Ihre Schwester/Tochter/Gotte/Tante/Cousine/beste Freundin hat ein Baby bekommen und Sie können es kaum erwarten, die beiden in der Klinik zu besuchen? Toll, auch sie freuen sich über Besuch! Doch bitte beachten Sie beim Besuch eines Neugeborenen und seinem Mami folgende Regeln. Wir versprechen Ihnen, dass die frischgebackenen Eltern das sehr zu schätzen wissen.

Hi, ich bin Marvin*, ein Neugeborenes. Total süss, ganz weich, rieche gut – und völlig den Erwachsenen ausgesetzt. Ich bin erst einen Tag alt und gestern waren schon ganz viele Besucher hier. Ich bin von einer Person zur anderen auf den Arm gereicht worden und hab dabei ganz vieles erlebt, was ich gar nicht toll fand. Und meine Mami auch nicht. Damit euch als Besucher nicht dasselbe passiert, kläre ich euch hier mal auf.

Hygiene – klingt stur, muss aber sein.

Okay zugegeben, Desinfektionsmittel riecht streng und vielleicht nutzt ihr es daher nicht so gerne. Aber glaubt mir, ihr wollt echt nicht schuld sein, wenn ich mir wegen euch ein Virus einfange, denn ein solcher kann für mich extrem gefährlich sein, weil meine Abwehrkräfte noch nicht wirklich ausgebildet sind. Also seid so nett und benutzt das flüssige Desinfektionsmittel, das es in jedem Spitalzimmer gibt. Legt euren Fingerschmuck ab, steckt ihn in die Tasche, nutzt das Desinfektionsmittel grosszügig (mindestens 3 ml) und am besten, sobald ihr zur Tür reinkommt. Dann sieht mein Mami auch, dass ihr aufmerksam seid und nur das Beste für mich wollt.

Wie gesagt, ich bin total niedlich. Aber knutscht ihr denn jedes Kind, das ihr süss findet? Nein. Also lasst das Küssen auch bei mir bitte sein. Einerseits sieht das weder mein Mami noch mein Papi gerne, das ist momentan noch ihnen vorbehalten, und andererseits können über den Speichel ebenfalls Viren übertragen werden. Wenn’s denn unbedingt sein muss: Meine Füsse sind gaaaanz sauber und ich bin noch nicht allzu kitzlig dort.

Meine Mami versteht ja, dass ihr fasziniert seid von meinen kleinen Fingern. Aber die nehme ich nachher auch in den Mund. Mit meinen Fingern spielen ist in den ersten Tagen daher ein No-Go.

Ich bin noch ein instabiles Sensibelchen.

Momentan geniesse ich die Arme meines Papis, die Brust bei Mami oder mein kleines Bettchen. Dort schlafe ich nur so gut, weil ich mich wohl und geborgen fühle. Keine Angst, ich bin noch eine ganze Weile so klein und kann auch noch lange rumgetragen werden. Meine Eltern sagen ungerne nein, wenn ihr fragt, ob ihr mich halten könnt. Aber bringt sie nicht in diese Lage, ich bin sicher, das schätzen sie ungemein. Und ansonsten werden sie euch aktiv fragen und sind dann froh, wenn ihr mich nehmt und sie ein wenig entlastet.

Das gebe ich ungerne zu, aber ich bin noch sehr sensibel. Bitte verzichte bei deinem Besuch darauf, viel Parfüm aufzutragen oder ähnlich Intensives für deine Kleidung zu benutzen. Auch blühende Blumen in einem Raum vertrage ich momentan noch nicht so gut.

Du hast auch Kinder und die wollen unbedingt ihren kleinen Cousin sehen? Glaub mir, das Spital ist total uncool für Kinder. Sie dürfen nichts anfassen und müssen leise sein wegen der anderen Wöchnerinnen, die im selben Zimmer sind wie mein Mami. Und weil ich meinen Kopf noch nicht selber halten kann, werden meine Eltern mich nicht deinen Kindern zum Halten geben. Sicherheit geht nun mal vor, aber das verstehst du doch, oder?

Erschöpftes Baby, erschöpftes Mami

Mami und ich hatten eine echt lange Nacht. Ich war halt nicht gerade der Schnellste bei der Geburt und dann hat es heute mit dem Füttern nicht so geklappt. Und nun bin ich unzufrieden und vermerke das lautstark. Schau, ich bin Mamis erstes Baby und sie hat nun ein wenig Stress meinetwegen, sie ist dir echt dankbar, wenn du in solchen Situationen zuvorkommend bist und nicht allzu lange bleibst. Wir freuen uns auch über einen Besuch von nur zehn Minuten, müssen uns aber danach wieder erholen. Komm lieber morgen wieder, hoffentlich sind Mami und ich dann ausgeschlafener.

Danke, wir schätzen Deine Rücksichtnahme sehr.

*Marvin und seine Geschichte sind frei erfunden. Die Geschichte schildert aber wahre Abläufe, die die Autorin zusammengetragen hat, nachdem sie einen Tag lang eine Hebamme begleitet und über ihre Erlebnisse aus ihrem Arbeitsalltag befragt hat.

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