Gewebes / der Sehne verbessert werden und andererseits durch Übungen die Sehne und der dazugehörige Muskel gekräftigt werden. Dies führt nicht nur zur Abheilung, sondern dient auch dazu, einer erneuten Erkrankung vorzubeugen.

In welchem Fall ist eine Operationen sinnvoll?

Bei Verletzungen, die durch obengenannte Massnahmen nicht abheilen, kann Chirurgie manchmal sinnvoll sein. Speziell, wenn die Struktur der Sehne verändert ist, können beispielsweise degenerative Knötchen oder vernarbtes und gereiztes Sehnenscheidengewebe entfernt werden. Bei unfallbedingten Sehnenrissen ist Chirurgie oft auch die Therapie der ersten Wahl.

Erfahren Sie mehr darüber, was es für Prophylaxe-Möglichkeiten bei repetitiven Arbeiten gibt: