Plattfüsse sind nicht nur ein Schönheitsmakel – ein abgesenktes Fussgewölbe kann bei Betroffenen auch Beschwerden verursachen. In einigen Fällen muss ein Plattfuss operativ korrigiert werden. Dr. med. Marc Merian, Belegarzt an der Hirslanden Klinik Birshof, hat eine neue zuverlässige Messtechnik entwickelt, welche die Behandlung von Plattfüssen verbessert.
Herr Dr. Merian, was versteht man unter einem Plattfuss?
Dr. med. Marc Merian: Der Plattfuss ist eine Fussfehlstellung, bei der das Fusslängsgewölbe abgesenkt ist. Diese Absenkung kann so ausgeprägt sein, dass die gesamte Fusssohle Kontakt mit dem Boden hat. Die Absenkung des Fusslängsgewölbes ist das einzige Merkmal, welches alle Plattfüsse gemeinsam haben. Dazu gibt es viele Ursachen mit unterschiedlichen Ausprägungen und Formen.
Was sind denn die Ursachen eines Plattfusses?
Dr. med. Marc Merian: Die Liste der Ursachen ist lang und beginnt bei Plattfüssen, welche schon seit Geburt bestehen bis zu Plattfüssen, die erst im Erwachsenenalter auftreten. Es können alle stützenden Strukturen des Fusslängsgewölbes, Knochen, die Gelenke, die Bänder sowie Sehnen betroffen sein. Jedoch erwies eine von mir und Dr. med. Achim Kaim durchgeführte und international veröffentlichte Studie, basierend auf einer neu entwickelten Messtechnik für Plattfüsse, dass alle Plattfüsse eine gemeinsame mechanische Abnormalität aufweisen.
Und die wäre?
Dr. med. Marc Merian: Der menschliche Fuss verfügt über ein kräftiges Band, welches das Fussgewölbe stützt. Dieses Band verläuft wie bei einem Fachwerk entlang der Fusssohle unter dem knöchernen Bogen des Fusslängsgewölbes. Alle Plattfüsse haben gemeinsam, dass dieses Fachwerk in seiner Funktion gestört ist. Oft verläuft dieses Band bei Plattfüssen nicht unter, sondern neben dem knöchernen Bogen und kann deshalb das Fusslängsgewölbe nicht stützen.
Ein Plattfuss ist nicht nur ein Schönheitsmakel – wann wird ein Plattfuss zu einem medizinischen Problem?
Dr. med. Marc Merian: Viele Plattfüsse verursachen keinerlei Beschwerden und verändern sich über die Zeit nicht in ihrer Form. Zwar besteht eine Fehlbelastung, häufig können die Bänder und Sehnen diese fehlerhafte Fusstellung aber ausreichend kompensieren. Kann eine dieser Strukturen diese Mehrarbeit nicht mehr wahrnehmen, nimmt die fehlerhafte Belastung auf die anderen stützenden Strukturen zu. Dies wiederum kann zu einer Überlastung führen, die eine zunehmende Absenkung des Fussgewölbes und das Auftreten von Beschwerden mit sich bringt. Deswegen sind die Warnsignale für ein medizinisch relevantes Problem eine Zunahme der Fehlstellung und das Auftreten von Beschwerden.
Wie werden Plattfüsse behandelt?
Dr. med. Marc Merian: Die zuvor erwähnte Überlastung der stützenden Strukturen wird korrigiert. Dies kann oft im Rahmen einer konservativen Behandlung erfolgen, indem mit Einlagen und durch gezieltes Training der Fussmuskeln die stützenden Strukturen des Fusslängsgewölbes entlastet werden und diese sich somit erholen. Der Plattfuss mit der daraus folgenden Fehlbelastung wird dadurch aber nicht korrigiert. Nur eine Operation kann die Fehlstellung und somit die Fehlbelastung endgültig korrigieren.
In welchen Fällen sollte ein Plattfuss operiert werden?
Dr. med. Marc Merian: Bei ausgeprägten Fehlstellungen empfehle ich den Betroffenen meist eine Operation, da die Erfahrungen zeigen, dass in diesen Fällen die konservativen Massnahmen nicht ausreichen. Bei leichteren Fällen werden zuerst die konservativen Behandlungsansätze angewendet. Wenn diese nicht erfolgreich sind, wird eine operative Korrektur des Plattfusses durchgeführt. Oft schätzen die Patienten die Gewissheit, alle nicht-operativen Möglichkeiten zur Behandlung des Plattfusses vor der Operation ausgeschöpft zu haben.
Herr Dr. Merian, nun haben Sie eine zuverlässige Messung zur Erkennung von Plattfüssen entwickelt – können Sie diese Erfindung ausführen?
Dr. med. Marc Merian: Es handelt sich hierbei um eine Röntgenmessung, bei der ich einen Parameter definiert habe, der aussagt, bei welchen Werten es sich um einen Plattfuss handelt und bei welchen Werten es eben kein Plattfuss ist. Selbstverständlich gab es in der Vergangenheit bereits zahlreiche Messungen auf Röntgenbildern. Allerdings existierten bis zu meiner Vermessung keine zuverlässigen Messwerte zur Bestätigung oder zum Ausschluss eines Plattfusses. Die Definition des eindeutigen Schwellenwerts macht meine Messung so hilfreich. Die Röntgenmessung basiert auf der Annahme, dass das zuvor erwähnte kräftige Band entlang der Fussohle bei Füssen ohne Plattfuss-Fehlstellung unter dem knöchernen Gewölbe liegen und bei Plattfüssen nach aussen auf die Kleinzehenseite abgerutscht ist. Diese Annahme hat sich bei der von mir und Dr. med. Achim Kaim durchgeführten Studie über Plattfüsse bestätigt.
Warum war es denn so schwierig, Plattfüsse zu diagnostizieren?
Dr. med. Marc Merian: Es gibt sehr viele unterschiedliche Ursachen und Formen von Plattfüssen. Deshalb hat eine international anerkannte Expertengruppe letztes Jahr eine neue Klassifikation zur Gruppierung der unterschiedlichen Formen und Ursachen mit Behandlungsempfehlungen veröffentlicht. Diese Empfehlungen beruhten auf der Expertise der Beteiligten, konnten aber nicht wissenschaftlich fundiert bestätigt werden. Der fehlende Schwellenwert hat es in der Vergangenheit schwierig gemacht, denn wie kann man eine Empfehlung über die Diagnose und Behandlung von Plattfüssen vermitteln, wenn der Plattfuss zuvor nicht objektiv gemessen wurde? Es war somit nicht möglich, objektiv zu beurteilen, ob eine operative Korrektur eines Plattfusses erfolgreich war oder nicht. Damit ist nun Schluss: Heute können wir objektiv messen, wie gut eine Korrektur ist.
Wie profitieren Patientinnen und Patienten von ihrer Erfindung?
Dr. med. Marc Merian: Der direkte Nutzen besteht darin, dass der Facharzt neu bereits während einer Operation überprüfen kann, ob die optimale Korrektur erreicht wurde, denn ein weiterer bedeutender Vorteil dieser Messmethode ist, dass diese auch während einer Operation angewandt werden kann. Wir stehen mit der Messung jedoch noch am Anfang. So ist noch nicht abschliessend geklärt, ob die während einer Operation vorgenommene Messung auch dem Endergebnis entspricht. Denn: Während des Röntgens auf dem Operationstisch ist nie das gesamte Gewicht der Patientin oder des Patienten auf den Füssen; es wird durch Herunterdrücken des Fusses lediglich simuliert. Dieser Unterschied muss während der Operation berücksichtigt werden. Ein weiterer Nutzen der neuen Messung ist das dazugewonnene Verständnis für das Krankheitsbild Plattfüsse. Wir verstehen nun besser, auf welche Strukturen wir bei der Korrektur eines Plattfusses achten sollten. So bestimmen wir in Zukunft den Einfluss einzelner Operationstechniken auf die Korrektur der Plattfüsse. Damit können wir unseren Patientinnen und Patienten künftig massgeschneiderte und somit noch bessere Behandlungen anbieten.
Plattfüsse – kurz erklärtBei Plattfüssen ist das Fussgewölbe abgesenkt. Ursachen für Plattfüsse sind sehr vielfältig, jedoch haben alle eine Abnormalität gemeinsam: Ein stabilisierendes, entlang der Fussohle verlaufendes Band kann seine stützende Funktion nicht vollständig wahrnehmen und es kommt zur Fehlbelastung. Wird das Fussgewölbe falsch belastet, können Einlagen das Fussgewölbe stützen und somit den Fuss entlasten. Ein chirurgischer Eingriff wird bei stark ausgeprägten Plattfüssen oder bei Plattfüssen, bei denen eine konservative Behandlung nicht ausreicht, vorgenommen.
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