Nahezu 10% aller Patienten, die einen Hausarzt aufsuchen, stellen sich mit chronischer Müdigkeit vor. Darunter vesteht man eine anhaltende und belastende Erschöpfung, die sich nicht durch einen vorübergehenden Schlafmangel oder einen akuten Infekt erklären lässt. Die Ursachen sind vielfältig.

Die möglichen Ursachen eines Erschöpfungssyndroms sind vielfältig und sollten medizinisch abgeklärt werden, insbesondere wenn dieser Zustand über einen längeren Zeitraum besteht. Die Grundlage der Abklärung liegt zunächst in einem ausführlichen Arzt-Patienten-Gespräch (Anamnese). Das Gespräch gibt Aufschluss darüber, ob die Müdigkeit eher eine psychosoziale oder körperliche Ursache hat. Auf die Anamnese folgt eine eingehende körperliche Untersuchung, der sich eine Blutabnahme anschliessen kann, um verschiedene Laborparameter zu ermitteln.

Psychosoziale und körperliche Ursachen einer chronischen Müdigkeit

Zu den psychosozialen Ursachen einer chronischen Müdigkeit gehören das Burnout-Syndrom sowie die Depression. Aber auch Suchterkrankungen und Medikamentennebenwirkungen können einen Erschöpfungszustand auslösen, ebenso wie das seltene chronische Müdigkeitssyndrom (chronic fatigue Syndrome) .

Die Analyse der Laborparameter des Patienten kann weitere Hinweise für die Ursache eines Erschöpfungszustands geben. So kann laborchemisch beispielsweise eine Anämie, d.h. eine Blutarmut, oder eine Störung der Schilddrüsenfunktion als Ursache für ein Erschöpfungssyndrom festgestellt oder ausgeschlossen werden. Auch ein Diabetes mellitus, also die Zuckerkrankheit, oder eine Störung der Leberfunktion können anhand von Laborwerten als Ursache chronischer Müdigkeit identifiziert werden. Darüber hinaus geben die Laborparameter Hinweise auf verschiedene Infektionskrankheiten, die ebenfalls einen Erschöpfungszustand auslösen können.

Müdigkeit kann Hinweis auf andere Erkrankungen sein.

Wird die Ursache für die Erschöpfung in einer körperlichen Erkrankung vermutet, müssen auch Krankheitsbilder wie die Herzinsuffizienz (Herzschwäche) oder eine chronische Nierenunterfunktion abgeklärt werden. Darüber hinaus fallen neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder die Parkinson-Erkrankung sowie Krebserkrankungen häufig zunächst durch eine chronische Erschöpfung auf.

Sollten bei der Anamnese, der körperlichen Untersuchung und der Laboranalyse noch keine Diagnose gestellt werden können, dann kann die Diagnostik in Abhängigkeit von den bisher erhobenen Befunden und Verdachtsdiagnosen durch weitere Untersuchungen ergänzt werden. Zu diesen weiterführenden Untersuchungen gehören die Ultraschalluntersuchung, das EKG sowie die Lungenfunktionsprüfung. Bei einer Ultraschalluntersuchung können beispielsweise die Schilddrüse und die Bauchorgane (Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse, Nieren, Milz) gut dargestellt und auf krankhafte Veränderungen überprüft werden. Im Rahmen eines EKGs oder Belastungs-EKGs können Zeichen einer Minderdurchblutung des Herzmuskels (bei koronarer Herzerkrankung) sowie eine Herzrhythmusstörung nachgewiesen werden. Eine Lungenfunktionsprüfung gibt Hinweise auf eine mögliche Ventilationsstörung der Lunge und darüber, ob die Atemfunktion beispielsweise durch eine Engstellung der Bronchien oder durch eine Veränderung des Lungengewebes eingeschränkt ist.

Kontaktieren Sie Ihren Hausarzt: Vieles ist gut behandelbar

Die bisher aufgeführten Untersuchungen kann in der Regel der Hausarzt durchführen. In Einzelfällen wird darüber hinaus eine weitergehende spezifische Diagnostik durch MRI, CT, Echokardiographie oder Herzkatheter benötigt. Diese Diagnostik wird im Spital oder bei niedergelassenen Fachärzten durchgeführt.

Erfreulicherweise liegt der chronischen Müdigkeit jedoch in den meisten Fällen eine medizinisch gut behandelbare Ursache zugrunde. So lässt sich zum Beispiel die häufige Ursache einer Anämie aufgrund eines Eisen- oder Vitamin-B12-Mangels einfach medikamentös ausgleichen, wobei zusätzlich auch die Ernährung geprüft wird. Ebenso ist die häufige Schilddrüsenunterfunktion durch eine Hormontherapie einfach behandelbar. Ein Diabetes mellitus erfordert ein gutes Behandlungskonzept. Dieses besteht aus einer medikamentösen Therapie kombiniert mit einer Ernährungsumstellung und möglichst viel Bewegung.

Liegt eine Depression oder ein Burn-out-Syndrom vor, ist der wichtigste Schritt, die Krankheit überhaupt festzustellen und möglichst auch deren Ursachen. Je nach Ausprägung können verschiedene Massnahmen helfen, wie zum Beispiel eine Umstellung der Lebensumstände, eine Gesprächstherapie oder allenfalls die Therapie mit einem Antidepressivum.

Voraussetzung für eine Behandlung ist eine medizinische Abklärung, um die Ursache festzustellen. Daher rate ich den betroffenen Patienten, sich bei ihrem Hausarzt vorzustellen, bevor eine anhaltende Beschwerdesymptomatik sowohl die Lebensqualität als auch die Leistungsfähigkeit im privaten und beruflichen Umfeld zu stark eingeschränkt.

Autorin:

Dr. med. Claudia de Rossi, Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin, ehemalige Ärztin des ehem. Hirslanden Praxiszentrum am Bahnhof, Schaffhausen (seit 2020 Medbase Schaffhausen)