Apothekerinnen und Apotheker arbeiten nicht nur in öffentlichen Apotheken, sondern sind auch in Spitälern tätig. Dort versorgen sie die Stationen mit den nötigen Medikamenten, sind wertvolle Ansprechpersonen für Ärzteschaft und Pflege und geben wichtige Empfehlungen zu Therapieentscheiden. Wie die Spitalapothekerinnen und -apotheker die Hirslanden-Kliniken während der Corona-Krise unterstützt haben, erfahren Sie im Beitrag.
Normalerweise werden an der Hirslanden Clinique La Colline in Genf hauptsächlich orthopädische Fälle wie Knie-, Hüft- oder Schulteroperationen behandelt. Doch als die Klinik, die nicht zum Covid-Spital erklärt wurde, während der Corona-Pandemie Patientinnen und Patienten vom Genfer Unispital HUG übernahm, änderte sich das medizinische Spektrum. Und da andere Fälle andere Medikamente erfordern, musste auch das Arzneimittelsortiment der Klinik innert kürzester Zeit an die neuen Bedürfnisse angepasst werden.
«Wir hatten zum Beispiel plötzlich viele Diabetespatienten. Deswegen brauchten entsprechend mehr Antidiabetika», sagt Pauline de Werra, klinische Pharmazeutin an der Clinique La Colline in Genf. Und eine Patientin, die mehrere Wochen in der Klinik bleiben musste, habe eine Chemotherapie benötigt. Da diese für gewöhnlich an der Klinik nicht durchgeführt werden, musste sichergestellt werden, dass das korrekte Medikament in der richtigen Dosierung sowie das nötige Material zur Verabreichung der Therapie vorhanden war. «Ich stand während der ganzen Behandlung in engem Kontakt mit dem Onkologen; diese enge Zusammenarbeit war sehr positiv für die Patientin», erklärt Pauline de Werra.
Wichtige Partner für Ärzteschaft und Pflegepersonal
Um zu ermitteln, welche Medikamente in welchen Mengen und Darreichungsformen für die neuen Patienten gebraucht werden, habe sich Pauline de Werra intensiv mit den Ärzten ausgetauscht. Neben der Bereitstellung der nötigen Medikamente hat sie auch das Pflegepersonal beraten und unterstützt. «Der Umgang mit Medikamenten erfordert höchste Sorgfalt, umso mehr bei solchen, die man nicht oft braucht», erklärt die Pharmazeutin. Sie sei deshalb viel auf den Stationen unterwegs gewesen und dem medizinischen Personal für Fragen zur Verfügung gestanden. Das habe dem Personal die nötige Sicherheit gegeben.
Pauline de Werra ist überzeugt, dass die tragende Rolle der Apothekerinnen und Apotheker in den Kliniken durch die Krise verstärkt sichtbar wurde: «Der enge Austausch mit den Ärzten während der Pandemie hat mir gezeigt, dass sie uns als wichtige Partner vor Ort sehen. Wir stellen Informationen und Ratschläge zu therapeutischen Entscheidungen bereit, sichern das Arzneimittelsortiment und suchen bei Engpässen – die übrigens häufig auftreten – Alternativen», erklärt Pauline de Werra. Zudem waren die Apotheker auch in die Covid-Krisenstäbe der Kliniken eingebunden, wo sie bei der Entscheidungsfindung und der Erarbeitung von Massnahmen mitwirkten.
Austausch im Netzwerk gerade in Corona-Zeiten wichtig
Dreizehn der Apothekerinnen und Apotheker, die in den Hirslanden-Kliniken arbeiten, sind gleichzeitig Teil der klinikübergreifenden Expertengruppe Pharmazie, die unter anderem auf die Optimierung der Beschaffung, Distribution und Sicherheit von Arzneimitteln sowie die Nutzung von Synergien und die Standardisierung des Arzneimittelsortiments hinarbeitet. Alles mit dem übergeordneten Ziel, die Patientensicherheit zu erhöhen und gleichzeitig Kosten zu sparen.
Während der Corona-Krise hat sich die Gruppe wöchentlich per Videokonferenz ausgetauscht. Die Hauptthemen waren die Lieferengpässe bei Medikamenten, die Lagerbestände in den Kliniken und die Therapie für Covid-19-Patienten. Adelina Mehmeti, die im Corporate Office im Bereich Beschaffung & Logistik als Produktgruppenverantwortliche Pharmazie arbeitet, leitet die Expertengruppe. Da sie für das Lieferantenmanagement im Bereich Pharma zuständig ist, war auch sie stark gefordert: «Auf dem Höhepunkt der Pandemie war der Druck enorm gross», sagt sie. Wirkstoffe wie Anästhetika und Muskelrelaxantien, ohne die weder die Behandlung von Covid-19-Patienten noch Operationen stattfinden können, waren kaum verfügbar. «Ich habe tagelang Abklärungen mit Lieferanten gemacht und nach Alternativen gesucht», erklärt Adelina Mehmeti. Als zum Beispiel das Narkosemittel Propofol nicht mehr erhältlich war, hat man sich innerhalb der Expertengruppe entschieden, wenn möglich auf Gasnarkose umzusteigen.
Auch für Hygieneprodukte wie Desinfektionsmittel musste eine andere Lösung her. Da beim Lieferanten nur noch grosse Kanister erhältlich waren, hat Adelina Mehmeti das Umfüllen in kleinere Flaschen und die anschliessende Verteilung an die Kliniken organisiert. Dank den Ersatzprodukten bei Alternativlieferanten und dem Umfüllen sei es nie zu Engpässen gekommen.
Ähnliche Herausforderungen hatte auch Pauline de Werra in Genf. Bevor entschieden wurde, dass die Klinik keine Covid-Patienten behandeln würde, hat sie in Abstimmung mit Anästhesieärzten und Intensivmedizinern rechtzeitig Vorräte angelegt, um auf eine hohe Auslastung der Intensivstation vorbereitet zu sein. Das Händedesinfektionsmittel wurde in der Klinikapotheke von grossen Kanistern in handliche Sprays abgefüllt und in der Klinik verteilt.
Gegen experimentelle Therapien
In den wöchentlichen Austauschmeetings wurden auch experimentelle Therapien diskutiert. Bei solchen Therapien werden Medikamente ausserhalb ihres zugelassenen Bereichs verwendet (sog. Off-Label-Verwendung). Im Fall von Covid-19 stand das Malariamittel Hydroxychloroquin zur Debatte. Doch dem standen die Pharmazeutinnen und Pharmazeuten kritisch gegenüber: «Wir haben uns von Anfang an gegen experimentelle Therapien ausgesprochen, da die vorhandenen Studien wenig aufschlussreich waren», sagt Adelina Mehmeti. «In der Hirslanden-Gruppe ist man unseren Empfehlungen gefolgt und die Off-Label-Verwendung darf nur innerhalb von klinischen Studien eingesetzt werden», fährt sie fort. Denn mittlerweile gebe es Hinweise darauf, dass die Behandlung von Covid-19-Patienten mit dem Malariamittel kritische Nebenwirkungen haben könne.
Auf die Frage, was denn am meisten dabei geholfen habe, die Krise zu bewältigen, nennt Pauline de Werra den engen Austausch; sowohl innerhalb der Klinik mit den Fachärzten und dem Pflegepersonal als auch in der klinikübergreifenden Expertengruppe. «Ich hoffe sehr, dass wir diesen auch nach der Krise beibehalten können!», sagt die Pharmazeutin.
Zu den Personen:
Adelina Mehmeti ist Pharmazeutin und arbeitet als Produktgruppenmanagerin Pharma und fachtechnisch verantwortliche Person für das Hirslanden-Zentrallager im Bereich Beschaffung & Logistik im Hirslanden Corporate Office.
Pauline de Werra ist klinische Pharmazeutin an der Hirslanden Clinique La Colline, wo sie gemeinsam mit einem achtköpfigen Team aus Pharma-Assistentinnen und Logistikern die Klinikapotheke führt. Zu ihren Hauptaufgaben gehören insbesondere die pharmazeutische Beratung und Schulung, die Verhandlungen mit Lieferanten und die bedarfsgerechte Bestellung von Medikamenten.
Autorin: Andrea Klemenz, Senior Communications Specialist, Hirslanden Corporate Office