Die Hirslanden-Gruppe fördert das Jobsharing in Führungspositionen und hat so viele Direktorinnen wie nie. Im grössten medizinischen Netzwerk der Schweiz werden bald 7 von 17 Kliniken von Frauen geführt. In der Klinik Permanence in Bern teilen sich sogar zwei Direktorinnen den Chefsessel. Seit Oktober 2019 führen Dr. Julia Beel und Claudine Jungo gemeinsam eine Klinik.

Als Julia Beel und Claudine Jungo ihren Traumjob angeboten bekamen, war die Überraschung zunächst gross. Sicherlich, die beiden hatten schon vor Jahren gesagt, dass sie sich gerne einmal eine Führungsposition teilen würden. Immer wieder sagten sie Leitungspositionen ab, weil ihnen ein 100-Prozent-Pensum mit kleinen Kindern zu hoch war. Interimsmässig haben die beiden zunächst den Hirslanden Campus Bern geleitet. Doch das war auf fünf Monate befristet. Aber eine Klinik in Co-Leitung zu führen, das gab es bei Hirslanden noch nie und ist auch sonst in der Schweiz eine Seltenheit.

Chancengleichheit und Diversity stehen bei Hirslanden ganz oben auf der Agenda. In den vergangenen Jahren kamen im grössten Kliniknetzwerk der Schweiz immer mehr Frauen in Führungspositionen. Erste Klinikdirektorin wurde Andrea Rütsche. Seit zehn Jahren führt sie die Klinik Stephanshorn in St. Gallen. Auch sie hatte anfangs grossen Respekt. Als ihr die Stelle damals angeboten wurde, bat sie erst einmal um zwei Wochen Bedenkzeit. Ihr Mann brachte es schliesslich auf den Punkt: «Wenn du es nicht versuchst, findest du nie heraus, ob du es kannst.»

Dass sie keine Kinder hat, habe die Sache sicher leichter gemacht, sagt Andrea Rütsche, die mittlerweile auch noch die Klinik Am Rosenberg in Heiden leitet. In Sachen Vereinbarkeit hat sich mittlerweile viel getan und viele Frauen sind Andrea Rütsches Beispiel gefolgt: Beatriz Greuter ist Direktorin der Klinik Birshof bei Basel, Stefanie Ruckstuhl ist seit Februar 2021 Direktorin der Klinik Linde in Biel und Inka Moritz wird ab September 2021 in Lausanne die Kliniken Bois-Cerf und Cecil leiten.

Teilzeitmodelle und Jobsharing als Türöffner

«In vielen Bereichen ist bereits ein gutes Gleichgewicht vorhanden, in den oberen Führungsstufen jedoch noch nicht», sagt Markus Bechtiger, Chief Human Resources Officer bei Hirslanden über Frauen in Führungspositionen. Neben der Nachwuchsförderung seien flexible Arbeitsmodelle ein ganz wichtiger Aspekt. Hirslanden hat die Stellenanzeigen entsprechend verändert. «Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass wir Stellen immer mit 80 bis 100 Prozent ausschreiben. Es hat sich gezeigt, dass wir so mehr Frauen erreichen und für Jobs interessieren können», sagt der Personalchef. 100-Prozent-Stellen seien für Frauen und auch für Männer, die sich um ihre Kinder kümmern wollen, oft nicht ganz so attraktiv. Teilzeitmodelle und Jobsharing könnten dagegen viele Türen öffnen. Die beiden Klinikdirektorinnen Julia Beel und Claudine Jungo seien dafür das beste Beispiel.

Im Personalwesen sind solche Co-Leitungen immer noch ein Novum. Dass sich zwei Menschen einen Chefsessel teilen, ist in vielen Unternehmen nach wie vor undenkbar. Hirslanden hat sie bereits in ganz unterschiedlichen Bereichen. Von der Pflege bis zur Klinikleitung.

Für Julia Beel und Claudine Jungo hat sich das Jobsharing bewährt. Wichtig für das Berner Führungsduo ist, dass man sich blind aufeinander verlassen kann. «Wir feiern gemeinsam die Erfolge und halten beide den Kopf hin, wenn es nicht so gut läuft», sagt Julia Beel. Auch organisatorisch ist einiges zu beachten. Die beiden haben eine gemeinsame E-Mail-Adresse und teilen sich ein Handy. So ist die Klinikleitung praktisch immer erreichbar, obwohl beide nur ein 60-Prozent-Pensum haben. Wichtig sei, dass beide gleich viel verdienen, ganz unabhängig von Berufserfahrung und beruflichem Hintergrund.

Für das Unternehmen sei die Co-Leitung ideal, sagt Julia Beel. «Unser grösster Vorteil ist, dass wichtige Entscheidungen nicht im stillen Kämmerchen getroffen, sondern noch mit jemandem reflektiert werden, der viel Berufserfahrung und einen anderen beruflichen Hintergrund hat.» Claudine Jungo startete ihre berufliche Karriere als Pflegefachfrau und hat dann einen EMBA gemacht. Ihre Tochter Neva ist drei Jahre alt. Julia Beel ist Ärztin, hat einen Masterabschluss in Gesundheitsökonomie und ist Mutter von sechsjährigen Zwillingen.

Nicht nur Karrieresprung, sondern ein gesellschaftlicher Auftrag

Heute sind sie froh, dass sie die Herausforderung damals angenommen haben, auch wenn sie einen grossen Druck gespürt haben. «Wir hatten grossen Respekt vor der Aufgabe, als erstes Team überhaupt gemeinsam eine Klinik zu führen», sagt Claudine Jungo. «Aber wir wollten es ja und haben uns gesagt: Wenn nicht wir, wer dann?» Irgendjemand müsse ja jetzt damit anfangen. «Wir wussten, dass wir super Voraussetzungen haben, diese Co-Leitung im Tandem zu pushen.»

Die gemeinsame Klinikleitung ist für die beiden weniger ein Karrieresprung, sondern ein gesellschaftlicher Auftrag. Beiden war klar, dass sie nicht einfach in der Probezeit gehen konnten. «Wir wollen, dass für unsere Töchter und Söhne Führung in Teilzeit und im Tandem einmal selbstverständlich sein wird und auch Väter eine bessere Work-Life-Balance haben und ihre Kinder öfters sehen können», sagt Claudine Jungo. «Ich wäre extrem stolz, wenn ich später einmal sagen kann, dass ich auch meinen Teil dazu beigetragen habe. Ohne unsere Vorgesetzten wäre das aber nicht gegangen. Wir haben gemerkt, dass Hirslanden die Co-Leitungen wirklich will und uns unterstützt.»