Am 14. März 2018 findet der «Tag der Ernährungsberater/-innen» statt. Dieser wurde vor einigen Jahren international als Registered Dietitian Day ins Leben gerufen. Wir haben dies zum Anlass genommen, den Beruf der Ernährungsberater/-innen zu beleuchten und haben dazu Lucia Winzap, eine von über 30 Ernährungsberaterinnen in der Privatklinikgruppe Hirslanden interviewt. Sie leitet die Ernährungstherapie und Diabetesfachberatung in der Hirslanden Klinik St. Anna.

Liebe Lucia, wie wird man Ernährungsberaterin? Gibt es einen geschützten Titel für eure Berufsgruppe?

Lucia Winzap: Das 4-jährige Studium wird zu zwei Dritteln an der Fachhochschule und zu einem Drittel in Praxismodulen absolviert. Gesetzlich nach KVV Art. 50a anerkannte Ernährungsberaterinnen und Ernährungsberater haben an einer anerkannten Schweizer Fachhochschule ein Bachelor-Studium in Ernährung und Diätetik abgeschlossen und tragen den offiziellen akademischen Titel «BSc in Ernährung und Diätetik».

Es gibt in der Schweiz drei Fachhochschulen, die das Studium anbieten: Die Berner Fachhochschule Gesundheit, die Haute école de santé in Genf und die Fernfachhochschule Schweiz.

Und wie bist du persönlich auf den Beruf der Ernährungsberaterin gekommen?

Lucia Winzap: Ich wollte nach meiner ersten Ausbildung als Uhrmacherin in einem mechanischen resp. elektronischen Bereich unbedingt in die Medizin wechseln. Heute noch kämpfe ich jedoch beim Beobachten von Operationen an Tier und Mensch oder Besuchen von anatomischen Museen mit Übelkeit. Deswegen kam der Pflegeberuf nicht in Frage. In meiner Kindheit in einem bündnerischen alpenlandwirtschaftlichen Betrieb spielte das Thema Ernährung schon immer eine Rolle. So schien mir die Ernährungsmedizin und Ernährungstherapie eine gute Kombination von Medizin und Ernährung, die ich sehr spannend fand.

Was macht dir an deiner Arbeit am meisten Freude?

Lucia Winzap: Die Abwechslung zwischen Strategischem und Operativem. Das Hin und Her zwischen wissenschaftsbasiertem und pragmatischem Handeln. Der Spagat zwischen eher nüchternen ernährungsmedizinischen Richtlinien und den emotionalen Situationen mit den Patienten. Die Arbeit mit Menschen, sei das als Mitarbeiterin, als Vorgesetzte oder als Therapeutin, ist für mich sinnstiftend. In der Revision einer mechanischen Rolex sah ich nicht mehr viel Sinn. Weisst du, wenn ich während der Arbeit selber als Mensch wachsen kann, dann macht mich das zufrieden.

Und was sind die grössten Herausforderungen im Bereich der Ernährungsberatung?

Lucia Winzap: Das Vorantreiben einer guten interdisziplinären Ernährungsmedizin und klinischen Ernährungstherapie. Dazu müssen alle Akteure darauf sensibilisiert werden, dass eine integrierte Ernährungstherapie unabdingbar ist, um eine evidenzbasierte interdisziplinäre Behandlung ihrer Patienten zu erbringen, also wissenschaftlich erwiesen und fachgebietsübergreifend. Der Beruf der klinisch tätigen Ernährungstherapeuten und -berater muss sich weiter etablieren. Vertiefte Studiengänge im Bereich der klinischen Ernährung sind ein wichtiger Schritt dazu. In einem solchen klinischen Kontext geht es nicht primär um Fragen wie «Sind Goji-Beeren gesund?». Viel mehr geht es um solche Themen: Wie erkenne und behandle ich eine Mangelernährung aufgrund einer Erkrankung? Wann ist eine künstliche Ernährung nötig?

Was sind deine Aufgaben als Leiterin der Ernährungstherapie und Diabetesfachberatung in der Hirslanden Klinik St. Anna?

Team Ernährungsberatung Klinik St. Anna

Das Team der Ernährungstherapie und -beratung Klinik St. Anna: stehend von links nach rechts: Angelika Messerli, Lucia Winzap, Nicole Schrackmann, Anita Günther, Beatrice Oertig; sitzend von links nach rechts: Beatrice Wicki, Sandra Wallimann, Melanie Styger

Lucia Winzap: Für das Team der Ernährungstherapie hat die Arbeit am/mit Patienten erste Priorität. Unsere Ernährungsberatung hat zwei Standorte: im Gesundheitszentrum St. Anna im Bahnhof und in der Klinik St. Anna selbst. So führe ich zusammen mit dem Team stationäre Ernährungstherapie und ambulante Ernährungsberatungen durch.

Ca. 30 – 40 % meiner Tätigkeiten sind Führungsaufgaben, strategische Aufgaben, interdisziplinäre Projekte, interne und externe Schulungen, Workshops etc. Weiter leite ich die Diabetesfachberatung, die Ernährungskommission und habe Einsitz in der betrieblichen Gesundheitsförderung.

 

Mit welchen Berufsgruppen arbeitest du am meisten zusammen und wie gestaltet sich diese Zusammenarbeit?

Lucia Winzap: Das sind Pflegefachpersonen, Diabetesfachberater, Casemanager, Ärzte verschiedenster Fachgebiete, Psychologen, Psychiater, Apotheker, Spitalköche, Hotelleriefachpersonen etc. Alles, was unsere Patienten betrifft, läuft über unsere Rapporte und besprechen wir direkt mit den Ärzten, Pflegefachpersonen oder der Hotellerie. Für die strategische Zusammenarbeit nehme ich zum Beispiel an Kaderklausuren oder bilateralen Sitzungen teil und arbeite in Projekten mit.

Wie empfindest du Hirslanden als Arbeitgeberin?

Lucia Winzap: Ich arbeite seit 2006 in der Klinik St. Anna und hatte immer wieder das Glück, Vorgesetzte, Ärzte und eine Geschäftsleitung zu haben, die die Bedeutung der Ernährungsmedizin und klinischen Ernährungstherapie erkannt und gefördert haben. Ohne diese Einstellung von Schlüsselpersonen im Kader und ein Team an motivierten Ernährungsberaterinnen hätte Ernährungsmanagement in einer Klinik mit über 200 Belegärzten keine Durchschlagskraft gehabt.

In der Hirslanden-Gruppe gibt es Ernährungsberaterinnen an verschiedenen Standorten. Tauscht ihr euch auch standortübergreifend aus?

Lucia Winzap: Seit einigen Jahren treffen sich die leitenden Ernährungsberaterinnen der Hirslanden-Gruppe regelmässig. Ein gegenseitiges Synergiennutzen ist selbstverständlich geworden. Ziel ist eine standortübergreifende Zusammenarbeit und eine konzernweite Standardisierung der Ernährungsmedizin.

Kann man mit einem solchen beruflichen Hintergrund überhaupt noch herzhaft in eine Tafel Schokolade beissen oder klingeln da gleich alle Alarmglocken? Auf was achtest du privat am meisten bei der Ernährung?

Lucia Winzap: Mein beruflicher Hintergrund hat mich nicht genussfeindlich gemacht, im Gegenteil. Geniessen ist ein wunderbarer Schlüssel, um aufzuhören, wenn genug gegessen ist. Wenn man die grössten Beobachtungsstudien anschaut, die je im Bereich Ernährung gemacht worden sind, dann hat man zwei, drei Hinweise, wie wir uns über Ernährung am besten gesund erhalten: nicht zu viel essen, weniger Alkohol trinken und v.a. pflanzenbasiert, d.h. viel Gemüse und Früchte essen. Natürlich versuche ich, das privat umzusetzen, ohne jedoch ideologisch zu sein.

Vielen Dank für das interessante Interview!