Früher hasste ich es, ein Mädchen zu sein. Ich wollte immer ein Junge sein. In der Pubertät gab es sogar eine Zeit, in der ich mit einem dicken Verband meinen Oberkörper zuschnürte, weil ich keine blöden Kommentare der Jungs wollte. Breite Hosen, «Pludder-Shirts» und Turnschuhe. So fühlte ich mich wohl. Der Winter war mein Freund, wenn ich mich unter vielen Lagen von Kleidern, Jacken und Schals einmummeln konnte.

Von 48 kg bis 92 kg hatte ich schon alles auf der Hüfte. Kleidergrössen 36-46 fanden sich bis vor kurzem in meinem Kleiderschrank.

In der Zeit, als ich meinen Körper nicht gerade als gute Freundin betrachtete, gab es auch nicht viel zu Essen. Von Ricola und Rivella ernährte ich mich über Wochen, nur um dünn zu sein. Ob es daran lag, dass ich früher immer den Teller leer essen musste oder daran, dass der Gruppendruck einfach immer stärker wurde, ich kann es euch nicht mit Sicherheit sagen.

Der Cocktail der Erlebnisse und Ereignisse wird mit jedem Jahr neu gemixt. Und wenn ich heute über jene Zeit nachdenke, so hat sie einen bleibenden Einfluss hinterlassen: Abends weiss ich meist ganz genau, wie viele Kalorien der heutige Tag hatte. Aus der Zeit, als ich alles abgewogen hatte, aus der Zeit, als ich jedes Nahrungsmittel nachgeschlagen hatte, aus der Zeit, als ich jede Mahlzeit aufgeschrieben hatte, kommen diese Automatismen, die mich noch heute begleiten.

Und dann plötzlich die Schwangerschaft

Und dann war ich schwanger. Ängste, wie sich mein Körper wohl verändern würde. Gedanken darüber, wie mein Körper wohl nach der Geburt ausschauen würde. Die Freude darüber, dass ich ein Kind bekommen werde. Für mich war klar, es wird ein Erlebnis werden, den Körper und dessen Veränderung zu beobachten.

Die ersten drei Monate war noch nicht viel zu sehen. Dennoch war mein Blähbauch ein Vorzeichen auf das, was kommen würde. Statt meinen Bauch wie immer zu verstecken, betonte ich ihn. Mit Brustgurt oder Babydoll bewaffnet nahm ich jeden Monat. Der Bauch wurde grösser und grösser und irgendwann kam der Moment, als sogar die «Pludder-Shirts» zu klein wurden.  Aber ich liess es mir nicht nehmen, Sommerkleider zu tragen und meinen Bauch auch weiterhin zu betonen.

Die letzten drei Monate waren allerdings nicht ganz leicht. Es sammelte sich Woche für Woche mehr Wasser an, so dass ich in den letzten Wochen der Schwangerschaft nochmals 10 kg zunahm.

17 kg verlor ich alleine in den 5 Tagen in der Klinik.

Mit stattlichen 22 kg mehr als vor der Schwangerschaft fuhr ich dann in die Klinik und meine kleine Maus kam mit knapp 4 kg zur Welt. Fünf Tage später, als ich die Klinik Hirslanden wieder verliess, blieben lediglich 5 kg mehr auf der Waage.

Mein Kreislauf und mein Körper liefen auf Hochtouren, denn das war keine einfache Angelegenheit. Der Bauch war zwar noch da, aber er war leer. Aber Gedanken dazu kamen kaum auf, ich hatte ja einen kleinen Schatz, der nun meine ganze Aufmerksamkeit brauchte. 14 Wochen nach der Geburt startete ich wieder mit dem Fitness- und Kraft-Training und merkte schnell, dass die Bauchmuskeln wohl noch eine Zeit brauchen würden, vor allem nach einem Kaiserschnitt. Doch wie sagt man so schön: «Von nichts kommt nichts». Und das trifft auch auf das Training zu. Etwas Sport und Krafttraining und der Körper erholt sich schnell von den Strapazen der Schwangerschaft.

Es war eine weitere spannende Reise mit meinem Körper. Die Sichtweise, wie ich ihn heute betrachte, wie ich meinen Körper schätze, und vor allem, mit welchem Stolz es mich erfüllt, dass mein Körper ein Leben geschaffen hat, schickt mich nun auf einen angenehmen Pfad. Einen Pfad, mit meinem Körper im Reinen zu sein.

Die Ängste über den «Nachher-Körper» sind verflogen. Denn ich weiss jetzt, was mein Körper leisten kann und dafür liebe ich ihn wie schon lange nicht mehr.