Gross im Trend gegen den Winterspeck sind zur Zeit Low-/No-Carb-Diäten, die auf viel Eiweiss setzen und Kohlenhydrate praktisch ganz vom Menüplan streichen. Doch halten diese Diäten wirklich, was sie versprechen? Mein Selbsttest lässt Zweifel aufkommen.

Dukan soll’s richten

Dr. Pierre Dukan*, Ernährungsspezialist aus Frankreich und erfolgreicher Autor mehrerer Diätbücher, begeistert Abnehmwillige seit einigen Jahren mit seiner Proteindiät. Wie Robert Atkins schon 30 Jahre vor ihm verbietet auch Pierre Dukan seinen Anhängern in der ersten strengen «Angriffsphase» praktisch alle Kohlenhydrate. Lediglich kleine Mengen Haferkleie sind erlaubt.

Hauptnahrungsmittel sind Proteine in Form von fettarmem Fleisch, Fisch, Meeresfrüchten, Eiern oder mageren Milchprodukten. In der zweiten, der sogenannten «Aufbauphase», mit weiterem, aber verlangsamtem Gewichtsverlust, wechseln sich reine Protein-Tage mit Protein-plus-Gemüse-Tagen ab. Während Atkins auch Fett als wichtige Energiequelle einsetzt, ist Dukan Verfechter von reinem Eiweiss. Beiden Diäten ist gemeinsam, dass sie anfänglich gute Resultate liefern.

Diäten stellen Stoffwechsel um

Die Umstellung auf grosse Eiweissmengen bei gleichzeitigem Verzicht auf Kohlenhydrate führt unter anderem zu einer verstärkten Wasserausscheidung. Ebenso stellt der Körper bei beiden Diätformen aufgrund der nicht mehr verfügbaren Kohlenhydrate schnell auf Fettverbrennung um. Der Abbau kann aber nicht mehr auf dem normalen Stoffwechselweg erfolgen, denn dazu braucht der Körper auch Kohlenhydrate. Auf dem Alternativweg entstehen als Stoffwechselendprodukte sogenannte Ketonkörper, die von allen Körperzellen als Alternative zu Zucker für die Energiegewinnung genutzt werden können. Die  appetithemmende Wirkung dieser Verbindungen ist im Rahmen einer Diät ein Vorteil. Zuweilen verursachen sie aber einen Geruch von Aceton (Nagellackentferner) in der Atemluft.

Einseitige Ernährung

Der minuziös geplante Diätstart meiner Arbeitskolleginnen und die herumgereichten Kochbücher haben mich verleitet, mich dem Abenteuer Dukan-Diät anzuschliessen. So habe ich einen Tag lang nur Magerquark, Trockenfleisch, Lachs und Eier gegessen und meinen Kaffee mit ungesüsster Sojamilch geschlürft. Und wie das so ist, wenn man eine Diät macht: Natürlich nur ans Essen gedacht. Bis zum Abend ist mein Widerwille gegen diese einseitige Ernährungsweise jedoch so angeschwollen, dass ich bereits am Tag 2 auf Protein plus Gemüse umgestellt habe. Damit konnte ich ein paar Tage gut leben und schliesslich auch ein Kilo loswerden.

Früchte und Gemüse gehören dazu

Es macht durchaus Sinn, eine Ernährungsumstellung mit ein-zwei reinen Protein-Tagen (oder alternativ mit einem Safttag) zu starten, um dem Körper und auch dem Kopf das Zeichen zu geben, dass jetzt etwas Neues beginnt. Nach dem vorübergehenden Verzicht – bei Dukan sind es vor allem die Früchte – habe ich auch einen einfachen Apfel wieder ganz anders geschätzt als zuvor. Aber zu lange auf Gemüse und Früchte zu verzichten ist keine gute Option.

Pro Proteindiät

  • Der Initialerfolg ist bei den meisten, die sich an den Plan halten gut. Dies motiviert zum Weitermachen.
  • Dank dem grossen Eiweissanteil wird weniger Muskelprotein abgebaut als bei anderen Reduktionsdiäten. Dies ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, weil er hilft, langfristig das erlangte Gewicht zu halten. Denn je höher unser Muskelanteil, desto grösser ist der Grundumsatz (= Kalorienverbrauch in Ruhe).
  • Dank dem niedrigen Kohlenhydratanteil bleibt der Blutzuckerspiegel und als Folge auch der Insulinspiegel tief – die Voraussetzung für die Fettverbrennung ist somit gegeben.
  • Man braucht keine Kalorien zu zählen und auch nicht zu hungern – fettarme Proteine sind «à discrétion» erlaubt.

…und Kontra

  • Auch mit einer Proteindiät ist man vor dem Jo-Jo-Effekt nicht geschützt. Viele nehmen die verlorenen Kilos im Anschluss an die Diät wieder zu. Nur eine lebenslange Ernährungsumstellung im Sinne einer gesunden, bedarfsgerechten Vollwertkost garantiert den Erfolg.
  • Reine Proteintage sind sehr einseitig. Nicht nur geschmacklich, sondern auch in Bezug auf Vitamin-, Mineralstoff- und Nahrungsfaser-Zufuhr – es fehlt das Gemüse!
  • Früchte und Nüsse sind wichtige Vitalstofflieferanten und unterstützen, massvoll genossen, unsere Gesundheit massgeblich. Sie über lange Zeit vom Menüplan zu streichen ist unsinnig.
  • «Low Carb» als Dauerernährung heisst auch, dass mehr Produkte tierischen Ursprungs verzehrt werden. Dies belastet nicht nur unseren Körper (besonders Herz, Leber und Niere) mit mehr Cholesterin und tierischen Abbauprodukten, sondern unter Berücksichtigung der Lebensmittelproduktion auch die Umwelt.

*Anfang Jahr wurde Herrn Dukans Approbation als Arzt definitiv entzogen. Ihm wird vorgeworfen, seine umstrittene Diät zu kommerziell zu vermarkten. Auch hatte er in einem offenen Brief an den Präsidenten eine grosse Kontroverse ausgelöst. Darin schlägt er vor, dass Maturanden extra «Punkte» bekommen sollen, wenn sie mit ihrem BMI im Normbereich bleiben.

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