Im Interview erklärt Dr. Walter O. Frey, Sportmediziner und Chefarzt von Swiss-Ski, was bei Leistungssportlern zu einem Herzstillstand führen kann und wie sie diesem vorbeugen können. Er erläutert auch, was Swiss-Ski für seine Athletinnen und Athleten in Bezug auf deren Gesundheit macht. Sport sei immer noch die beste Prävention, um gesund zu bleiben, ist er überzeugt.

Herr Frey, an der Fussball-EM ist der dänische Spieler Christian Eriksen mitten im Match auf dem Platz zusammengebrochen. Was ist geschehen?

Ich war nicht vor Ort und erfuhr die Facts aus den Medien: Er erlitt angeblich einen Herzstillstand, und sein Herz wurde mit einem Defibrillator wieder zum Schlagen gebracht. Zum Glück wurde er vor Ort so schnell medizinisch betreut. Nach einem Herzstillstand entscheiden die ersten Minuten über Leben oder Tod.

Wie konnte das passieren? Der Spieler ist erst 29 Jahre alt.

Wie bei einem Auto, das frisch geprüft ab Werk kommt und trotzdem stehenbleibt, können auch wir Menschen «Konstruktionsfehler» haben, die während Jahren unbemerkt bleiben und aufgrund von verschiedenen Faktoren plötzlich sichtbar werden.

Was können das für Faktoren sein?

Das können genetische Faktoren sein. Häufig haben solche Patienten einen Verwandten, der etwas ähnliches erlebt hat, und sind genetisch vorbelastet. Weitere Faktoren sind unter anderem – gerade im Leistungssport – der körperliche und emotionale Stress. Um beim Vergleich mit dem Auto zu bleiben: Muss ein Motor mit sehr hoher Tourenzahl laufen, ist auch das Risiko grösser, dass etwas passiert. Und emotionalem Stress sind Fussballer an einer EM ausgesetzt, da sie vor unzähligen Zuschauern und Kameras auf dem Rasen stehen und für ihr Land spielen.

Kann man so einem Vorfall vorbeugen? Wie?

Vor allem durch Prävention. Dazu gehört auch die Befragung der Sportler. Uns interessiert insbesondere die Frage, ob deren Eltern, Grosseltern oder Geschwister bereits einmal eine Herzerkrankung hatten. Erst kürzlich erzählte mir ein Patient, er hätte nicht mehr gleich viel Power beim Velofahren wie früher. Ich wusste, dass sein Bruder an einem plötzlichen Herztod gestorben ist, und schickte ihn sofort ins Spital. Tatsächlich wurde ein Herzproblem festgestellt. Weiss ein Sportler von solchen Vorfällen in der Familie, sollte er sicher das Gespräch mit seinem Arzt suchen. Er könnte auch eine genetische Abklärung machen, um mehr Gewissheit zu haben (siehe Interview mit Prof. Dr. Sabina Gallati).

Sie sind Chefarzt von Swiss-Ski. Was macht der Verband für seine Sportlerinnen und Sportler in Bezug auf deren Gesundheit?

Swiss-Ski ist ein Verband, der sich sehr bewusst ist, dass Gesundheit für einen Sportler das wichtigste Gut ist. Entsprechend viel Aufwand und Geld wird in diesen Bereich investiert. Ab Kaderstufe bei Ski Alpin beispielsweise werden alle Athletinnen und Athleten zweimal pro Jahr untersucht. Dazu gehören ein sportmedizinisches Interview, bei dem wir explizit nach der Familiengeschichte fragen, sowie die Untersuchung von Blutdruck, Herztönen, Puls etc. und jedes zweite Jahr ein Ruhe-EKG. Nur wenn in diesen drei Bereichen alles in Ordnung ist, lässt man den Sportler Sport treiben. Besteht der geringste Verdacht, dass etwas nicht stimmt, wird er dem Kardiologen für weitere Untersuchungen zugewiesen.

Werden diese Check-ups aufgrund des Vorfalls an der EM in Zukunft ausgeweitet?

Wir sind in der Medizin laufend am Überprüfen, ob unsere Routinehandlungen noch Sinn machen und ob wir auf dem neusten Wissensstand sind. Auch jetzt haben wir uns wieder überlegt, was wir noch verbessern könnten. Wir sind zum Schluss gekommen, dass das, was wir zurzeit machen, das Optimum ist, um so einen Vorfall zu vermeiden. Aber natürlich ist es bei aller Vorsicht und Gewissenhaftigkeit immer möglich, dass etwas passiert. Eine hundertprozentige Garantie hat man leider nie.

Sind Sportlerinnen und Sportler nach diesem Ereignis an der EM verunsichert oder besorgt?

Die Athletinnen und Athleten von Swiss-Ski wissen aus Erfahrung, dass sie sportmedizinisch sehr gut versorgt sind. Ich nehme keine Verunsicherung wahr. Es gab jedoch andere Verbände, die auf mich zugekommen sind. Mit ihnen haben wir insbesondere über den Sinn von kleineren, mobilen Defibrillatoren diskutiert, die immer in Griffnähe sind, damit man bei einem Vorfall keine wertvolle Zeit verliert.

Was möchten Sie Athletinnen und Athleten zum Schluss noch auf den Weg mitgeben?

Sport ist immer noch die beste Prävention, um gesund zu bleiben. Und gerade auch für ein gesundes, starkes Herz das Medikament der Wahl.

 

Weitere Beiträge zum Thema:

«Risiken beim Sport mit genetischen Tests so gut wie möglich ausschliessen», Interview mit Prof. Dr. phil. nat. Sabina Gallati, Präsidentin der Eidgenössischen Kommission für genetische Untersuchung beim Menschen und Co-Leiterin Genomische Medizin Hirslanden Precise.

 

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