«Jede Frau hat das Recht, bis zwei Mal pro Jahr eine unkomplizierte Blasenentzündung zu haben.» Warum dem so ist und was die (oder auch der) Betroffene im Fall des Falles gegen einen solchen Harnwegsinfekt tun kann, erklärt uns der Dr. med. Philipp Huber, Urologe an der Klinik St. Anna in Luzern. Ebenso, in welchen Fällen unbedingt eine ärztliche Abklärung nötig ist.

Eine Blasenentzündung kann individuell sehr unterschiedlich sein. Und doch gibt es viele Gemeinsamkeiten, welche die Patientinnen und Patienten dabei schildern. Hatte eine Frau schon einmal eine Blasenentzündung, weiss sie, wie sich diese bei ihr anfühlt. Häufiges Wasserlösen, dies in kleinen Mengen, dazu unangenehmes Brennen oder Schmerzen sind die gängigsten Symptome. Darüber hinaus können weitere Symptome dazu kommen wie Blut im Urin oder Fieber.

Bakterien im Harntrakt sind meist die Übeltäter.

Die meisten Blasenentzündungen sind auf Bakterien, die typischerweise im Darm zu Hause sind, zurückzuführen. Diese sammeln sich auf der Oberfläche der Harnröhre oder an der Blasenschleimhaut an. Sind Bakterien einmal in der Blase angelangt, finden sie dort ein optimales Milieu, um sich zu vermehren: Es ist dunkel, warm und nass. Um diese fremden Bakterien loszuwerden, reagiert der Körper mit einer Entzündungsreaktion der Schleimhaut.

Zu beachten ist, dass der Urin eigentlich als so gut wie steril gilt. Das ganze Harntraktsystem ist von sich aus also eigentlich frei von krank machenden Bakterien. Bei einer Blasenentzündung kommen die auslösenden Übeltäter somit meist von der Aussenwelt in den Harntrakt hinein und wandern in der Regel die Harnröhre hoch.

Vergleicht man Mann und Frau anatomisch, hat die Frau den «Nachteil», dass sie nur eine ganz kurze, sprich 2-3 cm lange Harnröhre hat. So ist der Weg für die Bakterien kürzer, um die Blase zu erreichen. Das erklärt auch, warum Frauen viel häufiger von Blasenentzündungen betroffen sind. Sobald sich die Bakterien in der Blase vermehren, beginnt diese zu reagieren und versucht, die Bakterien auszuschwemmen. Zudem führt eine gereizte Blasenschleimhaut bereits bei geringer Blasenfüllung durch die Dehnung zu Schmerzen. Darum auch der häufige Harndrang sowie die eingangs erwähnten Beschwerden.

Erhöhtes Risiko bei Blasenkatheter

Patientinnen und Patienten mit einem Blasenkatheter haben ein erhöhtes Risiko für eine Blasenentzündung, da durch den Fremdkörper für Bakterien die Barriere zwischen Aussenwelt und Blase viel einfacher zu überbrücken ist. Zusätzlich bildet sich am Katheter eine Schleimschicht, unter welcher sich Bakterien ansammeln. Ob diese Kolonisation letztlich zu einer mit Beschwerden einhergehenden Blasenentzündung führt oder nicht, hängt auch davon ab, ob die Bakterien in genügendem Masse aus der Blase gespült werden können oder nicht. Hierfür hilft es auch, regelmässig Blasenspülungen mit Leitungswasser über den Katheter vorzunehmen. So wird unter anderem der sonst auf natürliche Art und Weise bestehende Spüleffekt durch das Wasserlösen ermöglicht.

Komplizierte und unkomplizierte Harnwegsinfekte

Grundsätzlich unterscheidet man bei Frauen und Männern zwischen unkomplizierten und komplizierten Blasenentzündungen. Bei den unkomplizierten Fällen sind die Selbstheilungsmöglichkeiten des Körpers gegeben. Der Schweregrad der Entzündung wie auch der Leidensdruck durch die Beschwerden sind meist geringer ausgeprägt. Symptome wie Fieber, Blut im Urin oder gar Schmerzen in der Nierengegend hingegen deuten auf einen komplizierten bzw. schweren Fall hin, der einer Behandlung bedarf. Dies ist auch der Fall, sobald eine funktionelle oder anatomische Besonderheit, eine Funktionsstörung der Nieren oder eine relevante Begleiterkrankung vorliegen.

Blasenentzündung bei Männern: seltener, dafür häufiger kompliziert

Auch Männer können von einer Blasenentzündung betroffen sein. Bedingt durch die Anatomie der Harnröhrenlänge kommt dies zwar weniger häufig vor. Allerdings kann sie insbesondere im Alter aufgrund einer erschwerten und unvollständigen Blasenentleerung, oft zurückzuführen auf eine vergrösserte Prostata, vorkommen. Die Prostata, welche den ersten Anteil der Harnröhre bildet, ist ein aus feinen Drüsenkanälchen bestehendes Organ, in welchem sich Bakterien einnisten können. Zudem ist die Prostata mit den anderen Organen des männlichen Reproduktionstraktes verbunden: Samenleiter, Nebenhoden und Hoden; überall dort können sich über die Harnröhre aufsteigende Erreger einnisten und eine Entzündung auslösen. Da öfters gleichzeitig eine Begleitentzündung dieser Nachbarorgane vorliegt, gelten diese Fälle als komplizierte Harnwegsinfekte.

«Frauen haben eigentlich das Recht auf bis zwei unkomplizierte Blasenentzündungen pro Jahr.»

Frauen müssen wissen: Aufgrund ihrer anatomisch kurzen Harnröhre und ihrer Nähe zum Darm haben sie eigentlich Anrecht auf ein bis zwei Blasenentzündungen pro Jahr, sofern keine komplizierenden Faktoren wie Fieber dabei sind. Diese gelten noch nicht als gehäufte Harnwegsinfekte. Es gehört – etwas vereinfacht ausgedrückt – schlichtweg zum Frausein dazu.

Bei welchen Anzeichen zum Arzt?

Männer gehören aufgrund der oben stehenden Erläuterungen beim ersten Anzeichen eines Harnwegsinfekts in ärztliche Abklärung.

Auch für Frauen gilt: Wenn komplizierende Symptome wie Fieber, Blut im Urin oder Schmerzen in der Nierengegend auftreten, muss dies auf jeden Fall ärztlich abgeklärt werden, um auszuschliessen, dass eine andere Erkrankung dahintersteckt. Oftmals entscheidet auch der Leidensdruck der Patientin hinsichtlich einer ärztlichen Konsultation. Wenn die Blasenentzündung so einschränkt, dass sie ständig auf die Toilette muss und dabei Schmerzen hat, soll sie sich ärztliche Hilfe suchen. Frauen mit häufig wiederkehrender Blasenentzündung sollten sich genauer auf deren Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten abklären lassen. Erste Ansprechperson ist in der Regel der Hausarzt. Wenn es kompliziert wird, überweist dieser zum Urologen oder auch zum Gynäkologen.

Die Behandlung einer Blasenentzündung

Bei den ersten Anzeichen einer Blasenentzündung kann die Frau auch versuchen, selber zu behandeln, sofern keine Symptome auf einen komplizierten Infekt hindeuten (vgl. oben).

In einem ersten Schritt ist es sinnvoll, die Trinkmenge zu erhöhen. So wird mehr Urin produziert, der Spüleffekt in der Blase erhöht und die Bakterien vermehrt ausgeschieden. Kann die Patientin die Schmerzen einer Blasenentzündung zuordnen, weil es nicht die erste ist, kann sie auch ein entzündungshemmendes Schmerzmedikament einnehmen. Dies lindert die Schmerzen und gibt dem Körper zudem die Möglichkeit, den Infekt selber zu bekämpfen. Zudem kann auch eine Wärmeanwendung (z. B. mittels Wärmflasche) am Unterbauch infolge einer gesteigerten Durchblutung die Beschwerden lindern.

Gelingt dies aber nicht oder ist die Blasenentzündung häufig wiederkehrend, ist eine ärztliche Abklärung empfehlenswert. Dabei gilt es zum Beispiel herauszufinden, ob wirklich ein bakterieller Infekt der Auslöser ist. In seltenen Fällen können auch Viren, Pilze oder Parasiten eine Blasenentzündung auslösen. Die korrekte Identifikation des auslösenden Erregers bestimmt die Behandlung, denn eine Antibiotika-Behandlung hilft nur bei einem bakteriellen Infekt. Weiter gibt es auch Reizungen oder einen Infekt begünstigende Faktoren der Blase, die nicht auf einen Erreger zurückzuführen sind. Als Beispiele sind der Diabetes, eine anatomische oder funktionelle Störung der Blasenentleerung, Blasen- oder Harnleitersteine oder leider letztlich auch Tumore im Harntrakt zu nennen; diese gilt es insbesondere bei wiederkehrenden Blasenentzündungen oder bei Blut im Urin auszuschliessen.

Antibiotika: Nicht immer nötig, aber wenn, dann zielgerichtet

Bei einer unkomplizierten Blasenentzündung sollte möglichst auf die Gabe von Antibiotika verzichtet werden, sofern dies der Allgemeinzustand zulässt. Zum einen hat der Körper eine gewisse Fähigkeit zur Selbstheilung. Zu anderen: Je mehr Antibiotika angewendet werden, umso grösser ist das Risiko, Resistenzen zu bilden, also dass gewisse Antibiotika bei diesen Erregertypen nicht mehr greifen.

Für Ärzte gilt also, Folgendes festzustellen: Was genau verursacht den Infekt? Wie stark ist er? Reicht ein entzündungshemmendes Medikament, um der Selbstheilung eine Chance zu geben? Braucht es ein Antibiotikum und, wenn ja, welches? Oder braucht es eine ganz andere Behandlung? Um diese Fragen beantworten zu können, wird eine Kultur des Urins angelegt. Dabei ist wichtig, dass dies mit ganz sauber entnommenem Urin geschieht, der vor allem bei Frauen mit einem Katheter über die Harnröhre direkt aus der Blase entnommen wird. Beim spontanen Wasserlösen besteht ansonsten das Risiko einer Verunreinigung des Urins durch den Kontakt mit den Schamlippen, was das Resultat der Urinkultur verfälschen kann.

Verhaltenstipps und Risikosituationen

Bei wiederkehrenden Blasenentzündungen macht es Sinn, allfällige begünstigende Faktoren ausfindig zu machen.

Tipps beim Geschlechtsverkehr

Junge Patientinnen berichten typischerweise, dass es mit Aufnahme des Geschlechtsverkehrs zu gehäuften Infekten kommt. Dies ist der Fall, da aufgrund der mechanischen Reibung in der Scheide durch den Penis Bakterien leichter in die Harnröhre gelangen können. Hier können bestimmte Verhaltensmassnahmen helfen, das Risiko für eine neuerliche Blasenentzündung zu verringern, wie zum Beispiel direkt nach dem Geschlechtsverkehr Wasser zu lösen, damit die Bakterien möglichst schnell aus der Blase ausgespült werden. Auch sollte nach Oral- oder Analverkehr beim Wechsel zum vaginalen Verkehr ein Kondomschutz erfolgen, um eine mögliche Keimverschleppung zu verhindern. Letztlich spielt auch die Wahl des Verhütungsmittels eine Rolle: Diaphragma oder Spermizide führen infolge einer Veränderung des lokalen Milieus zu einer erhöhten Infektanfälligkeit.

Hormonelle Veränderungen

Bei Schwangeren besteht aufgrund der hormonell bedingten Veränderungen im Harntrakt ein höheres Risiko für eine Blasenentzündung. Auch bei Frauen in bzw. nach ihren Wechseljahren sollte überprüft werden, ob eine lokale, vaginale Östrogenanwendung für den Wiederaufbau des Scheidenmilieus eingesetzt werden kann. Trockene Schleimhäute begünstigen ein bakterielles Anhaften und die Keimvermehrung.

Kälte

Weiter kann nasse Badekleidung vor allem bei Frauen eine Blasenentzündung begünstigen, und zwar aufgrund der kalten Nässe im Genitalbereich. Frauen, die häufig unter solchen Infekten leiden, wird geraten, trockene Badekleidung anzuziehen, wenn sie aus dem Wasser kommen.

Theoretisch kann auch Kälte, wie bei bauchfreier Kleidung in der kalten Jahreszeit, zu einer verringerten Durchblutung der Organe im Unterleib führen, was eine Schwächung der Immunlage nach sich ziehen und einen Infekt begünstigen kann.

Mythos Schwimmbad

Oft hört man die Aussage des «Auflesens einer Blasenentzündung beim Schwimmen»: Abgesehen von der nassen Badekleidung nach dem Baden sollte das Schwimmen einer gesunden Frau mit intakter Immunabwehr und einem ausgeglichenen Scheidenmilieu nichts anhaben können. Die sogenannten Milchsäurebaktieren sorgen dafür, dass das Milieu der Scheide einen gewissen Schutzmechanismus hat. So sollte es zumindest in unseren Seen und Flüssen zu keiner bakteriellen Gefahr für die Frau kommen. Und in Schwimmbädern sorgt in der Regel das Chlor für eine bestmögliche Wasserqualität. Zu viel Chlorkontakt kann allerdings dazu führen, dass dieses auch die guten Bakterien angreift und so den Schutzmechanismus letztlich negativ beeinflussen kann.

Präventive Behandlungsmöglichkeiten

Bei häufigen Harnwegsinfekten können auch prophylaktische Massnahmen helfen. Zu den bekanntesten Varianten gehören Preiselbeeren (Kapseln), die einen positiven Effekt auf die Urinqualität haben. Das heisst, sie beeinflussen das Milieu des Urins so, dass es weniger einfach zu einem Infekt kommen kann. Weiter gibt es Medikamente, die den Urin mit anderen Zuckerstoffen anreichern, was dazu führt, dass Bakterien weniger gut an der Blasenschleimhaut anhaften können.

Eine andere Möglichkeit ist, das Immunsystem bis zu einem gewissen Grad zu trainieren, mit den Erregern frühzeitig umzugehen. Dies geschieht mit einer medikamentösen Kur (Uro-Vaxom), die abgeschwächte Strukturen der typischen Blasenentzündungserreger enthält, ohne einen Infekt auszulösen. Hierfür wird während drei Monaten täglich eine Kapsel eingenommen, um so eine Sensibilisierung des Immunsystems zu erreichen. Ziel ist, dass der Körper schneller reagiert, also bevor die Keimzahl so hoch ist, dass es zu Beschwerden kommt.