Beim Stichwort «Prostata» denken viele gleich an Prostatakrebs. Viel häufiger kommt jedoch die gutartige Prostatavergrösserung vor. Wie sich diese bemerkbar macht und wann sie gefährlich wird, erklärt uns Dr. med. Isabel Reilly. Ebenso erläutert die Urologin, was den Mann bei einer Prostataabklärung und allfälligen Behandlung erwartet.
Wozu braucht Mann überhaupt eine Prostata?
Dr. med. Isabel Reilly: Die Prostata ist eine angeborene Drüse, die das Ejakulat für den Samenerguss bildet. Sie produziert wie jede andere Drüse ein Sekret (wie z.B. die Tränendrüse die Tränenflüssigkeit). Dieses Sekret ist die Trägersubstanz, also das «Transportmittel» für die Samenzellen, die in den Hoden produziert werden.
Wieso vergrössert sich die Prostata?
Dr. med. Isabel Reilly: Die Prostata verändert sich im Laufe des Lebens. In der Pubertät entwickelt sie sich weiter unter dem Hormoneinfluss des Testosterons. In der zweiten Lebenshälfte vergrössert sie sich. Das ist ein normaler Prozess und keine Krankheit. Der Körper verändert sich ja allgemein im Leben. Speziell ist, dass die Prostata im Alter wächst, während sonst alles biologisch im Alter schrumpft. Der Grund dafür ist noch nicht wissenschaftlich erklärt.
Wie stark die Prostata wächst ist individuell sehr unterschiedlich. Man kann dies mit dem Ergrauen der Haare vergleichen: Manche Männer haben mit 40 schon graue Haare, andere mit 80 erst graue Schläfen. Im Schnitt beginnt die Prostata ab 40 zu wachsen. Wann diese Vergrösserung spürbar wird, ist aber individuell.
Wie macht sich eine Prostatavergrösserung bemerkbar?
Dr. med. Isabel Reilly: Typische Symptome sind lästiger Harndrang, auch nachts, weil die vergrösserte Prostata gegen die Harnblase drückt, bis zu einer Reizblasensymptomatik.
Auch rein mechanische Symptome beim Wasserlössen weisen auf eine abzuklärende Prostatavergrösserung hin, sprich abgeschwächter Harnstrahl, Nachtröpfeln, Restharngefühl, unvollständige Blasenentleerung. Blasenentzündung und blutiger Urin sind weitere mögliche Symptome.
Eine Prostatavergrösserung kann sich aber leider auch gänzlich symptomlos über viele Jahre entwickeln und dann relativ plötzlich im sogenannten Prostatastadium III gar zu einer manifesten Nierenschädigung führen, weil sich der Urin in der Blase und Niere staut. Vor allem Diabetiker sind gefährdet, symptomlos durch eine Prostatavergrösserung eine Nierenschädigung zu erleiden. Die Prostatavorsorge dient somit nicht nur der Krebsfrüherkennung. Vielmehr soll sie auch andere Komplikationen vermeiden und den Schutz der Nieren gewährleisten.
Wann ist ein Gang zum Hausarzt oder Urologen angezeigt?
Dr. med. Isabel Reilly: Sobald der Mann an einem oder mehreren der oben genannten Symptomen leidet. Diese können auch auf andere Krankheiten, zum Beispiel auf eine Prostataentzündung, hinweisen.
Ansonsten gilt hier die internationale Empfehlung, auch im Rahmen der Prostatakrebsvorsorge: Vorsorgeuntersuchung ab 50 Jahren, auch im beschwerdefreien Zustand. Besteht eine familiäre Prostatakrebsvorbelastung bereits ab 45 Jahren.
Je nachdem, zum Beispiel ob der Mann überhaupt einen Hausarzt hat, ist hierfür auch der direkte Gang zum Urologen möglich.
Wie erfolgt die Diagnose einer Prostatavergrösserung?
Dr. med. Isabel Reilly: Wichtig ist ein persönliches Gespräch, um die Symptome zu besprechen, und eine körperliche Untersuchung. Zudem kann der Mann einen Selbsttest ausfüllen, den IPSS-Test, der international gültig ist. Dieser beinhaltet 8 Fragen.
Weiter erfolgt ein Ultraschall der Prostata, der Blasen und der Nieren, also eine völlig schmerz- und strahlenfreie Untersuchung. Wichtig ist zudem die Harnstrahlmessung: Diese geschieht in einer speziellen Toiletteneinrichtung, über die jeder Urologe verfügt, wahlweise im Sitzen oder Stehen. Dies ist eine rein physikalische Messung mit dem Resultat einer Harnstrahlkurve. Die Kurve zeigt mir als Ärztin grafisch und rechnerisch auf, wie gut oder eingeschränkt die Urinentleerung ist. Ein Harnstau ist für unsere Gesundheit sehr gefährlich, da er Blase und Nieren schädigen kann.
Eine Laboruntersuchung (Blut und Urin) gibt schliesslich Auskunft über die PSA*- und Nierenwerte.
Wann ist eine Prostatavergrösserung gefährlich?
Dr. med. Isabel Reilly: Es lässt sich nicht pauschal sagen: grosse Prostata, grosse Probleme; kleine Prostata, kleine Probleme. Denn die rein anatomische Grösse ist nicht das Kriterium und es gibt dafür auch keine Grenzwerte. Unabhängig von der Grösse geht es rein um die Mechanik und die Funktion, dass der Urin als Ausscheidungsprodukt gänzlich aus dem Körper entleert wird. Entsteht aber Restharn, wird es gefährlich. Es kommt also darauf an, wie und wo die vergrösserte Prostata einen Druck und somit allenfalls eine Stauung auslöst.
Gestauter Harn birgt das Risiko für Entzündungen, Infekte von Blase und Nieren, ebenso von Blasensteinen, Reizblasensymptomen und Inkontinenz. Zudem kann eine Harnverhaltung eine akute Notfallsituation auslösen, welche eine Kathetereinlage notwendig macht.
Wann muss eine Prostatavergrösserung behandelt werden?
Dr. med. Isabel Reilly: Hier gilt es zu unterscheiden zwischen subjektiven und objektiven Gründen. Subjektiv, wenn der Mann an nicht mehr tolerierbaren Symptomen in seinem Alltag leidet, wie zum Beispiel Tagesmüdigkeit bei übermässigem nächtlichen Toilettendrang, der nicht anders begründet ist. Oder eine Reizblasensymptomatik, die bei der Berufstätigkeit stört (für einen Busfahrer ist zum Beispiel nur wenig tolerierbar). Hier entscheidet der Mann selbst und es hängt von den Symptomen, der Berufsgattung und Alterskategorie ab.
Objektive Gründe sind, wenn gesundheitliche Komplikationen drohen (wie Restharn, Nierengefährdung). Diese können auch symptomlos sein, im fortgeschrittenen Stadium aber leider zu einer Nierenschädigung oder gar Nierenversagen führen. Das kommt z.B. oft bei Diabetikern vor, weil bei ihnen das Schmerzempfinden gestört ist, so auch an der Blase. Zum Schutz der Nieren und vor Blutungen und Infekten ist dann eine Behandlung nötig, selbst wenn keine Symptome spürbar sind.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Dr. med. Isabel Reilly: Ziel jeder Prostatabehandlung ist es, die Symptome zu lindern und die Mechanik des Harnflusses zu optimieren. Dazu gibt es im Frühstadium medikamentöse Möglichkeiten:
Pflanzliche Arzneimittel können im Frühstadium die Symptome lindern. Es sind dies Produkte mit Kürbiskernen oder Sägepalmextrakten, die rezeptfrei erhältlich sind. Sogenannte Alphablocker verbessern den Harnfluss und die Blasenentleerung. Langfristig eingenommene Medikamente auf hormoneller Basis sollen ein Wachstum der Prostata verhindern. Diese haben aber Nebenwirkungen, die das Sexualleben betreffen.
Kommen keine Medikamente (mehr) in Frage, gibt es operative Möglichkeiten.
Wie sehen diese operativen Möglichkeiten aus?
Dr. med. Isabel Reilly: Goldstandard ist immer noch die im Volksmund genannte kleine Prostataoperation, in der Fachsprache TURP (transurethrale Resektion der Prostata) genannt. Unter Voll- oder Teilnarkose wird das überschüssige Prostatagewebe mit einer sehr feinen Schlinge und über die Harnröhre, also ohne Schnitt und somit sehr schonend, entfernt. Die alternative Laserbehandlung über denselben Zugang hat sich weniger durchgesetzt.
Je nach Anatomie der Drüse gibt es alternative minimalinvasive Behandlungsmöglichkeiten, die ebenfalls über die Harnröhre erfolgen: Genannt sei hier zum Beispiel der Urolift® oder die Prostatastenteinlage, die beide durch mechanische Eingriffe den Harnfluss verbessern. Oder ein neues Verfahren namens TIND®, das in der Schweiz noch nicht flächendeckend bekannt ist. Vereinfacht gesagt wird dabei für einige Tage ein Körbchen in die Prostata eingelegt, welches durch seine Druckeinwirkung drei Rinnen schafft, was eine rasche Verbesserung des Harnflusses bewirken kann. Vorteil dieser drei Alternativen im Gegensatz zur TURP ist, dass die Ejakulation erhalten bleibt.
Eine weitere Option ist die Prostataembolisation, die die Prostata zum Schrumpfen bringt und durch den Radiologen vorgenommen wird.
Welche Risiken haben die Behandlung bzw. die Nichtbehandlung?
Dr. med. Isabel Reilly: Die Nichtbehandlung ist im fortgeschrittenen Stadium deutlich riskanter als der Eingriff und kann unter Umständen nicht reversible Nierenschäden, Harnverhalt und Blasenüberdehnungen zur Folge haben.
Die operativen Eingriffe beinhalten die üblichen OP-Risiken wie Infektionen und Blutungen, die bei den heutigen technischen Möglichkeiten aber gering sind.
Die TURP-Operation ist weltweit sehr häufig (mit der Blinddarmoperation vergleichbar), also ein Routineeingriff. Ungefähr 70 % der Patienten haben danach nur noch einen reduzierten oder trockenen Samenerguss, was aber keinen Einfluss auf die Erektion hat. Im Gegensatz zu den Operationen bei Prostatakrebs haben die Eingriffe bei der Prostatavergrösserung in der Regel keine Risiken, was die Potenz oder Kontinenz angeht.
*Das prostataspezifische Antigen (PSA) wird von der Prostata produziert und wird mittels Bluttest gemessen. Ein erhöhter Wert kann auf eine Entzündung, eine gutartige Vergrösserung oder Krebs hinweisen.
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