Lange Zeit war es in den meisten Gebärabteilungen üblich, die Neugeborenen in den ersten zwei Stunden nach der Geburt zu baden. Die Babys wurden, häufig unter Miteinbezug der frischgebackenen Väter, in eine Babybadewanne gehalten und mit einem Waschlappen von restlichem Fruchtwasser, Käseschmiere und Blut befreit, anschliessend komplett angezogen der Mutter übergeben. Aus verschiedenen Gründen hat sich diese Praxis in den letzten Jahren stark verändert. Weshalb?

Bonding

Unter Bonding versteht man den frühen Bindungsaufbau zwischen Mutter und Neugeborenem sowie Vater und Neugeborenem direkt nach der Geburt. Das Neugeborene wird nach der Geburt der Mutter auf die nackte Haut von Bauch und Brust gelegt und mit einem weichen vorgewärmten Tuch zugedeckt. Das Baby kann den Geruch der Mutter wahrnehmen, die vertrauten Herztöne und die Stimme hören und die Wärme der Haut spüren. Durch den Hautkontakt der Mutter und die vorgewärmten Tüchern wird das Baby warm gehalten und kühlt nicht aus. Nach Bedarf kann das Neugeborene an der Brust saugen. Das erste Ansetzen an die Brust zeitnahe nach der Geburt ist für ein erfolgreiches Stillen vorteilhaft.

Die Väter können gut in das Bonding einbezogen werden und das Baby, bequem auf einem Sessel sitzend, warm zugedeckt an ihre nackte Männerbrust nehmen, kuscheln, geniessen, das Baby kennenlernen und ihre Beziehung aufbauen.

Bei der Erstuntersuchung des Babys nach der Geburt und zur Erhebung der Masse, wie Gewicht, Länge und Kopfumfang, können die Eltern dabei sein und zusehen.

Falls medizinisch nicht notwendig, sollte das Kind in den ersten Stunden nach der Geburt nicht von den Eltern getrennt werden. Selbstverständlich müssen bei etwaigen Problemen von Neugeborenen nach Bedarf Massnahmen ausgeführt werden, um dem Baby bei einem schwierigen Start ins Leben Hilfe zu bieten. Dies kann unter Umständen eine temporäre räumliche Trennung bedeuten. Unter normalen Umständen soll sich jedoch die frischgebackene Familie in Ruhe kennenlernen und diese spezielle Zeit in vollen Zügen geniessen dürfen. Das Baby erfährt durch das Bonding mit seinen Eltern nach der Geburt Zuwendung, Wärme, Geborgenheit und Schutz. Es bedeutet den Beginn einer guten Eltern-Kind-Beziehung.

Bei einer Wassergeburt kann das Bonding gleichsam angewendet werden. Das Neugeborene wird zwar unter Wasser geboren, aber Sekunden später für den ersten Atemzug mit dem Kopf über die Wasseroberfläche gebracht. Anschliessend, gleich wie bei einer Geburt ohne Gebärwanne, wird es der Mutter auf die nackte Brust gelegt.

Auch bei einem Kaiserschnitt kann das Bonding praktiziert werden. Müssen bei medizinischen Problemen von Mutter oder Kind Massnahmen ergriffen werden, kann das Bonding in diesen Fällen aber später nachgeholt werden, in Form eines Rebondings.

Das Bonding bezieht sich nicht nur auf die ersten Stunden nach der Geburt, sondern ist ein Prozess, welcher über eine erweiterte Zeitspanne in den ersten Tagen, Wochen und Monaten betrachtet werden kann.

Babybad nicht sofort, denn: Käseschmiere und Fruchtwasser haben eine Funktion

Nach neuen Erkenntnissen von Experten wird das erste Babybad erst nach 24 Stunden nach der Geburt empfohlen. Was sind die Gründe dafür?

Babys werden mit einer weissen Schutzschicht, Käseschmiere genannt (Fachausdruck: Vernix caseosa), geboren, welche ihre gesamte Hautoberfläche belegt. Ebenso ist ihre Haut mit Fruchtwasser bedeckt, in welchem sie innerhalb der Fruchthülle und Gebärmutter bis zur Geburt gelegen haben.

Die Käseschmiere ist eine lipidhaltige (Polypeptide) Schutzschicht auf der Babyhaut, welche diese vor dem Austrocknen schützt. Ebenso dient sie als natürliches Gleitmittel bei der Geburt, sie wärmt und enthält antibakterielle Substanzen, welche vor Infektionen Schutz bieten können.

Frühgeborene werden mit viel Käseschmiere geboren. Je näher ein Baby zum Termin hin geboren wird, desto geringer ist die Menge der verbleibenden Käseschmiere. Bei zeitlich weit über den Geburtstermin übertragenen Neugeborenen, kann die Käseschmiere teilweise oder ganz aufgebraucht sein.

Das Fruchtwasser (Amnionflüssigkeit) befindet sich in der Fruchtblase und umgibt den Embryo ab der 4. Schwangerschaftswoche vollständig. Es handelt sich um eine klare, wässrige Flüssigkeit, welche aus mütterlichen und kindlichen Teilen besteht und sehr komplex ist. Nebst Wasser und Elektrolyten besteht das Fruchtwasser auch aus Glucose, Lipiden und bakterizid wirkenden Proteinen.

In verschiedenen Studien konnte aufgezeigt werden, dass Käseschmiere und Fruchtwasser sogenannte antimikrobielle Peptide enthalten, welche gegen ein gewisses Spektrum von Bakterien und Pilze wirksam sind.

Aus den oben genannten Gründen, verzichten die meisten Geburtenabteilungen auf ein sofortiges Babybad nach der Geburt und verschieben dies auf einen späteren Zeitpunkt. Meist wird das erste Bad am zweiten oder dritten Tag im Wochenbett ausgeführt, zusammen mit den Eltern und der Unterstützung einer Hebamme oder Pflegefachperson.

Auch nach einer Wassergeburt werden die Babys nicht sogleich gebadet. So wird die verbleibende Menge an zurückbleibender Käseschmiere und Fruchtwasser auf der Babyhaut erhalten, auch wenn diese durch die Verdünnung des Badewassers, geringer ist.

Die frischgebackene Familie darf sich also direkt nach der Geburt erst mal in Ruhe kennenlernen, die Bondingzeit geniessen, um dann zu einem späteren Zeitpunkt das «Abenteuer Babybad» anzugehen.

In diesem Sinne wünsche ich allen frischgebackenen Eltern schöne erste Stunden und Tage! Geniessen Sie es!

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