Aus unserer neuen Serie «Lebensstil als tägliche Medizin» betrachten wir heute, wie bestimmte Routinen in der Schwangerschaft das Wohlbefinden und die Gesundheit von Mutter und Baby beeinflussen. Auch werden wir Sie in fünf einfache Alltagsstrategien für einen gesunden Lebensstil in der Schwangerschaft einführen.
Während der Schwangerschaft verändert sich der Körper der Schwangeren signifikant. Spätestens mit der Vorbereitung auf eine Schwangerschaft sollten Sie Ihren Lebensstil bewusst anpassen und als wichtiges Instrument nutzen, um die eigene, aber auch die Kindesgesundheit zu beeinflussen. Wir beschäftigen uns hier mit einem einfach zu beobachtenden Indikator für die Qualität des Lebensstils, dem Gewicht. In dieser Zeit sind Diäten ein absolutes Tabu für die werdende Mutter, jedoch ist die Umstellung auf eine bewusste Ernährung und ausgewogene Bewegung äusserst hilfreich und bekommt allen gut.
Tatsächlich greift diese Erkenntnis immer weiter um sich, das zeigt ein verändertes Informationsbedürfnis unter schwangeren Patientinnen in den Hirslanden-Praxen: «Das Interesse und die Verunsicherung rund um die Gewichtsentwicklung der Schwangeren hat deutlich zugenommen in meinen Sprechstunden über die letzten 10 Jahre.» so Prof. Dr. Breymann, Gynäkologe an der Klinik Hirslanden.
Dieser Verunsicherung möchte dieser Artikel entgegenwirken. In diesem Text werden wir anschauen, was eine normale Gewichtsentwicklung für Ihre Schwangerschaft ist und welche Risiken Sie reduzieren können, wenn Ihre Entwicklung im Normbereich stattfindet.
Das ideale Gewicht in der Schwangerschaft: Individuell und doch gibt es klare Bandbreiten
Ungesunde Gewichtsentwicklungen sind sowohl Über- wie auch Untergewicht. Der Grossteil der Schwangeren neigt zu einer leicht übermässigen Gewichtszunahme in der Zeit der Schwangerschaft.
Hauptursachen dafür sind zwei Einflussfaktoren: unausgewogene Ernährung und unzureichende Bewegung.
- Der Kalorienbedarf steigt ab der 2. Hälfte der Schwangerschaft an, jedoch wird dieser leicht im Essverhalten überkompensiert und durch ungesunde Schwangerschafts-Gelüste noch weiter verstärkt.
- Der zweite Lebensstil-Faktor ist die Bewegung: Hier fällt es naturgegeben zunehmend schwer, physisch aktiv zu bleiben und erfordert eine Umstellung der Bewegungsroutinen.
Die Kombination der beiden Lebensstil-Faktoren Bewegung und Ernährung kann so mittelfristig zu einer überdurchschnittlichen Gewichtszunahme führen. Eine ideale Gewichtszunahme ist individuell und richtet sich nach dem Ausgangsgewicht der Schwangeren vor der Schwangerschaft, wie die untenstehende Tabelle zeigt (Quelle: BLV, «Ernährung – Rund um die Schwangerschaft und Stillzeit», PDF).
BMI vor der Schwangerschaft in kg / m³ |
Empfohlene Gewichtszunahme in kg | |
Untergewicht | <18.5 | 12.5 bis 18 |
Normalgewicht | 18.5 bis 24.9 | 11.5 bis 16 |
Übergewicht | 25 bis 29.9 | 7 bis 11.5 |
Adipositas | ≥30 | 5 bis 9 |
Besondere Vorsicht gilt insbesondere bei einer sehr schnellen Gewichtszunahme von 1 kg / Woche. Dies kann beispielsweise Anzeichen für eine Schwangerschaftsvergiftung sein. Wenn hoher Blutdruck, manchmal auch Übelkeit, Kopfschmerzen oder Schwindel auftreten, sollten Sie unverzüglich Ihren Frauenarzt informieren. |
Welche Risiken lassen sich mit einem optimierten Lebensstil in der Schwangerschaft beeinflussen?
Doch warum spielt das Gewicht in der Schwangerschaft medizinisch eine so wichtige Rolle? Die Forschung zeigt, dass verschiedene Schwangerschafts-Risiken bei Normalgewichtigen geringer ausfallen. Kurzfristig erhöht Übergewicht das Risiko eines übergrossen Kindes, schwangerschaftsbedingten Bluthochdrucks, von Schwangerschaftsdiabetes sowie von Komplikationen während der Geburt. Gewisse Effekte wirken sich sogar langfristig aus. Das überschüssige Gewicht der Mutter ist schwerer nach der Geburt wieder zu reduzieren und erhöht so Herzkreislauf- und andere Gesundheitsrisiken. Ebenso gibt es Evidenz dafür, dass das Übergewicht der Mutter zu späterem Übergewicht beim Kind führt, genetisch, aber auch lebensstilbedingt.
Untergewicht in der Schwangerschaft hingegen führt zu einer Unterversorgung und somit Schädigung des Kindes: Das Frühgeburtsrisiko steigt. Untergewicht bei der Geburt führt zudem häufiger dazu, dass das Kind nicht gut gestillt werden kann oder gar mentale Verzögerungen erleidet.
Konkret: Diese 5 Routinen helfen bei einer gesunden Schwangerschaft
#1: An die Vorräte!
Was zu Hause und am Arbeitsplatz rumliegt, wird auch gegessen!
Deshalb empfehlen wir als Erstes, die Vorräte mit Früchten und Gemüse, Nüssen, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und naturbelassenen Milchprodukten aufzufüllen. So sind Sie gut mit Vitaminen, Mineralstoffen und Antioxidantien versorgt und kommen weniger in Versuchung.
#2: Machen Sie bei den Hauptmahlzeiten keine Kompromisse!
Nährstoffreich essen ist jetzt wichtig, vor allem zu den Hauptmahlzeiten und das bedeutet echtes, frisch gekochtes Essen, wann immer möglich. Tauschen Sie weisses Brot und Beilagen wie Pasta oder Reis mit der Vollkornvariante (die Sie ja mittlerweile im Vorratsschrank haben nach #1). Essen Sie viel frisches Obst und Gemüse in roher und gekochter Form. Lassen Sie keine Hauptmahlzeiten aus, reduzieren Sie dafür zuckerhaltige Desserts und Süssgetränke.
Wenn Sie die Hauptmahlzeiten nicht zu sich nehmen können, weil Ihnen übel ist, helfen diese Tipps:
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#3 Snacken Sie – aber bewusst
Je weniger Platz der Magen hat, desto beliebter werden die Snacks zwischen den Hauptmahlzeiten. Sie sind auch eine einfache Art, den Kalorienmehrbedarf auszugleichen. Im 2. Trimester steigt der Mehrbedarf auf ca. 250kcl an, im 3. auf ca. 500kcl. Damit Sie das Beste aus den Snacks für sich und Ihr Baby ziehen können, haben wir Ihnen hier nährstoffreiche Snackempfehlungen so zusammengestellt, dass ein Snack pro Tag den Mehrbedarf ab 2. Trimester und 2 Snacks pro Tag den Mehrbedarf im 3. Trimester ausgleichen.
Kein Rechnen mehr notwendig! Hier zu den Vorschlägen für gesunde Snacks in der Schwangerschaft.
#4 Häufig bewegen: ideal täglich!
Wer physisch aktiv bleibt und mindestens 150 Minuten pro Woche, mindestens 30 Minuten am Stück, zügig geht, schwimmt oder Rad fährt, tut sich sehr viel Gutes. In allen Phasen der Schwangerschaft, auch am Schluss, müsste das möglich sein, ausser Ihr Arzt verordnet Ihnen etwas Gegenteiliges.
Die Bewegung reduziert Rückenschmerzen, die durch die grössere Belastung ausgelöst werden. Auch wer an Verstopfung und Müdigkeit leidet, sollte sich unbedingt eine gute Dosis täglicher Bewegung gönnen.
Hier finden Sie weitere Tipps für Sport in der Schwangerschaft inkl. geeigneter Yoga-Übungen.
#5 Essattacken entgegenwirken
Ungesunde und unregelmässige Hauptmahlzeiten sind meist der Hauptgrund für Essattacken. In der Schwangerschaft wird dies zusätzlich noch durch Hormone und die Störung des Ernährungsrhythmus’ durch typische Schwangerschaftsbegleiter verstärkt, da die Schwangere dadurch zu spät, zu viel und das Falsche isst.
Falls Schwangerschaftsleiden die Nahrungsaufnahme erschweren, gibt es hier ein paar Tricks.
Bei Reflux/Sodbrennen bitte folgende Strategien beachten:
- Verteilen Sie Ihre Mahlzeiten in mehrere, kleinere Portionen über den Tag.
- Vermieden Sie physische Aktivität direkt nach der Nahrungseinnahme.
- Weniger fettiges, saures, scharfes Essen hilft Ihnen ebenso.
- Trinken und Essen sollten Sie zeitlich staffeln, damit der Magen weniger Volumen braucht. Trinken Sie mehr über den Tag verteilt, dafür weniger zu den Mahlzeiten.
Falls Sie sich mehr Betreuung zu diesem Thema wünschen, helfen Ihnen unsere Ernährungsberaterinnen in den Hirslanden-Kliniken oder spezialisierte Anbieter für Ernährungspläne in der Schwangerschaft gerne weiter.
Weitere Informationen: |
Autorin: Ana Pereira, Ernährungswissenschaftlerin
Quellen zum oben besprochen Stand der Forschung finden Sie hier:
- Chung JG, Taylor RS, et.al. «Gestational weight gain and adverse pregnancy outcomes in a nulliparous cohort.», Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol . 2013 Apr;167(2):149-53
- Gilmore A.L. et.al, «Pregnancy as a window to future health: Excessive gestational weight gain and obesity», Semin Perinatol. 2015 Jun; 39(4): 296–303. Author manuscript
- Institute of Medicine (US) and National Research Council (US) Committee to Reexamine IOM Pregnancy Weight Guidelines; Rasmussen KM, Yaktine AL, editors. «Weight Gain During Pregnancy: Reexamining the Guidelines», National Academies Press (US); 2009.
- Sridhar Sneha B., MPH, Darbinian Jeanne et.al., «Maternal gestational weight gain and offspring risk for childhood overweight or obesity», Am J Obstet Gynecol. 2014 Sep; 211(3): 259.e1–259.e8
- Tamashiro Kellie L.K., Moran Timothy H., «Perinatal environment and its influences on metabolic programming of offspring», Physiology & Behavior Volume 100, Issue 5, 14 July 2010, Pages 560-566
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