1,5 Millionen Menschen in der Schweiz leiden unter chronischen Schmerzen. So unterschiedlich die Ursachen sind, so herausfordernd ist es, wirksame Behandlungsmethoden zu finden. Umso wichtiger ist es deshalb, die Schmerzen mit einer individuellen Kombination von medikamentösen und konservativen Behandlungen zu reduzieren. Wie das geht, weiss Neurochirurgin und Schmerzspezialistin Dr. med. Petra Hoederath.

Schmerzen. Am Morgen beim Aufstehen, beim Anziehen, bei der Arbeit, beim Mittagessen mit Kollegen, am Abend auf dem Sofa, in der Nacht im Bett. Schmerzen, die einen im Alltag nicht nur behindern, sondern massiv einschränken. Neurochirurgin und Schmerzspezialistin Dr. med. Petra Hoederath weiss, was geschieht, wenn der Schmerz das Leben beherrscht. «Es ist ein Teufelskreis», sagt sie. Und leider kein seltener. 16 Prozent der Schweizer Bevölkerung, also rund 1,5 Millionen Menschen, leiden unter chronischen Schmerzen; Schmerzen also, die länger als drei Monate andauern.

Weitaus am häufigsten, so die Expertin, leiden ihre Patienten unter Rückenschmerzen, etwa nach einem Bandscheibenvorfall. Doch auch chronische Kopfschmerzen, neuropathische Schmerzen, Weichteilbeschwerden, Arthrose, Osteoporose, Tumorschmerzen und Phantomschmerzen unter anderem nach Amputationen plagen die Menschen.

Die Ursache vieler langwieriger Leiden ist so simpel wie bedrückend: Die Menschen werden immer älter. Mit dem Alter steigen die degenerativen Veränderungen. Viel dagegen tun kann man nicht. «Sport ist generell eine gute Präventionsmassnahme», erklärt die Schmerzexpertin. Letztlich könne aber auch eine relativ fitte Person morgens aus dem Bett aufstehen und einen Bandscheibenvorfall erleiden. «Vieles hat auch mit Veranlagung zu tun», fügt Hoederath an.

Schmerzen: wie weiter?

Es kann durchaus sinnvoll sein, zu einem gängigen Schmerzmittel zu greifen, um einen Akutschmerz zu lindern. Man sollte allerdings nur kurzfristig auf die Selbstmedikation vertrauen. «Es gibt verschiedene Schmerzarten, die unterschiedlich behandelt werden müssen. Konventionelle Schmerzmittel wie Paracetamol oder Ibuprofen sind deshalb unter gewissen Umständen der völlig falsche Ansatz, der das Schmerzgefühl nicht lindert. Schlimmer noch: Je nach Dosierung und abhängig von der Dauer, während der man das Medikament einnimmt, kann man damit sogar noch weitere Beschwerden wie Nieren- und Magenprobleme, aber auch Medikamenten-induzierte Kopfschmerzen auslösen», warnt die Spezialistin.

Aus diesem Grund empfiehlt sie, relativ schnell eine Apothekerin / einen Apotheker zu konsultieren, um sich dort Rat zu holen. Wenn das keine Lösung bringt, sollte man den Hausarzt / die Hausärztin aufsuchen. Sind dessen Behandlungsvorschläge ebenfalls ausgeschöpft, kann es sinnvoll sein, eine Schmerzspezialistin wie Dr. med. Petra Hoederath hinzuziehen.

Schmerztherapie: ein Problem, viele Lösungsansätze

Schmerz ist mit vielen Krankheitsbildern assoziiert, Schmerzbehandlungen sind deshalb Routine. Häufig gibt es für komplexe Fälle aber keine zufriedenstellende medizinische Lösung. Umso wichtiger ist es deshalb, dass Spezialisten verschiedenster Fachrichtungen Patienten mit ihren individuellen Beschwerden interdisziplinär und interprofessionell beurteilen und einen entsprechenden Behandlungsansatz erarbeiten. «Dafür füllen Patienten zuerst einen Schmerzfragebogen aus und zeichnen auf einem Schmerzmännchen ein, wo die Haupt- und wo die Nebenschmerzen auftreten. So kann man den Schmerz sichtbar machen», erklärt Dr. med. Petra Hoederath.

Das Wichtigste sei, so die erfahrene Ärztin, die Patienten ernst zu nehmen. «Schmerzen lassen sich nicht immer abbilden. Doch nur weil das Röntgenbild zeigt, dass Schrauben und Stangen am richtigen Ort im Körper platziert wurden, heisst das nicht, dass sie keine Schmerzen verursachen. Mir ist es deshalb wichtig, nicht nur die Patientenunterlagen zu studieren, sondern vor allem hinzuhören und zu verstehen, worunter der Patient leidet», so die Schmerzspezialistin weiter. Das interdisziplinäre Schmerzboard (weitere Informationen dazu unten in der grauen Box) stellt daraufhin eine multimodale Schmerztherapie zusammen. Diese kann sich aus zahlreichen Therapiemöglichkeiten zusammensetzen:

  • Medikamentöse Schmerztherapie: Schmerzmedikamente sind meist ein wichtiger Bestandteil der Therapie. Die Medikamente müssen individuell und nach der Art des Schmerzes eingesetzt werden. Je nach Situation wird die medikamentöse Schmerztherapie durch Schmerzöle und -pflaster, Salben sowie Medizinalhanf und Globuli ergänzt.
  • Psychotherapeutische Schmerztherapie: Schmerz stellt auch eine psychische Belastung dar. Die permanente Auseinandersetzung mit dem Schmerz kann Reaktionen wie Angst, Verlust der Lebensfreude oder sogar Depressionen auslösen. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen.
  • Physiotherapeutische Schmerztherapie: Ein breites Spektrum an aktiven und passiven physischen Therapiemethoden wie Elektrotherapie, medizinische Trainingstherapie, Osteopathie, Craniosacral- oder KORE-Therapie kann ebenfalls der Schmerzreduktion dienen.
  • Anästhesiologische Schmerztherapie: Neben der schmerzfreien Durchführung von Operationen kann die Anästhesiologie auch starke Schmerzen während des Heilungsprozesses lindern. Menschen mit einem chronischen Schmerzsyndrom sowie Tumorschmerzen können Anästhesiologen aber auch helfen, indem sie verschiedene Schmerzzentren invasiv blockieren und so den chronischen Schmerz lindern.
  • Neurochirurgische Schmerztherapie: Abhängig von der Schmerzintensität können operative Lösungen in Betracht gezogen werden. Dazu zählt unter anderem die Neurostimulation bei Nervenschmerzen (weitere Informationen dazu im Blogbeitrag «Chronische Schmerzen: Die Neurostimulation kann die Lebensqualität stark verbessern»).
  • Patientenedukation: Die Edukation hilft, die Selbstkompetenz und die Selbstverantwortung der Patienten zu stärken, sie dabei zu unterstützen, mit dem Schmerz zu leben und diesen so weit wie möglich in den Griff zu bekommen.
  • Sozialberatung: Chronische Schmerzen können eine Vielzahl berufliche, familiäre und soziale Herausforderungen mit sich bringen. Es kann deshalb hilfreich sein, gemeinsam Lösungsansätze dafür zu finden.

Das Schmerzboard

Im Schmerzboard versammeln sich wöchentlich Spezialisten verschiedener Fachdisziplinen (z.B. aus der Neurochirurgie, Rheumatologie, Psychiatrie, Physikalischen Medizin, etc.). In diesem Rahmen besprechen sie komplexe Krankheitsgeschichten und legen die für die Patienten am besten geeignete Therapie fest und leiten diese anschliessend in die Wege. Der Einbezug verschiedener Fachspezialisten ermöglicht eine breit abgestützte Therapieempfehlung.

 

Trotz all dieser Möglichkeiten, Schmerzen zu lindern, verspricht Schmerzspezialistin Dr. med. Petra Hoederath ihren Patienten nie komplette Schmerzfreiheit. «Ich kann die Ursache nicht beheben. Trotzdem lässt sich mit einer genauen Abstimmung der Therapieformen auf den einzelnen Patienten meist eine Linderung herbeiführen», erklärt sie.

Ebenso wichtig wie die Behandlung der chronischen Schmerzen ist es aber auch, aufmerksam zu bleiben und keine neuen Entwicklungen zu verpassen. «Nur weil jemand unter chronischen Schmerzen leidet, bedeutet es nicht, dass diese Person keine neuen Krankheitsbilder entwickeln kann. Es ist deshalb wichtig, stets genau hinzuhören, wenn sich der Schmerz plötzlich verändert, und zu hinterfragen, weshalb das so ist», so die Expertin.

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