Stefanie Hinder arbeitet seit 2012 als diplomierte Pflegefachfrau auf der Abteilung für Onkologie der Klinik Hirslanden in Zürich. Hier war sie von Anfang an daran beteiligt, das Projekt der Blutstammzellentransplantation auf Seiten der Pflege zu begleiten. Bei einem Kaffee habe ich sie getroffen, um einen Einblick in die Onkologiepflege zu erhalten.
Wie gefällt dir die Arbeitgeberin Hirslanden?
Stefanie Hinder: Sehr gut, vor allem wegen der vielen Weiterbildungsmöglichkeiten. Wir werden auch darin unterstützt, Weiterbildungen in Angriff zu nehmen. Damit meine ich sowohl die offiziellen Weiterbildungsangebote von Hirslanden als auch die individuellen Weiterbildungsanträge. Wir bekommen auch in der täglichen Arbeit die Zeit, uns weiterzuentwickeln und das Fachwissen zu integrieren. Ich habe es bisher in meiner Laufbahn wirklich noch nie so erlebt wie hier, dass ich in diesem Umfang gefördert werde.
Welche Aufgaben erfüllst du in der Pflegeabteilung der Onkologie?
Stefanie Hinder: Ich bin diplomierte Pflegefachfrau HF mit einem Nachdiplomstudium in Onkologiepflege und Berufsbildnerin. Meine Verantwortung besteht darin, interdisziplinäre Patienten und deren Angehörige mit dem Schwerpunkt Onkologie zu betreuen. Wir behandeln also hauptsächlich Patienten mit einer Krebserkrankung. Zusätzlich beherbergen wir auf unserer Abteilung auch Patienten mit einer Lungenerkrankung (Pneumologie) oder mit Erkrankungen im Magen-Darmtrakt (Gastroenterologie).
Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei dir auf der Onkologie aus?
Stefanie Hinder: Der Frühdienst der Pflege beginnt um 6.45 Uhr, wenn wir uns in unserem «Office» kurz austauschen, uns 5–10 Minuten in die Patienten-Dokumentation einlesen und die Patientenzuteilung im Tandem besprechen. Eine diplomierte Pflegefachkraft betreut zusammen mit einer Fachperson Gesundheit, einer/einem Lernenden oder einer/einem Studierenden 6–8 Patienten, die wir abhängig vom Wissensstand zuteilen.
Anschliessend machen wir die Medikamente und Infusionen bereit und gehen auf die erste Runde, um alle Patienten in den Zimmern zu besuchen und zu behandeln. Wir messen den Blutdruck und andere Vitalzeichen und dokumentieren diese. Wir verteilen Medikamente, fragen nach dem aktuellen Befinden und den Bedürfnissen und helfen den Patienten beim Frühstück, bei ihrer Mobilisation und bei der Körperpflege. Je nach Krankheitsbild führen wir verschiedene intravenöse Therapien direkt am Bett durch, beispielsweise eine Chemotherapie oder eine Antibiotika-Therapie. Zudem begleiten wir die Patienten zu den Behandlungen wie etwa den Bestrahlungen oder den Röntgen-Aufnahmen in der Radiologie.
Ziel ist es, bis um 11 Uhr die wichtigsten Behandlungen abgeschlossen und dokumentiert zu haben, da zu diesem Zeitpunkt die neuen Patienten eintreten.
Mit diesen führen wir dann die Anamnesegespräche, bei denen wir die Vorgeschichte in Erfahrung bringen. Wir fragen unter anderem, ob er oder sie von den Angehörigen unterstützt wird, wie sein/ihr gesundheitlicher Status aktuell aussieht und ob eine Patientenverfügung vorhanden ist. Zudem fragen wir auch, unter welchen Bedingungen der Patient zuhause lebt. Wenn er zu Hause beispielsweise Treppen steigen muss, so können wir ihn je nach Gesundheitszustand erst zu einem späteren Zeitpunkt wieder aus unserer Klinik entlassen. Der Austritt beginnt sozusagen bereits beim Eintritt.
Nachdem wir all die Abklärungen getroffen und auch die ärztliche Zustimmung für die Chemotherapie eingeholt haben, beginnen wir mit den ersten Behandlungen. Wir betreuen viele Patienten, die für eine zyklische Behandlung zu uns kommen. Das heisst, sie erhalten eine weitere chemotherapeutische Behandlung bei uns, die von einem Tag bis zu drei oder vier Tagen dauert. Danach gehen sie wieder nach Hause.
Nebst all diesen wiederkehrenden Tätigkeiten wie zum Beispiel den Anamnesegesprächen oder den regelmässigen Patientenbesuchen mindestens alle zwei Stunden kommen auch weitere dazu. Alle Mitarbeitenden decken den Patientenruf ab, sind also für unsere Patientinnen und Patienten verfügbar, wenn sie etwas von uns brauchen.
Ein grosser Teil unserer Arbeit, etwa 30–40%, besteht aus Schreibarbeit. Wir erfassen alle Leistungen und schreiben Berichte, beispielsweise wenn ein Patient gestürzt ist oder wenn er in eine andere Klinik überwiesen wird.
Du hast es bereits angesprochen: Es gibt ja auch immer wieder unvorhergesehene Situationen, für die ihr den Patientenruf habt. Was bedeutet das für eure Arbeit?
Stefanie Hinder: Wir müssen sehr flexibel sein. Mir passiert es beispielsweise ab und zu, dass ich nicht rechtzeitig um 9.30 Uhr bei unserem Zwischenrapport erscheine, bei dem alle dabei sein sollten. Es kann zum Beispiel vorkommen, dass wir unvorhergesehen einen Patienten auf der Notfallstation abholen müssen. Unter diesen Umständen stimmen wir uns einfach später ab und geben uns wichtige Informationen.
Was macht dir bei deinem Job am meisten Spass?
Stefanie Hinder: Der Umgang mit freundlichen und aufgestellten Patienten und auch mit den Angehörigen. Die meisten onkologischen Patienten sind sehr aufgestellt und humorvoll, auch wenn man das fast nicht glauben mag, und der Umgang mit ihnen ist entspannt.
Das ist erstaunlich. Woran liegt das?
Stefanie Hinder: Schwierig zu sagen. Viele Menschen mit einer Krebserkrankung leben vielleicht das Leben einfach bewusster als Patienten, die beispielsweise «nur» ein Bein gebrochen haben. Solche «chirurgischen» Patienten sind deshalb oftmals anspruchsvoller als die onkologischen. Bei den Krebspatienten kommen hingegen sowohl ernste als auch lustige Momente vor. Und was bei diesen Patienten noch dazu kommt: Man begleitet sie über einen längeren Zeitraum hinweg und lernt sie kennen und sie lernen uns kennen. Besonders schön ist es, wenn ein Patient wieder gesund geworden ist und die Haare auf dem Kopf wieder nachgewachsen sind. Oft kommen diese Patienten später, wenn sie in die Klinik zur Kontrolle kommen, kurz bei uns vorbei, um «Hallo» zu sagen. Darüber freue ich mich jeweils sehr.
Was sind die grössten Herausforderungen bei deinem Job in der Pflege auf der Onkologie?
Stefanie Hinder: Der Umgang mit sterbenden Patienten, der immer wieder vorkommt und zu unserem Job dazugehört. Das schliesst auch die trauernden Angehörigen mit ein, was nicht immer ganz einfach ist. Gerade die Angehörigen trauern sehr stark und verhalten sich auf den ersten Blick manchmal etwas fordernd, dies oft aufgrund von Hilflosigkeit. Da braucht es viel Verständnis und Einfühlungsvermögen. Manchmal muss man dann Prioritäten setzen und einen Kollegen oder eine Kollegin fragen, ob er oder sie nicht kurz für etwas einspringen könne, weil man sich gerade um einen Patienten und dessen Angehörige kümmern müsse. Wenn wir dann wirklich an unsere Grenzen kommen, können wir auch auf die Seelsorger und freiwilligen Helfer verweisen.
In der Onkologie muss man also mit Herz und Seele dabei sein. So würden viele Pflegefachfrauen und -männer in der Onkologie nicht gerne im Bereich der Medizin oder der Chirurgie arbeiten wollen und umgekehrt diejenigen aus der Medizin oder der Chirurgie nicht in der Onkologie.
Was war dein spannendstes Erlebnis während deiner Zeit bei Hirslanden?
Stefanie Hinder: Das Stammzellenprojekt von Prof. Dr. med. Christoph Renner, das wir bei uns aufgebaut haben. Ich war von Anfang an dabei und ich durfte zusammen mit Yvonne Besmer im Projektteam die Pflege vertreten. Dieses Projekt war und ist noch immer sehr spannend, denn das Verfahren der Stammzellen-Retransfusion wird nicht überall angewandt und ist deshalb etwas Besonderes.
Das musst du mir noch etwas genauer erläutern? Was steckt hinter der Stammzellen-Retransfusion?
Stefanie Hinder: Dahinter steckt die «autologe Blutstammzellentransplantation», die bei Patienten mit bösartigen Blut- und Knochenmark-Erkrankungen angewandt wird. Diese bösartigen Erkrankungen erfordern eine hochdosierte Chemotherapie. Durch die hohe Dosierung zerstören wir das Knochenmark und können die Tumorzellen eliminieren, jedoch kann der Patient an einem Blutmangel oder einer Immunschwäche sterben, denn im Knochenmark werden die Blutzellen und die Abwehrzellen gebildet.
Aus diesem Grund werden in einem ersten Schritt mit einem speziellen Gerät Stammzellen aus dem Blut des Patienten gesammelt und eingefroren, um sie zu lagern. Im zweiten Schritt kommen die Patienten für die Chemotherapie zu uns. Nach Abschluss der Therapie führen wir in der letzten Behandlungsphase die Stammzellen-Retransfusion durch, bei der wir die zuvor gesammelten Stammzellen mit einer Infusion ins Blut zurückgeben, so dass sie wieder ins Knochenmark gelangen. Dadurch baut sich das Knochenmark wieder auf und es produziert nach einigen Tagen wieder genug Blut- und Abwehrzellen. Lesen Sie dazu auch unseren Blogbeitrag «Don‘t send flowers» – Hygienevorschriften bei Krebspatienten.
Was hast du vor deiner Anstellung bei Hirslanden gemacht?
Stefanie Hinder: Ich bin bereits seit 2012 in der Onkologie-Abteilung der Klinik Hirslanden tätig. Davor habe ich in verschiedenen Fachbereichen sowohl in der allgemeinen Medizin wie auch in der Chirurgie gearbeitet, so zum Beispiel im Bereich der Orthopädie, in der Kinderchirurgie, in einem Alters- und Pflegeheim und während meines Studiums bei der Spitex. Das einzige, was mir noch fehlen würde, wäre die Psychiatrie (lacht).
Was machst du, wenn du nicht arbeitest?
Stefanie Hinder: Ich bin ein riesiger Fan von Nik P., dem österreichischen Schlagersänger, von dem unter anderem der Hit «Ein Stern (… der deinen Namen trägt)» stammt. Um seine Konzerte zu besuchen, bin ich nonstop in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterwegs. Das ist für mich der absolute Ausgleich zum Klinikalltag und erlaubt es mir, vollständig abzuschalten. Dadurch gewinne ich sehr viel Energie und Kraft. Und durch die vielen Konzertbesuche kenne ich den Sänger auch schon persönlich.
Hast du selber auch schon Musik gemacht?
Stefanie Hinder: Ich habe mal Gitarre gespielt, jedoch kommt das mittlerweile etwas zu kurz. Dafür habe ich vor rund einem halben Jahr mit Line Dance angefangen.
Vielen Dank für das spannende und informative Interview!
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