Die Hirslanden Klinik Birshof hat im November 2015 die EFQM-Validierungsstufe „Anerkennung für Excellence (R4E) mit 3 Sternen“ mit Erfolg erreicht. Doch für was steht eigentlich diese Qualitätsvalidierung? Was bedeutet diese im Klinikalltag und wie profitiert der Patient davon? Ellen Wieber ist in der Klinik Birshof für das Qualitätsmanagement zuständig und erzählt uns im Interview, was hinter Begriffen wie „ISO“ und EFQM steht und wie Sie die Mitarbeiter motiviert, Qualität zu leben und nicht nur als lästiges Anhängsel zu sehen.

Als du in der Klinik Birshof zusätzlich zur Pflegedienstleitung das Qualitätsmanagement übernahmst, war das erste Projekt die ISO-Zertifizierung. Wie erlebtest du diese Zeit?

Ellen Wieber: Das war sehr spannend. Vor allem, die Leute zu motivieren, ihre Prozesse festzulegen. So haben wir dann als Erstes unser Qualitätshandbuch erstellt, aufgrund dessen wir 2009 unsere Erstzertifizierung erreicht haben.

Wie hast du die Leute motiviert?

Ellen Wieber: Ich hatte sicher den Vorteil, dass ich schon zuvor als Pflegedienstleitung tätig war. So hat mich ein grosser Teil der Mitarbeitenden bereits gekannt und das Thema Qualität gut angenommen. Wenn man sich bereits ein gewisses Vertrauen erarbeitet hat, ist dies sicher einfacher, als wenn nur ein Externer auftaucht und mit dem Thema „Qualität“ kommt. Ich selbst war schon mitten in den Prozessen drin und motivierte die Leute, ihre Prozesse einfach einmal aufzuschreiben und zu überlegen, was sie noch verbessern könnten. Zusätzlich wurde die Klinik Birshof durch einen externen Coach unterstützt.

Einige Bereiche waren mit dem Thema Qualität sowieso schon eng in Berührung, zum Beispiel die ganzen Kernprozesse um den Patienten. Andere Bereiche hatte anfangs etwas mehr Mühe, ihre Prozesse aufzuschreiben und sich daran zu halten. Inzwischen ist ISO voll akzeptiert und eingespielt in der Klinik. Die Mitarbeiter sind voll dabei.

Wieso strebte die Klinik Birshof nach der ISO-Zertifizierung mit EFQM einen weiteren Schritt in der externen Anerkennung der Qualitätsaktivitäten an?

Ellen Wieber: ISO bringt insbesondere in der Dokumentation der Prozesse sehr viel. Diese Dokumentation fördert vor allem am Anfang das Qualitätsstreben enorm und ist auch über die weiteren Jahre eine sehr gute Qualitätsbasis, bringt einen irgendwann aber nicht mehr massgeblich weiter. Weil wir uns aber weiter merkbar verbessern wollen, suchten wir eine andere Variante, die uns in unserem Qualitätsstreben weiterbringt. Weil man sich ja immer wieder verbessern kann.

Und was ist bei der nun erreichten EFQM-Validierungsstufe „Anerkennung für Excellence (R4E)“ anders?

Ellen Wieber: Die ganze Methode vom EFQM ist anders als bei ISO. Bei ISO gibt es Normen, wenn man diese erfüllt, erhält man das Zertifikat. Jährlich muss mit ISO die kontinuierliche Verbesserung nachgewiesen werden.

EFQM hingegen ist ein Kriterienmodell, welches eine ganzheitliche Sicht auf das Unternehmen ermöglicht. Es fördert eine umfassendere Weiterentwicklung der Qualität. EFQM spürt mit Selbstbewertungsmethoden und der Fremdbewertung Stärken und Verbesserungspotenziale auf und lässt diese Erkenntnisse in die Strategie mit einfliessen. Durch die kontinuierliche Vorgehensweise werden aktuelle Informationen und die wichtigen Trends erarbeitet, woraus eine stetige Verbesserung resultiert.

Vor allem in einer kleinen Klinik, wie wir es sind, reagiert man in der Regel sehr schnell, da unsere Bereiche sehr eng miteinander zusammenarbeiten. Wenn wir ein Problem haben, lösen wir dies wenn möglich in kürzester Zeit. EFQM sagt aber, man soll Gefahren und Potentiale schon aktiv voraussehen und entsprechend planen, sich also auch wenn möglich die Zeit dafür nehmen. Dies beinhaltet grosses Verbesserungspotenzial, was ISO nicht so umfassend abdeckt.

EFQM heisst eine stetige strukturierte Analyse, welche Massnahmen Sinn machen, diese Massnahmen einführen und wieder messen. Und immer alles auf die Strategie und den Patienten ausgerichtet. So müssen wir uns immer die Frage stellen: Ist eine Massnahme an unsere Strategie angelehnt und hat sie einen Kundennutzen? Das finde ich zwei gute Ansätze. Auch immer von den Besten lernen zu wollen, finde ich einen guten Leitgedanken beim EFQM-Modell.

Kannst du uns ein Beispiel nennen, wie der Patient von EFQM profitiert?

Ellen Wieber: Ja, zum Beispiel unseren Protheseninfoabend: Patienten, welche schon operiert waren, meldeten uns dieses Bedürfnis. Aus diesen Rückmeldungen haben wir den Infoabend entwickelt. Wir führten diesen Infoabend ein Jahr lang durch und befragten danach die Besucher des Infoabends, um zu überprüfen ob der Kundennutzen wirklich da ist. Gleichzeitig mit der Befragung haben wir von den Besuchern neue Ideen erhalten, welche wir nun zum Teil wieder umsetzen werden. Danach wird erneut eine Befragung stattfinden, um die Änderungen zu überprüfen, usw.

Apropos Verbesserung: Bei Hirslanden können Mitarbeiter mit sogenannten Chancenmeldungen Verbesserungsvorschläge machen. Wird diese Möglichkeit in der Klinik Birshof genutzt?

Ellen Wieber: Ja, pro Quartal kommen ca. 40 Chancenmeldungen rein, was bei rund 240 Mitarbeiten ziemlich gut ist. Wir fördern dies auch aktiv. Ich sage zum Beispiel allen neuen Mitarbeiter bei der Einführung ins Qualitätsmanagement, dass ich in den ersten drei Monaten einen Verbesserungsvorschlag wünsche, und hake auch entsprechend nach. Zudem fordere ich regelmässig die Teamleiter dazu auf, ihre Mitarbeiter zu motivieren. Von den Verbesserungsvorschlägen werden im Schnitt etwa 60 % umgesetzt.

Was war die grösste Herausforderung für die Erreichung der EFQM-Anerkennung?

Ellen Wieber: Das Modell ist sehr komplex und erfordert eine andere Denkweise als ISO. Sich in das EFQM-Modell hineinzudenken und dies stetig zu verfolgen, hat einen hohen Anspruch an die Führung.

Zum Beispiel bewertet man sich bei EFQM ja stetig selbst. Und wenn man so im Prozess drin ist, bewertet man sich selbst meist besser als die Fremdbewertung ausfällt, weil man ja denkt, dass man seine Sache gut macht. So ist es immer eine Herausforderung, die Leute zu motivieren, damit sie den Ehrgeiz haben, sich immer noch mehr verbessern zu wollen. Da kommt schon mal die Frage auf „Wieso müssen wir nun noch mehr Qualität machen, wir machen doch schon so viel?“

Wie gingst du an diese Herausforderung heran?

Ellen Wieber: Zuerst haben wir das Kader geschult mit Workshops etc. Danach gab es auch Schulungen mit vielen weiteren Mitarbeitern, um diese zu befähigen. Ich denke, der Erfolg hat viel mit Mitarbeiter-Befähigung zu tun, was aber der grösste Aufwand ist, weil man sie immer wieder in dieses Denken hineinholen muss. Es ist ein grosser Aufwand, den man sich aber im täglichen Alltagsgeschäft nehmen muss, weil er von grossem Nutzen ist. Und man muss mit Kontinuität immer dran bleiben und nicht immer das Tagesgeschäft vorschieben.

Das Schöne in unserer Klinik ist, dass die Qualität von der Führung gelebt wird und nicht nur „ein lästiges Anhängsel“ ist, das uns auch noch beschäftigt. Ich denke, nur so kann Qualitätsmanagement erfolgreich umgesetzt werden.

Was hast du daraus gelernt?

Ellen Wieber: Wir haben aufgrund des EFQM-Assessments einige gute Rückmeldungen zur Verbesserung erhalten, welche wir nun strukturiert aufnehmen werden, und machen uns auf den Weg, uns weiter zu verbessern. Wir haben noch Potential …. zur Verbesserung.

 

Herzlichen Dank für das spannende Interview und weiterhin viel Freude und Erfolg beim stetigen Verbessern!

Erfahren Sie mehr über Ellen Wiebers Werdegang in der Klinik Birshof im Beitrag „Ich hätte nie gedacht, dass mein Job auch nach 13 Jahren noch so spannend ist.