Bis 2018 lebte Giuseppe Caporaso (1967) beschwerdefrei. In den Sommerferien litt er jedoch plötzlich unter starken Bauchkrämpfen. Beunruhigt suchte er nach der Rückkehr seinen Hausarzt auf, der mehrere Abklärungen durchführte und auch eine Darmspiegelung veranlasste. Der Befund: Mastdarmkrebs.
Herr Caporaso, was hat die Diagnose bei Ihnen ausgelöst?
Das war eine schwierige Situation, zumal in dieser Zeit bei meinem Vater Prostatakrebs diagnostiziert wurde und ich gerade in einer Trennung war. Ich dachte vor allem an meine Kinder, die ich über alles liebe, und dass es nicht passieren darf, dass sie ohne Papi dastehen. Diese Situation musste ich verarbeiten, und das ist nicht einfach. Ich hatte aber das Glück, dass ich auf einige Menschen an meiner Seite zählen konnte, die mir halfen, das alles durchzustehen.
Was ist nach der Diagnose geschehen?
Der Mastdarmkrebs war bereits fortgeschritten. Das heisst, man konnte nicht einfach operieren, sondern musste mit Bestrahlung und Chemotherapie vorbehandeln, damit der Tumor schrumpft und man anschliessend gut operieren konnte. Die Operation verlief dann zum Glück gut.
Prof. Dr. Schöb, können Sie erläutern, wo dann die Probleme begannen?
Operiert wurde Herr Caporaso anfangs an einem auswärtigen Spital, nicht bei uns. Der Patient bekam einen künstlichen Darmausgang, damit seine Wunden gut heilen konnten. Aufgrund der Bestrahlung, der Chemotherapie und der Operation bestand ein Risiko für Wundheilungsstörungen. So weit, so gut. Als man dann aber diesen Schutzausgang zurückverlegt hat, hat das nicht funktioniert. Man hat bei der Nachuntersuchung nicht realisiert, dass sich eine Verbindung zwischen Blase und Dickdarm gebildet hat. Offenbar war das Gewebe verletzt und hat einen Weg gefunden, sich zu verbinden. Dabei entstand ein sogenannter Fistelgang.
Was bedeutet das?
Wenn Fisteln entstehen, kann das Gewebe nicht spontan verheilen. Es gibt dann nur zwei Möglichkeiten: Entweder kann die Verbindung nicht mehr getrennt werden, weil es technisch zu schwierig ist, oder es wird versucht, die Verbindung chirurgisch zu unterbrechen. Bei Herr Caporaso ging man davon aus, dass der Fistelgang nicht mehr entfernt werden kann. Dennoch kam der behandelnde Urologe auf uns zu und fragte uns, ob man da nicht doch noch etwas machen könne. Das hat dann nochmals eine Kette von diagnostischen Untersuchen ausgelöst. Wir wollten genau wissen, wo sich der Fistelgang befindet. Wir kamen zum Schluss, dass eine Operation mit dem Da Vinci-Operationssysteme gelingen könnte. Bei dieser sogenannten Schlüssellochchirurgie überträgt ein Operationsroboter die Handbewegungen des Operateurs auf Instrumente, die durch kleine Schnitte im Bauch des Patienten platziert werden. Der Operateur kontrolliert die Bewegungen der Instrumente über eine dreidimensionale Videodarstellung mit bis zu zehnfacher Vergrösserung, was zu sicheren Operationsresultaten bei hoher Präzision führt. Wir haben Herr Caporaso dazu ermutigt, das zu probieren, da wir hohe Erfolgschancen in dem Eingriff sahen. Er hat sofort zugestimmt, da er sich natürlich gewünscht hat, dass der Darmausgang eines Tages wieder auf seine natürliche Weise funktioniert.
Ist Ihnen diese anspruchsvolle Operation gelungen?
Teilweise. Ich konnte den Fistelgang zwar durchtrennen, aber die Fistel ist nicht verheilt. Wir wussten: Wenn wir es nochmals probieren, müssen wir die Blase freilegen sowie die beiden Eingänge von Mastdarm und Blase separat vernähen und ein trennendes Element dazwischen legen, um ein erneutes Zusammenwachsen zu verhindern. Das haben wir dann in einer offenen Operation gemeinsam mit dem Urologen gemacht. Die Verbindungen an Darm und Blase konnten wir komplett herausschneiden. Damit gegenüber der Blasenwand kein Darmstück mit Vernarbungen liegt, haben wir den Darm weiter heruntergezogen und unten an den Anus genäht. So war ein intakter Darm ohne Narben und Verletzungen vorhanden, womit man das Risiko von neuen Fistelbildungen stark minimieren konnte. Eine technisch anspruchsvolle und aufwändige individuelle Lösung für den Patienten.
Können Sie sagen, wie es nun weitergeht?
Es ist erst kurze Zeit vergangen, seitdem der Stuhl wieder über den natürlichen Darmausgang abgeführt wird. Bis der Darm seine neurologische Funktionalität zu weiten Teilen regeneriert, braucht es noch etwas Zeit. Wir rechnen damit, dass Herr Caporaso in rund sechs Monaten nochmals eine deutliche Verbesserung seiner Darmfunktionalität und damit auch Lebensqualität verspürt.
Herr Caporaso, was hätten Sie rückblickend anders gemacht?
Rückblickend hätte ich mich schon früher mit dem Thema Vorsorge zu Darmkrebs befasst. Ich möchte gerne allen ans Herz legen: Prävention ist wichtig. Mit 50 Jahren sollte man sich erstmals einer Darmspiegelung unterziehen. Und wenn Darmkrebs in der Familie ein Thema ist, sollte man schon früher zur Untersuchung gehen. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt darüber. Wäre ich früher gegangen, hätte ich meinen schweren Krankheitsverlauf vielleicht verhindern können. Ich bin überglücklich, dass ich eine neue Chance erhalten habe, einen normalen Tagesablauf zu haben. Auch wenn dies zurzeit entsprechend schrittweise geschieht und mit entsprechenden Herausforderungen verbunden ist. Abschliessend bedanke ich mich bei meinem Urologen Dr. med. Urs Bangerter, der mir aufgezeigt hat, dass Zweitmeinungen wichtig sind. Insbesondere dann, wenn Situationen aussichtslos scheinen oder die Aussage «Da kann man nichts mehr machen.» im Raum steht. Dank Prof. Dr. med. Schöb als Topchirurg und meinem Urologen als ausgewiesener Fachspezialist konnte eine Trendwende vollbracht werden.