Von der autosomal-dominanten polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD), genannt «Zystennieren», sind in der Schweiz etwa 10‘000 Patienten betroffen. Ihre Nieren bilden laufend Zysten, die durch ihr Wachstum das normale Nierengewebe verdrängen und zu einem Nierenversagen führen. Bisher konnte die Krankheit nicht geheilt werden, es gibt jedoch ab diesem Jahr eine vielversprechende medikamentöse Therapie. Prof. Dr. med. Andreas Serra, MPH, leitet das Medizinische Kompetenzzentrum für ADPKD «Suisse ADPKD» und ist Chefarzt des Instituts für Allgemeine Innere Medizin und Nephrologie an der Klinik Hirslanden und ein ausgewiesener Experte für ADPKD. Im Interview gibt er uns eine kurze Übersicht über ADPKD und die neue Therapiemöglichkeit.

Herr Prof. Dr. Serra, was ist ADPKD genau?

Prof. Dr. med. Andreas Serra: Die autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (englisch autosomal dominant polycystic kidney disease: ADPKD) ist eine vererbbare Erkrankung, welche durch die Entwicklung von einer Vielzahl von Zysten in beiden Nieren gekennzeichnet ist. Diese Zysten wachsen so lange weiter, bis die Funktion der Nieren eingeschränkt oder sogar verunmöglicht wird. Die Patienten sind dann auf die Dialyse oder sogar eine Nierentransplantation angewiesen.

Wie äussert sich die Erkrankung?

Prof. Dr. med. Andreas Serra: Das Wachstum der Nierenzysten beginnt bereits im Mutterleib und setzt sich bis ins mittlere Erwachsenenalter laufend fort. Trotzdem bleibt ADPKD oftmals für Jahre unerkannt, weil die Erkrankung lange symptomlos bleibt. Für Nachkommen von ADPKD-Patienten besteht ein grosses Risiko, ebenfalls zu erkranken. Diese Personen werden frühzeitig untersucht, um eine Diagnose zu stellen oder eine Erkrankung ausschliessen zu können.

Wie wird ADPKD erkannt?

Prof. Dr. med. Andreas Serra: Wenn bereits Fälle in der Familie vorgekommen sind, reicht eine einfache Ultraschalluntersuchung, um eine Diagnose stellen zu können. Mit der Entwicklung der neuen Behandlungsmöglichkeit ist es wichtig geworden, die Erkrankung frühzeitig zu diagnostizieren. Die Suisse ADPKD bietet deshalb Ultraschalluntersuchungen für Angehörige aus Familien mit bekannter Zystennierenerkrankung an. Die Untersuchung ist kostenlos, führt zu keiner Meldung an die Krankenkasse und wird auf Wunsch anonym durchgeführt. Wer von der Erkrankung betroffen ist, hat die Möglichkeit, an klinischen Studien teilzunehmen.

Wie sehen die Therapiemöglichkeiten aus?

Prof. Dr. med. Andreas Serra: Mit dem Wirkstoff Tolvaptan steht ab Herbst 2016 eine wirksame Therapie für ADPKD zur Verfügung. Tolvaptan verlangsamt das Zystenwachstum um 50%. So kann bei frühzeitiger Diagnose und Therapiebeginn die Notwendigkeit für eine Dialyse um Jahrzehnte verzögert werden. Eine sorgfältige individuelle Beratung und Begleitung ist entscheidend. Ein wichtiger Teil der Therapie für Zystennierenpatienten dreht sich auch um die Begleiterscheinungen der Krankheit: Hoher Blutdruck, Leberzysten, Infektionen und Zystenblutungen müssen ebenfalls adäquat behandelt werden, um eine möglichst hohe Lebensqualität zu erhalten.

Welche Rolle spielt Suisse ADPKD als Netzwerk von Spezialisten für die Erkrankung?

Prof. Dr. med. Andreas Serra: Seit 10 Jahren kümmert sich die Suisse ADPKD spezifisch um die Bedürfnisse von Patienten und deren Angehörigen, welche von ADPKD betroffen sind. Die Suisse ADPKD sammelt die Erfahrung von über 2000 ADPKD-Konsultationen seit 2006 in einer seiner sogenannten «Kohorte». Die Dienstleistungen sind: Diagnose, Beratung von Betroffenen und ihren Angehörigen, Behandlung der Krankheit und deren Komplikationen. Das Netzwerk von Spezialisten (Nephrologie, Radiologie, Urologie, Neuroradiologie, Gynäkologie und weitere) bietet den Patienten in Zusammenarbeit mit ihrem behandelnden Nephrologen und Hausarzt eine auf sie zugeschnittene Diagnostik und Therapie, und das rund um die Uhr.

Besten Dank für das aufschlussreiche Interview.

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