Im Rahmen einer Partnerschaft zwischen Hirslanden und der humanitären Organisation Mercy Ships, deren Spitalschiffe medizinische Hilfe an die Küste Afrikas bringen, leisten bis Juni 2019 elf Hirslanden-Mitarbeiterinnen einen humanitären Einsatz auf der Africa Mercy. Die Africa Mercy ist das grösste Spitalschiff der Welt und momentan in Guinea stationiert. Miriam Koller, die normalerweise in der Pflege der Klinik Stephanshorn arbeitet, war von Anfang Februar bis Ende März in Guinea und erzählt uns im Interview von ihrem Arbeitsalltag auf dem Spitalschiff.

Miriam, was für Patienten hast du auf der Africa Mercy betreut?

Miriam Koller: Ich habe vor allem «Plastics»- und «Maxfax»-Patienten betreut, also Patienten mit Kontrakturen (Verkürzungen/Schrumpfung eines Gewebes) nach Verbrennungen und Geschwülsten im Gesicht. Es ist wahnsinnig, was ich an Krankheitsbildern gesehen habe. Man kann sich das anhand von Bildern irgendwie gar nicht vorstellen. Viele Krankheitsbilder, die wir zu Hause nicht kennen, sind vor allem auf die Unter- und Mangelernährung zurückzuführen. Der Lebensstil in Afrika führt aber auch zu vielen Verbrennungen, besonders bei Kindern. Die meisten Menschen hier kochen auf offenem Feuer und es ist leider schnell passiert, dass eine Feuerstelle umkippt.

Wie hast du dich auf deine Aufgabe bei Mercy Ships vorbereitet?

Miriam Koller: Ich hatte im Vorfeld zwar schon einiges an Material zum Lesen erhalten. Dieses liess den tatsächlichen Alltag auf dem Spitalschiff aber nur erahnen. Am Montag nach meiner Ankunft hatte ich eine allgemeine Einführung vom Schiff und eine Einführung in die ganze Pflegedokumentation. Am nächsten Tag ging es dann mit der Einführung auf der Station los. Die kann man natürlich nicht mit einer Einführung, wie man sie in der Schweiz kennt, vergleichen. Nach zwei Tagen auf der Station war ich bereits alleine zuständig und ich wusste noch nicht, wo ich was finde und wie alles funktioniert.

Zusätzlich war das Englisch eine grosse Herausforderung für mich, obwohl ich vor dem Aufenthalt noch Englischunterricht genommen hatte. Da auf dem Schiff Personen aus vielen unterschiedlichen Nationen arbeiten, ist es teilweise schwierig, die Akzente zu verstehen. Zudem gab es in der Dokumentation viele Abkürzungen, die ich nicht kannte.

Wie bist du trotzdem zurechtgekommen?

Miriam Koller: Die Stationsorganisation ist nach dem amerikanischen System aufgebaut. Im Früh- und Spätdienst arbeitet jeweils eine Charge Nurse (Schichtleitung), die selbst keine Patienten betreut, aber für die ganze Organisation zuständig ist. Sie macht die Visiten mit den Ärzten und plant jeweils die nächste Schicht mit dem jeweiligen Pflegepersonal und den Patienten. Für mich war die Charge Nurse extrem wichtig, da ich ihr alle meine Fragen stellen konnte. So hatte ich immer eine Ansprechperson, gerade auch in schwierigen Situationen. Das war wirklich extrem hilfreich.

Und da es in Guinea neben der Hauptsprache Französisch sehr viele weitere Sprachen gibt, sind immer einheimische Übersetzer auf der Station. Die waren wirklich Gold wert, denn ohne sie wäre der Stationsalltag schlicht nicht möglich! Die Leute hier sprechen hauptsächlich «Susu», «Pular» und «Malinké». Ich habe sogar ein paar Worte in diesen Sprachen gelernt und die Patienten haben sich riesig gefreut, wenn ich wieder ein Wort lernte.

Worin unterscheidet sich dein Arbeitsalltag auf dem Spitalschiff von demjenigen in der Klinik?

Miriam Koller: Das Stationszimmer auf dem Schiff ist gleichzeitig das Patientenzimmer. Die Station, auf der ich arbeitete, besteht aus 20 Betten auf einer Fläche, die mit zwei Viererzimmern hier in der Schweiz vergleichbar ist. Auf der Station ist es etwas düster, weil es keine Fenster gibt. Zudem schlafen bei den Kindern die Angehörigen unter dem Patientenbett. Wegen der Platzverhältnisse hat hier aber noch niemand reklamiert, denn zuhause schlafen die Menschen für gewöhnlich auf dem Boden und mit der ganzen Familie in einem Raum. Zum Arbeiten ist das aber schon etwas mühsam und man muss speziell im Nachtdienst darauf achten, dass man nicht auf einen Arm oder ein Bein tritt. Daran gewöhnt man sich aber.

Die Arbeit selbst ist auch etwas anders als in der Klinik. Meine Aufgaben bestehen vor allem in der Betreuung vor und nach einer Operation, der allgemeinen Kontrolle von Vitalzeichen und Verbänden sowie der Medikamentenabgabe. Die Körperpflege wird von den Betreuern oder den Patienten selbst durchgeführt. Gerade der Intimbereich ist hier in Afrika tabu für fremde Personen.

Was wird dir von deinem Aufenthalt auf der Africa Mercy in besonderer Erinnerung bleiben?

Miriam Koller: Die afrikanische Kultur hat mich tagtäglich beeindruckt. Die Menschen sind sehr warmherzig und voller Lebensfreude. Vor allem die kleinen Kinder erfüllten mein Herz mit riesiger Freude. Sie haben mich jeden Tag mit ihrem Lachen und ihrer Zuneigung verzaubert. Es hat mich enorm stolz gemacht, ein Teil der Mercy-Ships-Crew zu sein und den Menschen dort neue Hoffnung schenken zu können.

Autorin: Andrea Klemenz, Content Specialist, Hirslanden Corporate Office

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