Steigende Anforderungen auf der einen, Fachkräftemangel auf der anderen Seite: Um diese Herausforderungen zu meistern, fördert die Hirslanden-Gruppe klinikübergreifend die fachliche Karriereentwicklung und neue Rollen wie die Nurse Practitioner.

Aufgrund der Veränderungen in der Gesellschaft, der Spitallandschaft und der politischen und ökonomischen Anforderungen setzen sich die Spitäler mit verschiedenen Herausforderungen auseinander. Die Patientensituationen werden komplexer, die Behandlungen sollen verkürzt oder ambulantisiert werden – bei gleichbleibend hoher Qualität. Auf der anderen Seite fehlt qualifiziertes
Personal, sowohl im pflegerischen als auch im ärztlichen Bereich.

Im Bereich der Pflege hat die Hirslanden-Gruppe einzelne Projekte umgesetzt, um die Attraktivität des Berufs zu fördern. Ein Karriere-Modell zeigt die APN bei einer ihrer Kerntätigkeiten während der präoperativen Sprechstunde im ambulanten Setting. Laufbahn einer regulär tätigen Pflegenden
bis hin zur Klinikdirektion, bisher vorwiegend die Management- und Bildungskarriere.
Nun soll auch die fachliche Karriere sichtbarer werden, zumal das Bewusstsein steigt, dass die Pflege mit erweiterten klinischen Kompetenzen einen Mehrwert auf dem gesamten «Continuum of Care» bieten  kann.

Durch die Vielfalt des Bildungsangebots ist die Übersicht und ein klares Verständnis für die unterschiedlichen Fachspezialisierungen in der Pflege eine Herausforderung, gerade auch für Entscheidungsträger*innen. Innerhalb der 17 Kliniken der Hirslanden-Gruppe sind deshalb auch verschiedene Auslegungen von Berufsrollen und Funktionen entstanden, obwohl einheitliche Strukturen und Prozesse weitgehend gelebt werden. Das zeigt, dass der Bedarf der Kliniken an Pflegefachpersonen mit erweiterten klinischen Kompetenzen vorhanden ist. Einzelne Pionierprojekte zeigen bereits sehr  positive Ergebnisse, wie z. B. eine erhöhte Zufriedenheit der Patient*innen.

Gemeinsames Verständnis nötig

Aufgrund der genannten Herausforderungen war es an der Zeit, die Rollen im Bereich Pflege zu  konzeptualisieren, um ein gemeinsames Verständnis zu schaffen und den Kliniken eine Arbeitsgrundlage zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig ist es ein Bekenntnis zur Förderung der Fachentwicklung.

Zunächst wurde eine IST-Analyse durchgeführt. In klinikübergreifenden Netzwerken haben wir den  Pflegedienstleitungen und den Pflegeexpert*innen unser Anliegen dargelegt und den Stand in den Kliniken besprochen. In den Kliniken bestehen im Rahmen der Fachentwicklung die Rollen der Pflegefachverantwortlichen und der Pflegeexpert*innen. Zudem gibt es in einzelnen Kliniken etablierte  Rollen von Pflegefachpersonen mit erweiterten klinischen Kompetenzen, die aus den genannten  Pionierprojekten hervorgingen. Gleichzeitig haben wir die Zusammenarbeit mit den Fachhochschulen verstärkt. Als massgeblicher Schritt ist hier die Aufnahme bzw. Begleitung von Nurse Practitioner (NP) Studierenden zu nennen. Seit 2019 beteiligen sich immer mehr Kliniken an diesem Projekt. Begleitet wird es mit einem regelmässigen Erfahrungsaustausch der Mitwirkenden.

Die ärztlichen Supervidierenden, die Pflegedienstleitenden, aber auch Human Resources (HR) und Business Development berichten hier durchwegs positiv. Regelmässig sind auch Mitglieder der Konzernleitung involviert, was den Best-Practice-Ansatz und das gemeinsame Visionieren und schrittweise Heranführen an eine mögliche Implementierung fördert.

Differenzierung zwischen Rollen

Bei der Konzeptualisierung wird der partizipative, evidenzbasierte und patientenfokussierte Prozess zur Entwicklung, Implementierung und Evaluation von Advanced Practice Nursing (PEPPA-Framework, vgl. Bryant-Lukosius & Di-Censo, 2004) beschrieben. Die Rollen müssen am settingspezifischen Bedarf ausgerichtet sein. Im Konzept wird deshalb keine klinikübergreifende, detaillierte Auslegung der Rollen dargelegt. Es beinhaltet jedoch die Aufstellung der verschiedenen Rollen und die erforderlichen Kompetenzniveaus. Für eine gemeinsame Herangehensweise ist es wichtig, auch strukturelle Aspekte aus dem HR-Bereich zu klären bzw. als Grundlage für ein einheitliches Verständnis darzulegen, etwa bei Jobbezeichnungen, Grading und Stellenbeschreibungen. Grundlage dafür sind die Guidelines des International Council of Nurses (2020). Davon ausgehend werden diese folgendermassen verstanden: Auf Masterstufe gibt es in den Schweiz die beiden Ausprägungen Clinical Nurse Specialist (CNS) und Nurse Practitioner (NP). Die CNS sind  hauptsächlich konzeptionell tätig und haben einen Fokus auf der Pflegeentwicklung. Sie arbeiten mindestens 20 % in der direkten Pflege. Die NP sind klinisch tätig und haben den Fokus auf der Patient*innenbetreuung an der ärztlich-pflegerischen Schnittstelle, indem sie Patient*innen in komplexen Situationen erfassen und begleiten, und entsprechend interprofessionell vernetzt sind. Weitere  Kernkompetenzen sind ethische Entscheidungsfindung, Beratung, Coaching und Aufgaben im Bereich der Pflegeentwicklung. Auf der Qualifikationsstufe eines Certificates of Advanced Studies (CAS) sind die klinischen Fachspezialist*innen angesiedelt. Sie sind klinisch, in der Patient*innenbetreuung und als ärztliche Assistenz tätig. Es wird empfohlen, dass sie zusammen mit einer NP im Team bzw. Tandem arbeiten.

Kommunikation und Austausch

Das Konzept wurde intern in diversen klinikübergreifenden Gremien – auch bei den Klinikdirektor*innen und der Konzernleitung – präsentiert und besprochen. Die Kommunikation auf verschiedenen Kanälen und die Möglichkeit für Austausch haben sich als Erfolgsfaktoren herausgestellt, um das Thema breit einzuführen und Unsicherheiten abzubauen. Bei den Personen, welche diese Pionierrollen in einzelnen Kliniken innehaben, hat sich der Bedarf an einem klinikübergreifenden Austausch verdeutlicht. Dafür wurde ein entsprechendes Netzwerk etabliert.

Praxisbeispiel

Bereits 2013 wurde das Projekt zur Einführung einer NP-Rolle auf der Viszeralchirurgie in einer Berner Hirslanden-Klinik lanciert und ist im klinischen Alltag nun aus der Sicht des Behandlungsteams nicht mehr wegzudenken. Eine NP ist Mitglied des Pflegedienstes und übernimmt Aufgaben in der klinischen Einschätzung und Beurteilung, Diagnosestellung, der Überwachung des Gesundheitszustandes der Patient*innen sowie der optimalen Gestaltung und Überprüfung des Therapie- und Behandlungsplans. Die interprofessionelle Zusammenarbeit mit Operateur*innen, Mediziner*innen, der Pflege und weiteren Professionen ist dabei ein zentraler Aspekt, um die Patient*innensicherheit und -zufriedenheit zu  gewährleisten. Die Einführung dieser Rolle wurde sowohl bei den Partnerärzt*innen wie auch bei der  Pflege und den Patient*innen als grosser Mehrwert wahrgenommen. Um die klinischen und fachlichen Kompetenzen zu erlernen und zu festigen, sowie die NP-Rolle auszubauen, sieht das Konzept im  Behandlungsteam mindestens ein Mitglied mit einem Master of Science in Pflege vor.

In Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule konnten Praktikumsstellen in mehreren Hirslanden-Kliniken gefunden und angeboten werden. Ein Coaching durch die Ärzt*innenschaft ermöglicht es den Studierenden, ihre Fertigkeiten zu verbessern, das medizinisch-diagnostische Denken zu schärfen und so fit zu sein für den Alltag in der Rolle als NP. Die Ausbildung und der Support werden von der Ärzt*innenschaft wie auch den Studierenden als sehr bereichernd angesehen und fördern das Verständnis der noch jungen Rolle auf beiden Seiten.

Grosse Zufriedenheit

Die Konzeptualisierung hat die Bekanntheit der Rollen von Pflegefachpersonen mit erweiterten klinischen Kompetenzen intern gestärkt. Ein Mehrwert dieser Rollen ist sichtbar geworden. Das Potenzial wird entlang des gesamten «Continuum of Care» gesehen. So kann dies prästationär mit einer Sprechstunde oder aber bei Eintritt beginnen und danach die Kontinuität im ärztlich / pflegerischen Bereich unterstützen. Gerade im Setting der Partnerarztkliniken, in denen keine Stationsärzt*innen verfügbar sind, kann eine solche Rolle eine Erstanlaufstelle und rasch verfügbare Unterstützung für die Pflege und die Ärzt*innen sein. Erste Umfragen bei beiden Berufsgruppen verdeutlichen eine hohe Zufriedenheit und eine positive Wahrnehmung auf Seiten der Patient*innen.

Um diese Eindrücke zu festigen, sind weitere Untersuchungen bzw. eine strukturierte Evaluation nötig. In Form von Masterthesen finden aktuell erste Erhebungen statt, die Aufschluss über die bedarfsorientierte Integration geben werden.

Quelle Artikel: Krankenpflege 9/2021

Literaturverzeichnis

  • Bryant-Lukosius D., Dicenso A. (2004), A framework for the introduction and evaluation
    of advanced practice nursing roles. J Adv Nurs. 48(5):530-40. doi: 10.1111/j.1365-2648.2004.03235.x. PMID: 15533091.
  • International Council of Nurses ICN (2020). Guidelines on Advanced Practice Nusing.
    Abgerufen am 12.2.2021 unter https://www.icn.ch/system/files/documents/2020-04/ICN_APN%20Report_EN_WEB.pdf 

 

Weitere Informationen:

Offene Stellen in der Pflege bei Hirslanden

Infos zu Hirslanden als Arbeitgeberin