Seit über 20 Jahren setzen Chirurgen auf Spezialkameras bei Eingriffen in der Bauchhöhle. Eine revolutionäre Operationstechnik macht die Spuren der OP unsichtbar und lässt die Narben in der Tiefe des Bauchnabels verschwinden – Ein Meilenstein in der Schlüsselloch-Chirurgie.
1989 führte der Dr. Christian Klaiber zum ersten Mal eine laparoskopische Entfernung der Gallenblase in der Schweiz durch – und erntete dafür scharfe Kritik von den führenden Chirurgen der Schweizer Universitätsspitäler. Der Vorwurf: Er betreibe eine für den Patienten gefährliche und unwissenschaftliche Chirurgie. Der Lauf der Geschichte hat dem Visionär Klaiber Recht gegeben. Heute wird ein Grossteil der Bauchoperationen laparoskopisch durchgeführt. Tendenz steigend.
Ein kleiner Schnitt reicht
Mehr als 20 Jahre nach dem ersten Einsatz der ein weiteres wichtiges Kapitel hinzugekommen: Die 1-Schnitt-Laparoskopie oder in der Fachsprache: die SILS-Methode (Single Incision Laparoscopic Surgery). Im Gegensatz zur traditionellen laparoskopischen Operationstechnik, bei der in der Regel drei bis fünf über die Bauchdecke verteilte kleine Hautschnitte als Kamera- und Instrumenten-Zugänge zur Durchführung einer Operation angelegt werden, wird bei SILS nur ein kurzer Schnitt in der Tiefe des Nabels benötigt. Dies führt am Ende des operativen Eingriffs zu einer unsichtbaren Narbe.
Der Nabel – der anatomische Mittelpunkt
Der Nabel stellt nicht nur den anatomischen Mittelpunkt des Menschen dar, sondern ermöglicht auch den einfachsten und gefahrlosesten Zugang zur Bauchhöhle. Streng genommen handelt es sich beim Nabel bereits um eine Narbe. Die offene Verbindung via Nabelschnur zur Aussenwelt verschliesst sich ja erst nach der Geburt. So gesehen bietet es sich geradezu an, die bereits bestehende «Narbe» Nabel als operativen Zugang für Eingriffe im Bauchraum auszuwählen.
10 Jahre im Dornröschenschlaf
Die ersten Gehversuche mit SILS liegen bereits über 10 Jahre zurück. Die damalige Zeit war jedoch noch nicht reif für diese neue Idee, und auch das notwendige Instrumentarium noch nicht entwickelt, sodass SILS im Dornröschenschlaf versank.
Wie bereits bei der traditionellen Laparoskopie waren es technische Innovationen, welche der SILS-Idee zur Wiedergeburt verholfen haben. Erst mit der Entwicklung kleinerer Optiken sowie abwinkelbarer Spezial-Instrumente wurden die technischen Voraussetzungen geschaffen, um allein durch einen kleinen Schnitt im Nabelbereich komplexe chirurgische Eingriffe vorzunehmen.
Vor- und Nachteile von SILS
Es gibt zurzeit noch keine randomisierten Studien, welche die SILS-Technik mit der traditionellen Laparoskopie vergleichen. Da jedoch jeder Schnitt, und sei er noch so klein, mit einem gewissen Risiko für Blutungen, Narbenhernien oder einer inneren Organverletzung behaftet ist, könnte durch die neue SILS-Technik eine diesbezügliche Verbesserung erreicht werden. Je minimal-invasiver der gleiche Eingriff vorgenommen werden kann, desto maximal schonender ist er für den Patienten.
Ob die SILS-Technik auch zu weniger postoperativen Schmerzen, kürzeren Hospitalisationszeiten und zu einer rascheren Erholung der Patienten führt, bleibt vorerst abzuwarten.
Bessere kosmetische Ergebnisse
Eindeutige Vorteile ergeben sich für SILS in kosmetischen Belangen. Die SILS-Technik verkörpert die «Schlüsselloch-Chirurgie» par excellence und hinterlässt keine sichtbaren Spuren. Für viele Patientinnen und Patienten ein gewichtiger und nicht zu unterschätzender Faktor, wenn es darum geht, sich einer Operation unterziehen zu müssen.
Vielfältige Anwendung
Die SILS-Technik wird bereits in mehreren chirurgischen Fachgebieten angewendet, wie z.B. Viszeralchirurgie, Urologie und Gynäkologie. Sie umfasst Eingriffe wie etwa die Gallenblasenentfernung, die Blinddarmentfernung, Operationen zur Verhinderung des Rückflusses von Mageninhalt in die Speiseröhre (Reflux), Darmeingriffe und gynäkologische Operationen.
SILS eignet sich jedoch nicht für alle Patienten. Zurzeit gelten als relative Gegenanzeigen zur Anwendung der SILS-Technik extremes Übergewicht, ausgedehnte Verwachsungen oder schwere entzündliche Veränderungen im Operationsfeld.
Das Bessere löst das Gute ab
Die Chirurgie des Bauchraumes hat in den letzten 20 Jahren nach Einführung und Verbreitung der Laparoskopie einen in der Medizingeschichte beispiellosen Wandel durchgemacht. Die minimal-invasiven Operationsverfahren werden heute in praktisch allen operativen Teilgebieten angewendet und haben zum Teil die offenen chirurgischen Verfahren ganz abgelöst.
Der Wunsch von Patienten und Chirurgen, Operationen so schonend wie möglich durchzuführen und das operative Trauma so gering wie möglich zu halten, hat zur Weiterentwicklung der traditionellen Laparoskopie hin zur SILS-Technik geführt. Man darf gespannt sein, wie sich die neue SILS-Technik im Vergleich zur herkömmlichen Laparoskopie schlägt. Vielleicht wird sich im Laufe der Zeit herausstellen, dass je nach Patient und Krankheitsbild die eine oder andere, oder aber eine Kombination der beiden Techniken das Sinnvollste ist. In ein paar Jahren wissen wir mehr!