Nun ist er da – unser zweiter Sohn und bereits 15 Wochen alt. Und so waren die ersten drei Monate:

Woche 1: Spitalaufenthalt nach Kaiserschnitt. Für mich wie im 5-Sterne-Hotel. Gutes Essen, gute Betreuung und Pflege, nachts einfach läuten und das Baby wird zum Wickeln und Wiegen abgeholt, Frühstück am Bett, Besuch, Geschenke – herrlich. Der Kleine entwickelt sich prächtig, nimmt ordentlich zu, ich kann stillen.

Und dann nach Hause

Woche 2 bis 7: Auch hier eigentlich eine Luxussituation für Schweizer Verhältnisse. Wir haben sieben (!!!) Wochen zu viert, was grossartig und sehr hilfreich ist. Ich muss mich nicht zwischen Grossem und Kleinem aufteilen, sondern mein Mann und ich können dies gemeinsam tun. Der perfekte Start ins Leben zu viert. Wir machen sogar drei Wochen Ferien am Bodensee, teils zusammen mit meiner Schwiegermutter, meinen Eltern und meiner Schwester – Family-Life pur.

Aber: Der Kleine schreit viel mehr als unser Grosser damals, braucht meine Nähe extrem, schläft nur im Arm oder der Tragehilfe ein, hat viel Bauchweh. Er ist definitiv kein Anfängerbaby, wie unser Erster es war – eher die Version für Fortgeschrittene. Ich bekomme eine Brustentzündung, muss Antibiotika nehmen, darf aber zum Glück weiterstillen. Jedoch kommt bei jeder kleinen Aufregung oder Anstrengung direkt wieder eine Brustentzündung, was das Stillen anstrengend macht. Und es dauert bei ihm ewig. Da, wo unser Grosser nach 5-10 Minuten stillen fertig war, braucht der Kleine jetzt mindestens 20-30 Minuten, wenn nicht länger.

Der grosse Bruder

Unser Erstgeborener macht‘s echt toll, wir sind positiv überrascht. Wir können beobachten, wie er Woche für Woche mehr in seine Rolle als grosser Bruder hineinwächst. Von Anfang an ist der Kleine ihm sehr wichtig, was man daran merkt, dass er immer zuerst schauen muss, wo das Baby ist. Klar, es fehlt ihm noch die Feinmotorik, wir erklären viel und das Baby muss viel einstecken. Aber das wird immer besser. Und er hilft gerne und ist dabei wahnsinnig stolz: Er bringt Nuggis, Tücher, Stillkissen.

Nach den Sommerferien dann der harte Schlag ins Gesicht

Mein Mann ist Sekundarlehrer und fängt nach den Sommerferien wieder an zu arbeiten. Es sind meine ersten zwei Tage allein mit den Jungs. Und ehrlich gesagt war das rückblickend leider echt ätzend und frustrierend für mich. Ich komme dabei selbst noch einmal auf die Welt. Sich plötzlich aufteilen müssen, beiden gerecht werden wollen, … uff, echt eine Herausforderung. Ich habe mich darauf eingestellt, dass es mit zwei Kindern anders und anstrengend wird, aber so hätte ich es nicht erwartet.

Plötzlich kann ich nicht mal einfach mehr den Raum verlassen oder rasch aufs Klo, denn sie beide zusammen alleine lassen, dafür sind sie noch zu klein und der Grosse kommt zu gut an den Stubenwagen.

Ein Stück weit vom Erstgeborenen loszulassen und nicht mehr 100% für ihn da sein zu können, wühlt mich emotional teils arg auf. Ich fühle mich durch das Baby eingeengt und durch das Stillen gestresst. Immer öfter entwickle ich gegenüber dem Baby eher negative Gefühle, was mich wiederum stresst.

Und dann die wieder mehr unterbrochenen Nächte: Vorher hatte ich den Wunsch nach einer Nacht ohne Kind, jetzt «reicht» der Wunsch nach einer Nacht mit dem Grossen, weil diese ruhiger ist ;). Der Tag mit «nur» einem Kind fühlt sich neu fast wie Ferien an.

Und beim Zmittag: Der Grosse isst und ich sitze stillend am Tisch und esse dann irgendwann danach. Wieder kommt ein schlechtes Gewissen gegenüber dem Grossen, weil wir nicht gemeinsam essen können.

Die schönen Momente gehen anfangs noch unter.

Wenn der Kleine dann friedlich schlafend auf mir liegt oder giggelt und mich anlacht, sind die negativen Gefühle doch für einen Moment vergessen. Kleine Erfolge, dass ich es beispielsweise mit beiden ins Elki-Turnen geschafft habe, tun gut.

Der Super-GAU

Kaum aufgeatmet, kommt die nächste Frustsituation: Ich muss den Grossen in der Krippe abholen und bin mit Kinderwagen inkl. Buggy-Board unterwegs, die Manduca (Tragehilfe) ist auch dabei. Auf dem Hinweg ist der Himmel rabenschwarz, es gewittert. Ich stille im Tram, damit der Kleine Hin- und Rückfahrt übersteht… diese dauern zusammen nämlich 2-2,5 Stunden.

Es schüttet in Strömen, als ich aussteige. Der einzige, der trocken bleibt, ist der Kleine. Ich komme pudelnass in der Krippe an. Der Grosse freut sich riesig, uns zu sehen, mein Herz macht einen Satz.

Ich leihe mir eine Regenjacke für ihn aus. Somit bleiben beide Jungs trocken. Ich werde noch «nasser» auf dem Rückweg.

Beim Einsteigen ins zweite Tram verliere ich ein Vorderrad des Kinderwagens. Den Kinderwagen in der einen Hand, den Kleinen in der Traghilfe und den älteren Sohn an der anderen Hand bleibt dieser beim Einsteigen mit dem Fuss kurz zwischen Bordstein und Trittbrett hängen, weil die Lücke etwas zu gross für ihn ist. Es passiert aber zum Glück nix. Eine Frau hebt das Rad auf, ein Mann montiert es mir wieder. Ich muss arg verzweifelt oder gestresst aussehen und bin es auch.

Als wir dann endlich zu Hause im Treppenhaus sind, weinen beide lauthals. Der eine hat Hunger, der andere ist zu müde zum Treppensteigen und hat ebenfalls Hunger. Ich bin auch fertig und frage mich, wie nur der Freitag noch werden soll. Kann es noch schlimmer kommen? Mir graut es vor den nächsten Wochen.

Aber: Der Freitag wird besser. Ich treffe eine Mutter vom Elki-Turnen und tausche mich mit ihr aus. Erfahre, dass es ihr und anderen ähnlich ging. Ich bin vorbereiteter und schon ein klein bisschen routinierter. Am Abend lobt mich mein Mann.

Mehr Frust als Lust

Trotzdem: Begeisterung und Aufblühen in der Rolle als Zweiermami ist anders. Ich hoffe einfach, dass ich in diese Rolle noch weiter reinwachse und die schönen Momente immer mehr werden. Vorschwärmen kann ich zurzeit niemandem von der neuen Rolle und Familiensituation, erst recht nicht mit gutem Gewissen zum zweiten Kind raten. Ich fiebere der 12. bzw. 13. Woche entgegen und hoffe, dann wird‘s entspannter mit Bauchkrämpfen (Koliken) und Schreierei bei Baby Nr. 2

Der Abstand zwischen den Stillmahlzeiten vergrössert sich nicht, im Gegenteil. Ich muss immer noch alle 2 Stunden, wenn nicht sogar stündlich stillen und habe das Gefühl, er bekommt nicht genug. Zudem sitze ich gefühlt nur auf der Couch und kann mich mit dem Grossen gar nicht beschäftigen. Dann fängt der Kleine an, tagsüber die Brust zu verweigern. Ich probiere es mit einem Muttermilch-Schoppen: klappt. In den kommenden Tagen gebe ich mal einen Pulverschoppen: klappt. Und danach ist dann 3-3,5 Stunden Ruhe. Nun steht mein Entscheid schweren Herzens fest und ich bespreche diesen auch mit meiner Hebamme: Ich werde das Abstillen langsam, aber sicher in Angriff nehmen. Ich bin mir sicher, das bringt Entspannung für die ganze Familie, denn ich bin teilweise unausstehlich. Die schrecklichsten Seiten von mir kommen zum Vorschein. Schlafmangel und Schreierei des Kleinen bringen mich total an die Grenzen meiner Kräfte und Nerven und machen mich innerlich extrem aggressiv. Ich könnte einen Boxsack gebrauchen.

Er riecht nach Guetzli

Mit dem Entscheid, allmählich abzustillen und nur noch nachts die Brust zu geben, kann ich den Kleinen plötzlich riechen. Wo ich vorher keinen oder einen muffeligen Geruch wahrnahm, bekomme ich jetzt nicht genug, weil er so lecker nach süssem Gebäck riecht. Meine Hebamme meint, dass kann gut sein, dass es da einen Zusammenhang zwischen dem Stillen bzw. Abstillen und dem Geruchssinn gibt.

Therapie im täglichen Nervenkrieg

Was täte ich ohne meine Freundin fürs Leben und WhatsApp. Wir kennen uns, seit wir selbst Babys waren, waren mit unseren zweiten Kindern gleichzeitig schwanger, so dass sie nur eine Woche auseinander sind. Aber wir wohnen leider wieder 3 Stunden voneinander entfernt, d.h. Besuche liegen zurzeit noch nicht drin. Dank WhatsApp und Sprachnachrichten tauschen wir uns aber fast täglich über unsere Freuden und Leiden aus, geben uns gegenseitig Zuspruch oder Rat, teilen Kummer und Erfolgsmomente miteinander. Das ist Gold wert und tut so gut. Ich kann nur jedem empfehlen, sich ganz offen mit ihm nahestehenden Personen auszutauschen. Ähnlich erlebe ich es auch mit meiner lieben Schwester, denn unsere Kinder sind jeweils nur 3-4 Monate auseinander.

Der Rettungsring

Auf Anraten meiner Hebamme gehe ich in Woche 14 zur Mütterberatung und kontaktiere das Schweizer Rote Kreuz (SRK). Denn obwohl uns meine Schwiegermutter unterstützt, wo sie nur kann, und mein Mann ebenfalls alles macht, um mich zu entlasten, bin ich am Limit und kann nicht mehr.

Die Mütterberatung gibt mir gute Tipps zum «Schöppelen», was auch direkt gut klappt und Erleichterung bringt. Das SRK organisiert mir eine Kinderbetreuerin, die in den kommenden zwei Wochen dreimal kommen wird, um mir ein paar Stunden Entlastung zu ermöglichen. Heute ist das erste Mal. Unser Grosser ist in der Krippe und die Betreuerin vom SRK kümmert sich um den Kleinen. Der schläft ziemlich schnell bei ihr in der Manduca ein und so kann ich in aller Ruhe duschen, die Küche machen und diesen Beitrag schreiben.

Abgestillt

Ebenfalls heute ist es soweit, das Stillen ist definitiv fertig. Die Brust wird nun auch nachts verweigert. Ich habe ein lachendes und weinendes Auge – es fühlt sich wie der erste Loslass-Moment an, ich bin gerührt und traurig, gleichzeitig aber erleichtert und vorfreudig auf die Freiheit, die mir das «Schöppelen» bringt: wieder ein Glas Rotwein mit meinem Mann oder auch mal zwei ;), alleine oder zu zweit weggehen können usw.

Fazit

Es wird tatsächlich von Woche zu Woche besser. Man wächst in die Rolle hinein und kann die schönen Momente mehr und mehr geniessen und von ihnen zehren. An alle werdenden Mehrfachmamis: Seid geduldig und umsichtig mit euch selbst, habt kein schlechtes Gewissen – ihr macht das sicher gut. Diese Einstellung ist laut Mütterberatung die wichtigste und ein schlechtes Gewissen unnötig und Gift.

 

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