Interview mit Agatha Wanner, Pflegefachfrau und Wiedereinsteigerin. Agatha Wanner ist nach 25 Jahren Berufspause wieder erfolgreich in den Pflegeberuf eingestiegen. Im Interview erzählt die Preisträgerin des Schweizer Pflegepreises über ihre Rückkehr und die veränderten Arbeitsbedingungen.

Frau Wanner, wie kam es zur Anstellung in der Klinik St. Anna?

Agatha Wanner: Schon Mitte der 90er Jahre wollte ich wieder in den Pflegeberuf einsteigen und meldete mich für einen Wiedereinstiegskurs in Zürich an. Leider verhinderte ein Unfall den Berufseinstieg, weshalb ich weiterhin Familienfrau und Tagesmutter von unzähligen Kindern blieb.

Im Sommer 2008 weckte ein Inserat in der Neuen Luzerner Zeitung mit dem Titel «Wiedereinstieg» meine Neugier. Ich legte die Zeitung – schon auch wegen meines Alters – ins Altpapier. Wäre dieses Inserat schon vor zehn Jahren erschienen, hätte ich sofort zugegriffen.

Meiner Tochter ist das Inserat jedoch nicht entgangen. Sie stürmte tagtäglich, dass ich mich anmelden soll. Doch die Bange wegen meines Alters (ich war damals 54) hinderte mich genauso wie die Freude an der Betreuung «meiner Tageskinder».

Ein zweites Inserat in der Zeitung gab meiner Familie den Impuls, mich noch mehr zu bearbeiten, wenigstens mal nachzufragen und an einen Infoabend zu gehen. Darauf folgte ein Telefonat mit vielen Fragen und übers Wochenende schrieb ich die erste schriftliche Bewerbung in meinem Leben. Einige Tage später war ich schon beim Vorstellungsgespräch bei Martina Leu und so nahm alles seinen Lauf. Innerhalb weniger Tage entschloss ich mich, den ersten Wiedereinstiegskurs der Klinik St. Anna zu besuchen.

Haben Sie den Wiedereinstieg nach so langer Zeit als schwierig empfunden?

Agatha Wanner: Der Start auf der Abteilung – nach einem viertel Jahrhundert Berufspause – gestaltete sich anfänglich schwierig. So viele junge Menschen, die neuen Techniken, Materialien, Handlungsanweisungen, welche neu über den PC kamen: Vieles war so neu und trotzdem traten alte Muster und Arbeitsabläufe wieder hervor. Heute liest man sich stumm in einen Fall ein, wo es früher noch den Rapport gab und es gibt einen Bettenplan anstelle des alten «Güfeliplans».

Dank der grosszügigen Unterstützung diverser Pflegenden steigerte sich mein Vertrauen. Manch schlaflose Nacht folgte mit Lernen und Überdenken von Alteingesessenem. Ich war bereit, all das neue Wissen in kurzer Zeit zu lernen. Mit der Zeit merkte ich, dass mir die Arbeit einfacher von der Hand lief und ich schon bald ein ebenbürtiges Teammitglied der interdisziplinären Abteilung mit Schwerpunkt Orthopädie wurde. Auch sehr interessant waren die vielen Fortbildungen, welche ich besuchen durfte, um meine Defizite zu verringern.

Wie waren Ihre Erfahrungen im Programm, was waren die Ups und Downs?

Agatha Wanner: Wir waren 14 unterschiedliche Frauen, welche in den Wiedereinsteigerkurs starteten. Bezüglich des Alters und auch was die Tätigkeit in den letzten Jahren betraf hatten alle andere Voraussetzungen.

Zu meinen Höhepunkten zählte sicherlich, dass ich den Wiedereinstieg geschafft habe, dass ich nochmals Schülerin sein konnte und trotzdem in einem jungen, offenen Team auf der Station arbeiten durfte. Die Dozenten und Pflegekräfte waren alle top motiviert, uns die theoretischen Grundlagen mitzugeben. Zudem halfen die vielen Feedbacks, Gespräche und Zielvereinbarungen.

Ich war wirklich überrascht, was sich alles in meiner Abwesenheit geändert hat. Die Administration, die ganz über den Computer läuft, die vielen Formulare. Jedoch ist die Grundpflege der Patienten auch nach 25 Jahren noch die gleiche, ebenfalls so die Grundsätze der Hygiene. Nur die benötigten Materialien sind heute viel moderner.

Da vieles noch ähnlich wie früher ablief, kam mir das alte Pflegewissen ab und zu in die Quere. Oft stand ich vor dem Berg, den es zu überqueren galt. Zudem hinderten mich mein eigener Perfektionismus und die Anforderungen an die Kolleginnen, die gleiche Präzision zu leisten. Für einige Mitarbeiterinnen war ich sicherlich auch der nervige «Frögli», da vieles für mich neu war und ich oft nach- und hinterfragte.

Welchen Tipp können Sie zukünftigen Wiedereinsteigern geben?

Agatha Wanner: Niemand soll sich wegen seines Alters unterkriegen lassen. Man braucht Mut zu sich selbst, Durchhaltevermögen, Offenheit, viel Geduld und sollte bei Unklarheiten stets nachfragen. Gesundes Hinterfragen hilft dem ganzen Team, denn nicht jeder neue Besen kehrt besser. Auch die Älteren haben Ideen und Lebenserfahrung aus diversen Sparten.

Mir half der folgende Leitgedanke immer wieder: „Was die jüngere Generation uns Älteren an Arbeitstempo voraus ist, gleichen wir durch unsere langjährige Berufserfahrung, durch Geduld, durch unser grösseres Verantwortungsbewusstsein und unsere Arbeitsdisziplin aus. Die Leistungsfähigkeit kann bei gesunden Älteren ebenso hoch sein wie bei den Jungen.“

 

Der Wiedereinstieg in der Klinik St. Anna (von Erika Rohrer, Pflegedirektorin Klinik St. Anna)

Das Wiedereinsteigerprogramm der Klinika St. Anna bietet allen Personen, die nach einer längeren Pause motiviert sind, in den erlernten Beruf  wieder einzusteigen, die Möglichkeit, theoretisches Wissen aufzufrischen und dieses bei der Arbeit auf einer unserer Pflegestationen in die Praxis zu transferieren.In Zusammenarbeit mit der Höheren Fachschule Gesundheit Zentralschweiz (HFGZ) bietet die Klinik St. Anna diesen modular aufgebauten Nachdiplomkurs an, welcher in kurzer Zeit einen Einblick in zahlreiche aktuelle Themen der Pflege vermittelt. Unter anderem werden folgende Kenntnisse aufgefrischt: Zeitmanagement, Pathophysiologie, Pädiatrie, Geriatrie, Pharmakologie, Hygiene, Mobilisation, Pflegeprozess, Pflegediagnostik, Wundmanagement und vieles mehr.

Um eine erfolgreiche Einführung zu gewährleisten, beträgt das Arbeitspensum während den ersten drei Monaten 80 bis 100%. Anschliessend können die Wiedereinsteiger/innen auch im Teilzeitpensum arbeiten.

Nächster Wiedereinsteigerkurs im Januar 2014

Wir  suchen für den nächsten Wiedereinsteigerkurs, der im Januar 2014 startet, erneut motivierte «Rückkehrer». In enger Zusammenarbeit mit der HFGZ sind wir bestrebt, unsere Erfahrungen kontinuierlich einzubringen und laufend zu evaluieren, um den Kurs so effektiv wie möglich zu gestalten.

Aktuell läuft die Rekrutierung für den Kurs im Januar. Interessierte können sich auf unserer Webseite www.jobs-stanna.ch informieren.

Über das Stelleninserat gelangen Sie direkt zur Online-Bewerbung. Franziska Haas, Personalbereichsverantwortliche, freut sich auf alle Bewerbungen von WiedereinsteigerInnen.