Wenn der 48-jährige Tilo Marschke nicht gerade im Himalaya einen Achttausender erklimmt oder mit dem Schlauchboot durch den Dschungel Venezuelas paddelt, arbeitet er als Facharzt für Anästhesiologie und Notfallmedizin an der Klinik Am Rosenberg in Heiden. Im idyllisch gelegenen Dorf lebt er mit seiner Familie bereits seit 18 Jahren.
Aufgewachsen ist Tilo Marschke in Ostberlin. Schon zu seiner Jugendzeit trieb er Leistungssport und war in der Juniorennationalmannschaft im Rudersport. Mit dem Klettersport kam er zum ersten Mal auf seiner Abiturreise in Südfrankreich in Kontakt. «Das Klettern hat mir eine völlig neue Welt eröffnet», erzählt er. «Im Gegensatz zum Rudern gibt es beim Klettern praktisch keine Regeln», sagt er. Zurück in Berlin kletterte er am «Bunker» – einem 12 Meter hohen Betonklotz aus dem Zweiten Weltkrieg. Kletterhallen gab es damals noch nicht.
Mit dem Paddelboot zum grössten Wasserfall der Welt
Durch die Freundschaft mit dem Inhaber eines Bergsportladens in Berlin lernte er erfahrene Kletterer kennen. Es folgten mehrere Reisen in den venezolanischen Dschungel. Das extremste Abenteuer zu dieser Zeit war die zweimonatige Reise mit Paddelbooten zum Salto Angel, dem höchsten Wasserfall der Erde. Damals noch ohne Satellitentelefon! In den 1990er-Jahren lernte Tilo Marschke Profibergsteiger und Extremkletterer wie Stefan Glowacz oder Kurt Albert kennen und begleitete sie auf ihren Expeditionen, wann immer er neben seinem Medizinstudium Zeit hatte.
Dass sich auf solch waghalsigen Abenteuern auch einmal ein Unfall ereignen kann, liegt auf der Hand. Beim Himalayabergsteigen, wo Höhe und Kälte die Risikofaktoren sind, muss Tilo Marschke als Expeditionsarzt vor allem für Fälle von Höhenkrankheit sowie Erfrierungen gewappnet sein und führt deshalb spezielle Medikamente mit, die er intravenös verabreichen kann. Bei einer Reise zum 8 200 Meter hohen Cho Oyu litt ein Teilnehmer an einem Höhenhirnödem, einer Flüssigkeitseinlagerung im Gehirn, die zu einer gefährlichen Schwellung führt. Tilo Marschke verabreichte ihm Medikamente und sorgte dafür, dass er Flaschensauerstoff atmete. «Das Wichtigste ist, dass man den Betroffenen schnell in tiefere Lagen bringt», erklärt Marschke. In der Nacht wurde der Bergsteiger deshalb 1 000 Meter abwärtstransportiert, damit er am Folgetag in die nepalesische Hauptstadt Kathmandu reisen konnte.
Rettung aus Gletscherspalte
Nur zwei Wochen später ereignete sich am selben Berg ein weiterer Unfall: Ein Bergsteiger stürzte auf 7 100 Metern in eine Gletscherspalte und hing nur noch an den Leinen seines Paragleitschirms. «Wir mussten ihn schnell sichern und ein Seil organisieren», erzählt Marschke. «Während sich mein Freund an einer sechs Millimeter dünnen Reepschnur zum Verunfallten abseilte, um ihn vor dem definitiven Absturz zu bewahren, bauten wir oben eine sichere Verankerung in den Schnee, um beide rauszuziehen», so Marschke weiter. Nach fast sieben Stunden seien sie wohlbehalten an der Schneeoberfläche aufgetaucht. Das war bisher die gefährlichste Situation, die er als Expeditionsarzt miterlebt hat.
Über eine der Expeditionen, die Tilo Marschke begleitet hat, wurde der Film «Jäger des Augenblicks» gedreht. Geplant war eine Erstbegehung am tief im Dschungel gelegenen Tafelberg Roraima. Um an den Fuss der Felswand zu gelangen, musste sich die Gruppe zwölf Tage lang mit Macheten durch den Dschungel kämpfen, wo die grösste Gefahr von giftigen Tieren ausgeht. Und prompt begegneten sie gleich zwei Exemplaren der grössten Giftschlange Südamerikas, dem «Buschmeister», den man nur selten zu Gesicht bekommt, da er tief im Dschungel lebt. Eigentlich ein Glück für Marschke, der Schlangen sehr mag. Doch die Freude währte nur kurz: «Weil unsere einheimischen Begleiter, die uns als Lastenträger unterstützten, denselben Weg wieder zurückgehen mussten, töteten sie die Schlangen. Das Risiko, ihnen ein zweites Mal zu begegnen, wäre zu gross gewesen», erzählt Marschke.
Als «Medizinmann» gefragt
2003 reiste er mit seinen Freunden zum Mount Poi in Kenia, wo das Urvolk der Samburu lebt. Weil der Stein zu brüchig war, mussten sie die geplante Erstbegehung abbrechen und umkehren. Die Samburu hatten mitbekommen, dass sich unter den Bergsteigern ein «Medizinmann» befand. «Ich kam völlig erschöpft ins Camp zurück, da hatte sich eine Schlange mit Menschen gebildet, die sich behandeln lassen wollten», erzählt er und lacht. Trotz Müdigkeit und Erschöpfung begann er, zu helfen. So auch einem Kind, das eine schlimme Ohrenentzündung hatte und nur noch schrie. Marschke gab ihm beruhigende Medikamente, desinfizierte die Ohren und legte einen Kopfverband an. Die Entzündung ging zurück. Einer Krankenschwester im nächstgelegenen Dorf gaben sie Geld, damit sie die Nachbehandlung sicherstellen konnte.
Ob er ein Abenteurer sei? Tilo Marschke überlegt lange. «Vielleicht ein kleiner», sagt er schliesslich und lacht.
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