Dr. med. Christian Westerhoff ist Bereichsleiter für Klinische Bereiche der Privatklinikgruppe Hirslanden. Im Interview erklärt er, warum das Qualitätsniveau von Spitälern nicht mit purer Statistik ermittelt werden kann.
Herr Dr. Westerhoff, in der Schweiz wird seit einigen Jahren eine intensive Debatte geführt über die Qualität im Gesundheitswesen und die Möglichkeiten, wie sie weiter verbessert werden könnte. Wo steht die Schweiz im europäischen Vergleich bei der Qualitätsmessung und der Veröffentlichung von Qualitätsdaten?
Was die Erhebung und Publikation von Qualitätsindikatoren betrifft, hinkte die Schweiz bis vor wenigen Jahren anderen europäischen Ländern etwas hinterher. Doch das beginnt sich seit einiger Zeit zu ändern. Entsprechend nimmt die Kenntnis der Qualität im Schweizer Gesundheitswesen laufend zu. Man weiss immer mehr, und zwar nicht nur über die Gesamtsituation, sondern auch über einzelne Spitäler. Eine wichtige Rolle kommt dabei dem Nationalen Verein für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken (ANQ) und seinem Messprogramm zu.
Welche Bedeutung hat die Veröffentlichung der Qualitätsdaten von Spitälern?
Die Öffentlichkeit erwartet heute von den Spitälern einen gewissen Qualitätsnachweis, auch wenn bekannt ist, dass das Qualitätsniveau in der Schweiz generell recht hoch ist. Dazu kommt, dass die Publikation von Qualitätskennzahlen in den Spitälern das Bewusstsein für den Leistungserbringungsprozess schärft. Die statistischen Ausreisser nach oben und nach unten lassen sich identifizieren. Das führt dazu, dass die schlecht abschneidenden Spitäler Massnahmen zur Qualitätsverbesserung ergreifen.
Kann man von den veröffentlichten Messergebnissen eines Spitals denn direkt auf die Qualität seiner Leistungserbringung schliessen?
Eine isolierte Betrachtung der Daten ist in den meisten Fällen nur sehr wenig aussagekräftig. Um daraus solide Erkenntnisse abzuleiten, muss man das betreffende Spital genau analysieren. Dabei sind die Patientencharakteristika zu betrachten, aber auch weitere Parameter wie die Fachgebietsverteilung und die Art der durchgeführten Operationen.
Um so schwieriger dürfte es sein, allein anhand von Messergebnissen die Qualität unterschiedlicher Spitäler miteinander zu vergleichen.
Ein solcher Vergleich ist in der Tat schwierig. Das betrifft zunächst die Gegenüberstellung von Spitälern unterschiedlicher Grösse. In kleinen Spitälern sind die Fallzahlen oft zu tief, als dass sich daraus statistisch belastbare Ergebnisse gewinnen liessen. Denn je kleiner die Fallzahlen sind, desto stärker wird das Ergebnis durch Zufallsereignisse bestimmt. Um die Qualität von kleineren Spitälern zu beurteilen, empfiehlt es sich deshalb, die Entwicklung der Messwerte über mehrere Jahre in den Blick zu nehmen und gleichzeitig die Prozesse der Leistungserbringung zu analysieren. Eine zweite Schwierigkeit beim Vergleich der Qualitätsdaten verschiedener Spitäler gründet darin, dass viele Indikatoren nicht oder nur unzureichend risikoadjustiert sind. Das heisst, Patientenmerkmale wie Begleiterkrankungen oder der Schweregrad einer Erkrankung werden ausser Acht gelassen.
Genau so lautet der Hauptkritikpunkt an der Veröffentlichung der Sterblichkeitsdaten der Schweizer Spitäler durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG).
Das BAG berücksichtigt bei der Risikoadjustierung der Sterblichkeitsdaten nur gerade das Alter und das Geschlecht der Patienten. Das ist aber zu wenig. Es gibt Patienten, deren Versterben im Spital aufgrund ihres Zustandes so gut wie unabwendbar ist. Aus solchen Todesfällen lassen sich keine Aussagen über die Qualität eines Spitals ableiten.
Sterblichkeitsdaten sind aber noch aus einem zweiten Grund mit Vorsicht zu interpretieren. Das Ereignis Tod ist grundsätzlich sehr selten. Das bedeutet, dass jeder einzelne Todesfall die Mortalitätsrate eines Spitals stark beeinflusst. So ist es durchaus denkbar, dass sich in einem Spital die Rate von einem Jahr zum nächsten nicht weniger als verdoppelt. Daraus zu schliessen, dass sich in derselben Periode die Qualität des Spitals halbiert habe, wäre aber unzulässig.
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