Der Clusterkopfschmerz ist wohl die grauenvollste Kopfschmerzerkrankung überhaupt. Nicht von ungefähr wird er auch als „Suizid-Kopfschmerz“ bezeichnet. Die Kopfschmerzen sind so heftig, dass schon Betroffene ihrem Leben ein Ende gesetzt haben. In der Schweiz leiden rund 5’000 Personen an dieser Form von Kopfschmerzen. Miroslav Vukomanovic ist einer davon.
„Ich erinnere mich noch genau an den Tag meiner ersten Attacke zurück“, erzählt Miroslav Vukomanovic. „Es war kurz nach meinem 16ten Geburtstag. Ich befand mich gerade auf dem Flur des Kinder- und Jugendheims, indem ich damals wohnte, als mich aus heiterem Himmel ein Schmerz überkam, den ich bis heute kaum in Worte fassen kann. Es fühlte sich an, wie wenn ein glühend heisser Eispickel versuchen würde, sich vom Nacken her durch mein Gehirn zu bohren und mein rechtes Auge auszustechen. Meine Nase lief, mein rechtes Auge wurde rot und mein Augenlid schwoll an. Ich verlor innert kürzester Zeit das Bewusstsein – eine Reaktion meines Körpers auf die extremen Schmerzen“.
Bis zu 20 Attacken pro Tag
Nach dieser ersten Cluster-Attacke folgten drei Jahre, in denen der heute 38-Jährige jährlich von ein bis zwei Anfällen heimgesucht wurde. Danach wurde der Clusterkopfschmerz chronisch, d.h. praktisch täglich. Seither reisst ihn der Schmerz jede Nacht pünktlich um halb drei aus dem Schlaf, ohne Ausnahme, und dies seit 20 Jahren. Über den Tag folgen in unberechenbaren Abständen weitere Anfälle, was gemäss Dr. Reto Agosti, Gründer und Chefarzt des Kopfwehzentrums Hirslanden Zürich, typisch für den Clusterkopfschmerz ist.
„Am schlimmsten ist es jeweils von Februar bis Ende September“, sagt Miroslav Vukomanovic. „In dieser Zeit erleide ich bis zu zwanzig Attacken pro Tag. Danach reduzieren sich die Anfälle wieder auf die üblichen drei bis fünf pro Tag“. Kommt ein Anfall, nützt nur noch das Spritzen eines Medikamentes direkt in den Oberarm und das Aufsetzten einer Sauerstoffmaske. „Dadurch kann die Anfallsdauer, die unbehandelt zwischen 15 und 90 Minuten dauert, auf wenige Minuten reduziert werden“, weiss Dr. Agosti. Was bleibt, ist die Häufigkeit der Anfälle. Kaum ist die Spritze gesetzt, beginnt für Vukomanovic jedes Mal aufs Neue das bange Warten, ob das Medikament auch nach all den Jahren noch wirkt. „Ich zähle dann jeweils innerlich mehrmals von eins bis sieben und bete ‚Bitte, bitte, bitte hilf mir‘“, erzählt Vukomanovic angsterfüllt. „Denn sollte das Medikament eines Tages nichts mehr nützen, weiss ich nicht, wie ich diese Anfälle durchstehen soll.“
Sauerstoff und erlösende Spritzen
Bis Miroslav Vukomanovic 2002 zu Dr. Agosti überwiesen wurde und zum ersten Mal überhaupt die Diagnose Clusterkopfschmerzen gestellt bekam, vergingen neun lange Jahre, in denen er von verschiedenen Ärzten mit Medikamenten gegen Migräne und Epilepsie behandelt wurde. „In dieser Zeit schlug ich mir während der Anfälle jeweils den Kopf gegen die Wand oder ritzte meine Arme auf. Denn der Schmerz, den das Gehirn dabei registrierte, war erträglicher als der Clusterkopfschmerz“, so der 38-Jährige.
Bei Dr. Agosti wurde Vukomanovic dann mit Sauerstoff behandelt. „Denn bei rund 20 Prozent der Patienten gehen die Schmerzen zurück, wenn sie während einer Attacke reinen Sauerstoff inhalieren“, erklärt der Kopfwehspezialist. So auch bei Miroslav Vukomanovic. Doch irgendwann hörte die Therapie mit reinem Sauerstoff einfach auf zu nützen und dies von einem Tag auf den anderen. „Als mir Dr. Agosti 2003 dann zum ersten Mal ein Medikament verschrieb, das ich mir selber per Spritze verabreichen konnte, war das für mich wie eine Erlösung und gab mir ein kleines Stück Lebensqualität zurück“, erzählt der 38-Jährige. „Zum ersten Mal seit Jahren konnte ich meine Wohnung wieder verlassen, am Rhein spazieren gehen oder kleine Einkäufe erledigen.“ Immer mit dabei seine Spritzen. Verabreicht wird dabei ein Medikament aus der Arzneimittelgruppe der Triptane. „Triptane sind sieben ähnliche Medikamente, die präzise gegen Migräne entwickelt worden sind vor rund 30 Jahren. Sie wirken auch gegen Clusterkopfschmerz, wobei die selbstapplizierte Sumatriptan-Spritze die bevorzugte Behandlung gegen die Cluster-Attacken ist“, erklärt Dr. Agosti.
Histaminhaltige Lebensmittel, Alkohol, Parfüm und Metall als Auslöser
Was der Grund für seine Clusterkopfschmerzen sind, weiss der 38-Jährige nicht. „Vielleicht traumatische Erlebnisse in meiner Kindheit und meiner Jugend oder vielleicht auch ein Zeckenbiss in den Ferien in Kroatien“, sagt Vukomanovic. „Doch eigentlich ist es müssig, darüber nachzudenken, denn es ist, wie es ist“, meint er. Vielmehr weiss Miroslav Vukomanovic heute genau, was bei ihm Clusterkopfschmerzen auslösen kann: „Besonders schlimm ist das Essen von histaminhaltigen Nahrungsmitteln wie Tomaten oder Zitrusfrüchten, aber auch der Geruch von Parfüm, Metall oder Nikotin führt zwangsläufig zu Attacken“, erzählt er. Trinkt er ein Bier, erleidet er innerhalb von 15 Minuten einen Cluster-Anfall. Dies bestätigt auch Dr. Agosti: „Ein sicherer Auslöser für Cluster-Attacken ist Alkohol und insbesondere das Bier, aber nur in den sogenannten Cluster-Phasen, in denen die Anfälle gehäuft auftreten. Dies ist meistens im Frühling der Fall.“
„Ich habe alles verloren, was man verlieren kann“
Die Krankheit hat Miroslav Vukomanovic alles genommen, was man einem Menschen nehmen kann. Sein Haus, seinen gut bezahlten Job, seinen Fahrausweis. „Doch noch viel schlimmer als der materielle Verlust ist der Verlust der sozialen Kontakte“, sagt der Familienvater. „Ausser zu meiner Familie und meinem Trauzeugen habe ich keine Kontakte mehr. Denn nachdem meine Kollegen einen Anfall miterleben mussten, wollten sie nichts mehr mit mir zu tun haben. Plötzlich hatten sie keine Zeit mehr. So erschreckend und angsteinflössend ist der Anblick einer Cluster-Attacke. Die Leute denken dann immer, dass ich sterbe“, erzählt Vukomanovic. Dies war auch der Grund dafür, dass er seine letzte Arbeitsstelle in einer Bibliothek verloren hatte. „Nachdem die Bibliotheksmitarbeitenden dreimal einen Cluster-Anfall von mir miterleben mussten, wollten sie nicht, dass ich wiederkomme“, meint er bedrückt.
Seither verbringt er den Tag im Internet. Er ist in verschiedenen Clusterkopfweh-Foren aktiv und versucht, den Betroffenen zu helfen, wo er nur kann. „Mittlerweise bin ich fast ein bisschen ein „Guru“ auf diesem Gebiet geworden. Täglich muss ich bis 100 E-Mail-Anfragen von Betroffenen beantworten“, so der 38-Jährige. Doch dies tröstet ihn nicht über sein schweres Schicksal hinweg. Schon lange hat er die Lust am Leben verloren, leidet unter Depressionen. Das einzige, was ihn noch am Leben hält, sind seine Frau und seine Kinder. „Es ist frustrierend, dass man diese Krankheit nicht heilen, sondern nur die Anfälle behandeln und irgendwie erträglich machen kann. Ich hoffe, dass die Medikamente noch lange wirken. Und ich bin froh, einen Arzt gefunden zu haben, der mich in all der Hoffnungslosigkeit therapeutisch begleitet.“
Der ClusterkopfschmerzDer Clusterkopfschmerz gehört zu den schwersten Kopfschmerzerkrankungen überhaupt und trifft häufiger Männer und Knaben im Alter von 25 bis 65 Jahren. Der Clusterkopfschmerz tritt typischerweise nur immer in derselben Gesichtshälfte auf, im Bereich der Augen, der Stirn und der Schläfe, manchmal geht der Schmerz aber auch bis zum Hals oder dem Nacken. Es gibt kaum einen schlimmeren Schmerz. Die Schmerzen werden von mindestens einem der folgenden Symptome begleitet: rotes Auge, Tränenbildung, verstopfte Nase, Nasenlaufen, geschwollenes Augenlid oder vermehrtes Schwitzen auf dem Gesicht. Die Schmerz-Attacken dauern zwischen 15 und 180 Minuten und treten periodisch gehäuft auf. Man spricht daher von einem Cluster. Denn Cluster bedeute auf Englisch „Häufung“. Zwischen diesen Cluster-Phasen sind viele Betroffene kopfschmerzfrei – und können auch problemlos ein Bier trinken, was während einer Cluster-Phase ein sicherer Auslöser für einen Anfall wäre. Nützliche Links zum Thema Clusterkopfschmerz
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Autorin: Lic. phil. Barblina Roth, Kopfwehzentrum Hirslanden Zürich
Grüezi
Ein unheimlich wertvoller Artikel. Kein Mensch kann sich vorstellen wie grauenhaft schmerzvoll diese Attacken sind. Wer das nicht selber erlebt hat, kann sich keine Vorstellung davon machen. Es ist der Tsunami unter den Schmerzen und macht einen physisch wie psychisch kaputt. Suizidmigräne könnte kein passenderer Begriff sein!
Hallo Leute,
ich selber leide Gott sei Dank nicht an den Clusterkopfschmerzen. Ein Arbeitskollege von mir leidet aber unter diesen Schmerzen und hat mich auf diese Seite aufmerksam gemacht. Ich erlebe jeden Tag wie mein Kollege sich quält. Finde es sehr interessant und hoffe für alle das es bessere Heilmittel geben wird.
Er soll sich unbedingt von Dr. Novak HNO und Gesichtschirurg operieren lassen. Ich habe seit meiner OP keine Attacke mehr gehabt.
LG
Der ist in Luzern und Spezialist für Cluster.
Liebe Bettina
Darf ich fragen, was Sie für eine OP haben machen lassen. Mein Partner ist auch betroffen und ich bin verzweifelt auf der Suche nach etwas, was ihm hilft ausser Sauerstoff.
Grüessli
Daniela
Ich hab morgen bei dr.Novak einen Termin.
Kann ich mit Ihnen kurz sprechen, falls es nichts ausmacht.
079 233 06 04
Freundliche Grüsse
Göktas Cihan
Liebe Bettina
Ich leide seit 10 Jahren an Clusterkofpschmerzen. Medikamente zur Prophylaxe bringen nur bedingt Linderung. Mir wurden im März 2020 Neurostimulatoren in den Kopf implantiert. Leider auch nur mit mässigem Erfolg. Ich bin ratlos. Ich habe deinen Kommentar gelesen und wäre froh, wenn ich bezüglich dem Spezialisten und OP Informationen von dir bekommen könnte.
Vielen Dank und liebe Grüsse
Anna
Ich habe heute einen guten Freund verloren, der seinem Leben ein Ende gesetzt hat. Ich kann es noch immer nicht fassen.
Ich werde in Zukunft alles daran setzen um möglichst vielen Menschen zu helfen.
Sehr geehrter Patrik
Wir bedauern Ihren Verlust. Es freut uns aber, dass Sie sich mit dem Thema aktiv beschäftigen und den Menschen helfen wollen.
Wir wünschen Ihnen alles Gute.
Freundliche Grüsse
Ihr Hirslanden Social Media-Team
Es ist für mich frustrierend. Im Moment erlebe ich sehr herbe Attacken. Ich hatte 3 Jahre ruhe aber ietzt innerhalb 3 Wochen ist Meine Lebens Qualität auf ein Minimum reduziert. Zirka alle 3 bis 4 Std es ist wie ein warten auf den nächsten SCHUB habe bald keine Lust mehr. Gute Gesundheit allen…
Sehr geehrter Herr Ruckli
Danke für Ihren Kommentar.
Das bedauern wir sehr und hoffen, dass es Ihnen bald besser geht.
Wir wünschen Ihnen alles Gute.
Freundliche Grüsse
Ihr Hirslanden Social Media-Team
Auch ich gehöre zu denen mit dem Cluster Kopfschmerz. Habe diesen aber erst ca vor 10 Jahren kennen gelernt. Was früher bei mir Migräne war ist heute Cluster. Seit dieser zeit hatte ich nie mehr Migräne, aber wünschte mir diesen zurück, da er viel erträglicher ist. Normal hatte ich diese Schmerzen immer Januar bis März. Jetzt zum ersten mal im Juli. Sauerstoff hilft zur Zeit noch, Gott sei Dank. Aber wie lange noch? Auch andere Medis wirkten immer am Anfang. Es ist für alle die dies nicht kennen, nicht vorstellbar wie es ist, Angst zu haben schlafen zu gehen, weil du genau weisst dass du ca alle 1.5-3 Stunden mit unglaublichen Schmerzen erwachst. Da hat man keine Lust mehr schlafen zu gehen.
Aber das was oben Bettina schon mal geschrieben hat, was kann man den da Operieren und wie hoch sind die Erfolge?
Gruss
Marcel